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Die All Blacks sind weiter nicht zu stoppen, doch was macht den Weltmeister so gut?
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Mittwoch, 21. September 2016

Dane Coles und seine All Blacks Kollegen: Vorsprung durch Technik. Foto (c) Coles Instagram
Dane Coles und seine All Blacks Kollegen: Vorsprung durch Technik. Foto (c) Coles Instagram

Auch am vergangenen Wochenende glich der Vergleich des zweimaligen Weltmeisters Südafrika mit dem amtierenden Titelträger aus Neuseeland eher einem Katz und Maus Spiel. Die Springboks, immerhin Dritter der letzten WM, konnten selbst bei langsamen Bedingungen im winterlich feuchten Christchurch nicht das Tempo der All Blacks mitgehen. Doch was macht diese Mannschaft so besonders?

Stuart Barnes, ehemaliger England, British and Irish Lions und Barbarians Verbinder und heutiger Rugby-Kommentator für Sky in England brachte es in seiner Kolumne auf den Punkt. Mit dem vorzeitigen Sieg in der Rugby Championship habe die Mannschaft Neuseelands nur ein weiteres Mal ihren Status als "beste Mannschaft aller Zeiten" zementiert. Der personelle Umbruch nach der Weltmeisterschaft mit den Abgängen von Verbinder Dan Carter, Flanker und Kapitän Richie McCaw und dem wohl besten Innen-Duo der Welt mit Nonu und Smith haben die All Blacks nicht nur gemeistert. Sie scheinen heute stärker denn je zuvor zu sein. Mit 24 Versuchen in vier von sechs Rugby-Championship Spielen haben sie öfter die gegnerische Mallinie überquert, als alle drei Konkurrenten zusammengerechnet.

Doch worin liegt das Geheimnis dieser Mannschaft, die den Rugbysport nunmehr seit dem verlorenen WM-Viertelfinale gegen Frankreich 2007 schon seit fast einer Dekade dominiert? Die übermäßige physische Dominanz ist es sicherlich nicht. England und Südafrika stellen momentan zweifelsohne den deutlich schwereren Sturm und auch historisch war Neuseeland nie dafür bekannt, seine Gegner einzig mit Masse aus dem Weg zu räumen. Außerdem sind die Zeiten, in denen man seinen Gegner auf der internationalen Bühne mit schierer körperlicher Überlegenheit dominieren konnte vorbei, siehe die Probleme der Boks in den letzten Jahren gegen deutlich "kleinere" Teams wie Japan.

Nein, der Erfolg der All Blacks resultiert viel mehr aus ihren überragenden Rugby-Fähigkeiten und ihrer Fitness. Während in vielen Rugby-Nationen geradezu eine Obsession mit der Größe und Stärke der Spieler besteht, setzt man in Neuseeland darauf, die talentiersten Spieler des Landes auf das internationale Niveau zu bringen und dort wie eine gut geölte Maschine zu funktionieren.

Bei den Springboks beispielsweise wurde 2012 dem damals 22-jährigen Flanker des Super Rubgy Teams Bulls, CJ Stander, gesagt er sei mit 1,89 m zu klein für eine Rolle im Nationalteam. Enttäuscht wanderte der talentierte Stürmer nach Irland zu Munster und entwickelte sich innerhalb von drei Jahren zum wohl besten Stürmer des bekannten irischen Teams aus Limerick. Die Ironie dieser Episode manifestierte sich im Juni dieses Jahres. Nach einem überragenden Six Nations Turnier im Trikot Irlands, für welches er sich nach drei Jahren bei Munster qualifizierte, stand Stander schließlich doch in Grün bei einem Boks-Spiel in Kapstadt auf dem Rasen. Allerdings für seine siegreiche neue Heimat, nicht für sein Geburtsland.

Eine solche Episode wäre in Neuseeland sicherlich nicht denkbar. Buck Anderson, selbst ehemaliger All Black und heute Verantwortlicher des neuseeländischen Verbandes NZRU für die Jugendentwicklung, stellte gegenüber der BBC die Wichtigkeit der Entwicklung der Kernfähigkeiten eines jeden Jugendspielers von den Anfängen bis in das Profidasein heraus. Fangen, passen, laufen und ausweichen stünden ganz oben auf der Agenda der Jugendentwicklung. Später ließe sich innerhalb einer oder zwei Spielzeiten noch jeder Spieler auf die für das internationale Rugby nötige Größe bringen, für die Fähigkeiten jedoch bedürfe es aber einer viel längeren Arbeit.

Selbst auf dem allerhöchsten Niveau, im Kader der All Blacks selbst, wird immer noch regelmäßig an den sogenannten "Core Skills" gearbeitet. Der Verband hat dafür bereits vor mehr als zehn Jahren den Australier Mick Byrne angestellt, einen ehemaligen Australian Rules Spieler. In diesem Sport müssen sehr viele Bälle aus der Luft gefangen werden und das unter erschwerten Bedingungen, da der Ball eine glatte und damit extrem rutschige Oberfläche hat. Byrnes Arbeit ist es unter anderem zu verdanken, dass der Weltmeister mit Israel Dagg und Ben Smith zwei der besten Spieler im Kader hat, wenn es darum geht hohe Kicks zu entschärfen.

