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Warum das Jugendfestival nicht (nur) ein großer Spaß war
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Geschrieben von oliver werner   
Freitag, 9. Mai 2014

Höhepunkt des zweitägigen Turniers war ohne Zweifel das U14 Finale zwischen dem Sport Club Frankfurt und USO Massiv Central Paris (Foto Jürgen Kessler)
Höhepunkt des zweitägigen Turniers war ohne Zweifel das U14 Finale zwischen dem Sport Club Frankfurt und USO Massiv Central Paris (Foto Jürgen Kessler)

Dass das 5. Frankfurter Rugby-Jugendfestival ein voller Erfolg war, daran wird sicher niemand zweifeln, der am vergangenen Wochenende, 3. und 4. Mai, Zeit beim Sport Club Frankfurt 1880 an der Feldgerichtstraße verbracht hat. 850 lachende, schreiende und jubelnde Kinder aus sechs Nationen im fairen sportlichen Wettkampf sprechen eine zu deutliche Sprache. Dazu kommen eine Vielzahl von Betreuern und Eltern aus England, Frankreich und Irland, den Kernländern des europäischen Rugby sozusagen, die das Rugby-Jugendfestival über alle Maßen gelobt und das Turnier auch 2015 wieder dick und fett im Terminkalender angestrichen haben.


Der Arbeitsaufwand, den die rund 150 Freiwilligen, allen voran sicher Jugendwart Tilo Barz, in den Wochen und Monaten vor, während und unmittelbar nach dem Turnier in die Veranstaltung gesteckt haben, ist allerdings enorm. Ohne kompetente Leute, die bereit sind, diese Zeit zu investieren, anzupacken und Spender zu werben, bleibt die Idee von internationalen Jugendturnieren reine Theorie. Wenn man die Helfer und die teilnehmenden Mannschaften, für die eine Reise mit eventuell 50 Kindern plus Betreuern aus dem Ausland auch kein Zuckerschlecken ist, nach einem gut vorbereiteten und geplanten Turnier fragt, ob sich das denn alles gelohnt hat, werden die Antworten wohl sehr eindeutig ausfallen. 850 Kinder, 66 Mannschaften aus 22 Clubs, 208 einzelne Matches an zwei Tagen - klar hat sich das gelohnt! „Wir hatten eine super Zeit, es war gut organisiert und die Kinder hatten wahnsinnig viel Spaß.“ So oder so ähnlich äußerten sich viele der Teilnehmer. Geht es bei Turnieren dieser Art allerdings „nur“ um den Spaß? Spaß am Rugby – den können die Kinder auch bei gut organisierten Turnieren in der Region haben, sei es bei den SAS-Turnieren in Heidelberg oder den Turnieren der Hessischen Rugbyjugend mit Vereinen vor allem aus dem Rhein-Main-Gebiet.

Nein, es geht um mehr als Spaß: Das deutsche Jugendrugby braucht internationale Turniere auf diesem Niveau, um langfristig Spieler auszubilden, die den europäischen Vergleich nicht scheuen müssen. Das soll nicht heißen, dass die Jugendmannschaften aus Deutschland und der Region keine Qualität mitbringen. Das zu attestieren wäre falsch. Aber die Platzierungen des diesjährigen Frankfurter Rugby-Jugendfestivals sprechen eine relativ deutliche Sprache:

U8: 1. RC Praga, 2. Germania List, 3. Heidelberger RK, 4. SC Frankfurt 1880 I

U10: 1. USOMC (Paris), 2. Six Fournais I (Toulon), 3. Boitsfort, 4. SC Frankfurt 1880 I