Byrne legt weiterhin darauf wert, dass alle Spieler auf dem Rasen, von der eins bis zur fünfzehn, gute Passpieler sind. Denn selbst auf internationalem Niveau sieht man heute noch viele Angriffe, die einzig durch einen minimal inakkuraten Pass in den Rücken des Mitspielers extrem an Dynamik verlieren und damit signifikant einfacher zu verteidigen sind. Einzig die All Blacks haben dieses Problem am ehesten unter Kontrolle und können so dynamisch angreifen und Räume nutzen. Die Pässe werden dabei in den Raum gespielt, in der Gewissheit, dass der Mitspieler den richtigen Laufweg einhält und so dass dieser in den Ball hineinbeschleunigen kann.

All Blacks Hakler Dane Coles verkörpert diese Philosophie geradezu. Für einen Erste-Reihe-Spieler hat der Hurricanes-Kapitän geradezu unerhörte Fähigkeiten. Nicht nur seine Geschwindigkeit und seine Ausweichmanöver sind für einen 110 kg schweren Stürmer überragend, auch mit seinem Passspiel muss sich Coles vor keinem Reihe-Spieler verstecken. Bestes Beispiel war sein entscheidender Assist zum Versuch von Sam Whitelock am vergangenen Samstag. Ein perfekt platzierter pfeilschneller Pass über 20m, ohne dabei einen riesigen Bogen zu spielen, verdeutlichen die Fähigkeiten von Coles. Ein jeder Verbinder wäre auf diesen Ball stolz gewesen.

Doch auch die gerade von den Neuseeländern praktizierte Fähigkeit zum Offloaden hat der Erste-Reihe-Spieler der 'Canes in seinem Repertoire verinnerlicht. Entgegen dem traditionellen Spielverständnis, nach dem die erste Reihe einzig zum Drängen und für die offenen Gedränge auf dem Feld steht, wird Coles damit immer wieder zum entscheidenden Schlüsselspieler. So geschehen nach einer knappen halben Stunde gegen die Boks am Samstag, als Coles mit einem Weltklasse Offload den Versuch von Savea vorbereitete. Bemerkenswert ist dabei auch, wie Coles nicht einmal zehn Sekunden, nachdem sich das Gedränge aufzulösen beginnt, bereits wieder spielentscheidend involviert ist und den ersten Versuch seiner Mannschaft initiiert.

Doch nicht nur das Talent der Spieler in Schwarz, sondern auch deren Fähigkeit, diese unter extremen Druck und physischer Belastung abzurufen unterscheidet sie von der restlichen Konkurrenz. Bereits Englands ehemaliger Fitness-Coach Brett Davison, der der DRV VII im vergangenen Jahr in der Vorbereitung für Hong Kong beratend zur Seite gestanden hatte, war sich sicher: "Jeder dieser Top-Spieler auf der internationaler Bühne kann passen und tacklen, aber ob er es auch unter allerhöchster Belastung kann, macht oftmals den Unterschied aus."

Die Arbeit von Neuseelands Fitness-Coach Nic Gills steht selten im Vordergrund, doch ob er seinen Job ordentlich erledigt, oder nicht steht keines Falls zur Debatte. Zuletzt in den beiden Partien gegen die Pumas und die Boks konnte Neuseeland den Gegner speziell in der letzten halben Stunde nach Belieben dominieren, was Zeugnis der jahrelangen Arbeit Gills ist. Auch Sky Neuseeland Kommentator und ehemaliger All Blacks Außen Jeff Wilson ist sich sicher: "Wir gewinnen so viele Spiele in den letzten 20 Minuten, das ist kein Zufall". Gill habe die All Blacks zum fittesten Team der Welt gemacht und diese Arbeit habe akribische Planung über Jahre bedurft.

Die Kombination aus beidem, den Fähigkeiten und der nötigen Fitness um sie in jeder Spielsituation auszuführen macht die All Blacks zu dem, was sie momentan sind. Auch in Südfrankreich, Wales oder Australien wachsen die meisten Kinder mit einem Rugby-Ball in der Hand auf. Doch keine Rugby-Nation versteht es so gut die Fähigkeiten seiner jungen Spieler weiterzuentwickeln und dafür zu sorgen, dass diese sie unter den Bedingungen eines Länderspiels auf höchstem Niveau anzuwenden.

Ein Hoffnungsschimmer für die internationale Rugby-Community besteht jedoch. Der Skills-Coach der All Blacks, eben jener Mick Byrne wechselt nun in das Trainerteam der Wallabies. Sicherlich wird das nicht bedeuten, dass Australiens Nationalteam von heute auf morgen ähnlich gut auftreten wird, doch seine Erfahrung mit der besten Mannschaft der Welt wird sich für die Wallabies sicher auszahlen. Dann könnte auch die momentane Debatte in Neuseeland, ob die All Blacks zu dominant sind und Rugby dadurch langweilig werden würde, ein Ende finden.

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