U12: 1. USOMC (Paris), 2. Provins, 3. London Welsh I, 4. Boitsfort

U14: 1. SC Frankfurt 1880, 2. USOMC (Paris), 3. Wallingford, 4. Provins I

In den Altersklassen U8 bis U14 haben es insgesamt nur fünf deutsche Teams unter die ersten vier geschafft. Fünf von 16 möglichen Platzierungen, davon drei in der U8, der die Ausländer weitgehend ferngeblieben waren. Dabei waren zum Beispiel mit dem HRK, dem SCN, dem SC Germania List oder Victoria Linden durchaus starke Vereine aus Deutschland gekommen. Mag sein, dass sich andere heimische Mannschaften (beispielsweise waren RGH und BRC mit ihren Anmeldungen leider etwas zu spät gekommen) gegen unsere europäischen Nachbarn besser geschlagen hätten. Doch das ist reine Spekulation – sicher ist dagegen, dass uns unsere Gäste zum Teil ganz ordentlich aufgemischt haben. Besonders die Teams aus Frankreich, allen voran USO Massif Central Paris, haben Jugendrugby gezeigt, wie man es in diesen Landen nur selten zu Gesicht bekommt. Hätte die Frankfurter U14 die Pariser am Sonntag im Finale nicht überzeugend besiegt (24:0), hätte USO Massif neben dem Pokal für den Erstplatzierten in den Altersklassen U10 und U12 auch die höchste Altersklasse gewonnen, die am Wochenende vertreten war. Besonders in der U12 war die Qualität der nach Deutschland gereisten Mannschaften enorm. Die ersten vier Plätze machten Mannschaften aus Frankreich, England und Belgien unter sich aus. Da wurde gespielt und gefightet, dass einem Hören und Sehen verging – besonders den unterlegenen Gruppengegnern. Wer in die Gesichter von Gewinnern und Verlierern gesehen hat, der weiß: Bei allem Spaß an der Freude, auch Kinder wollen Leistung bringen. Sie wollen sich mit guten Gegnern messen und Rugby auf hohem Niveau spielen. Am liebsten gegen Mannschaften, denen sie nicht bereits hier zu Lande jedes zweite Wochenende auf heimischen Turnieren über den Weg laufen.

Martin Käschel ist stolzer Rugbypapa, „80er“ Urgestein und seit Jahren Betreuer der aktuellen U12 Mannschaft. Bei dem Turnier wollte er mit seinen Jungs etwas reißen. Der erste Dämpfer kam in der Vorrunde, als sich sein Team der französischen Mannschaft aus Provins geschlagen geben musste. In den K.O.-Spielen war dann Schluss. Die Mannschaft aus Paris, der spätere Turniersieger, war einfach zu stark. Ein Grund, so richtig deprimiert zu sein, ist das für ihn allerdings nicht. „Die Franzosen haben einfach toll gespielt. Lieber verliere ich gegen eine richtig gute Mannschaft, als das ich ständig gegen schwache Teams gewinne.“ fasst Martin noch am Spielfeldrand zusammen.

Natürlich wäre es auch Mumpitz zu behaupten, alle Franzosen, Engländer oder Iren wären begnadete Rugbyspieler. Dafür, dass zum Beispiel auch nicht in jedem deutschen Hobbyfußballer ein Mario Götze schlummert, gibt es tonnenweise Beweise. Mich zum Beispiel.

Einer der vielen Gründe, warum uns diese Rugby-Nationen so überlegen sind, ist die Leistungsdichte und die gewaltige Zahl an Spielern und Vereinen, die sich regelmäßig miteinander messen können. Zum Vergleich: 2011 brachte es Deutschland auf 5.384 Rugby spielende Kinder und Jugendliche. In Frankreich waren es in derselben Zeit über 200.000 Kinder und Jugendliche, die dem ledernen Oval hinterher jagten. Selbstverständlich steckt nicht in jedem Kind, das zurzeit gutes Rugby spielt ein zukünftiger Leistungssportler. Das muss aber auch nicht sein. Was aber sein muss, ist der Austausch mit anderen Nationen, um Anschluss an diese Leistungsdichte zu finden. Allein schon um mal zu sehen, wie in anderen Ländern gespielt wird und welche Methoden es gibt. Nicht nur für die Spielern, sondern auch für die Betreuer und Trainer.

Die deutsche Herren-Nationalmannschaft hat vor kurzem erst den Aufstieg in die nächsthöhere Spielklasse des European Challenge Cups gemeistert. Dieser Erfolg muss jetzt zwar von den Herren verteidigt werden, aber mit guter Jugendarbeit mischen wir das Fundament für zukünftige Erfolge. Dazu gehören nicht nur die kontinuierliche lokale Arbeit und der Leistungsvergleich in der Region und Deutschland insgesamt. Sondern eben auch die Orientierung an internationalen Standards, und die bekommt man nur mit regelmäßigen Begegnungen und Events. „Das Festival passt da genau in unsere Strategie“, sagt 1880-Jugendwart Tilo Barz: „Wir streben an, dass jede Altersklasse ab der U10 mindestens zweimal im Jahr nachhaltigen Kontakt zum Jugendrugby in den europäischen Hochburgen hat. Nur so behalten wir die Spitze im Blick. Schöner Nebeneffekt einer solchen Großveranstaltung ist natürlich, dass auch andere deutsche Vereine davon profitieren.“  Es liegt also nicht nur an den großen und kleinen Leistungsträgern, sondern an jedem Verein und an den Eltern, den Kindern einUmfeld zu liefern, in dem sie entsprechend ihren Möglichkeiten wachsen können.

 

o.w.

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