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Gruß von der Insel (5): Schnurrbärte, Regen und Rugby – Der Herbst ist da!
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Geschrieben von Max Lueck   
Mittwoch, 6. November 2013

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Diesmal schaut England-Experte Max Lueck in seiner Kolumne u.a. auf die November-Tests

Es ist November – die Zeit, in der es wieder früher dunkel wird, die Bäume ihre Blätter verlieren, es noch mehr regnet als ohnehin schon und echte Männer sich einen gepflegten Oberlippenbart stehen lassen. Es ist schließlich nicht nur November, sondern auch „Movember“.

Aber es ist auch die Zeit, in der die besten Mannschaften der südlichen Hemisphäre den Spitzenteams aus Europa einen Besuch abstatten. Am vergangenen Samstag, im ausverkauften Twickenham Stadion, dem  „Home of Rugby“, empfing England seinen Erzrivalen aus Australien zum Auftaktspiel der Autumn International Series. Es war das 42. Aufeinandertreffen (Australien gewann 24 mal, England 17 mal, einmal gab es ein Unentschieden) jener Mannschaften, die auch bei der nächsten Weltmeisterschaft im Oktober 2015, hier auf der Insel, in der Gruppenphase aufeinandertreffen werden. Also der richtige Gegner für England, um zu sehen, ob man mit der Weltspitze mithalten kann.

Immer wenn die Rugby-Nationalmannschaft ein Spiel bestreitet, passiert hier das, was man in Deutschland im Rahmen von Spielen der Fußballnationalmannschaft kennt. Vor- und insbesondere nach dem Spiel wird landesweit kräftig analysiert, diskutiert und geurteilt. Das gilt sowohl für die medialen Beobachter als auch die Fans, die die Spiele in vollgepackten Pubs, im Wohnzimmern oder direkt im Stadion gebannt verfolgen.

Das übereinstimmende Fazit nach diesem Wochenende könnte man aus englischer Sicht so umschreiben: Es war nicht schön, aber effektiv. Und in der Tat, es war keine Augenweide, was die beiden Mannschaften vor allem in der ersten Hälfte ablieferten. Gerade die Männer in Weiß fanden deutlich schwerer in das Spiel und mussten sich immer wieder gefährlichen Angriffen der Wallabies erwehren, die vor allem durch den wiedererstarkten Verbinder Quade Cooper und den vom Rugby League konvertierten Schlussspieler Israel Folau eingeleitet wurden.

Lediglich durch zwei Strafkicks, ausgeführt von dem jungen Verbinder Owen Farrell, gelang es dem Gastgeber, Punkte in der ersten Hälfte zu erzielen. Insgesamt hatte Farrell allerdings einen durchwachsenden Tag am Tee. Gleich drei mal verpasste er die Möglichkeit, eine Führung in der ersten Halbzeit auszubauen. Aber auch sein Gegenüber  Cooper konnte nur zwei Penaltys erfolgreich verwandeln.

Denoch, England zeigte an diesem Tag weitestgehend eine recht ordentliche Verteidigungsleistung, was sich auch in den Statistiken widerspiegelt. Demnach haben die Hausherren 77 erfolgreiche Tacklings gemacht, während die Australier zwar 86 mal tiefhalten mussten, allerdings 20 Tacklings verpassten, was sicherlich einer der Gründe war, warum England am Ende als Sieger das Feld verlassen konnte.

Nur einmal, es war eine gute halbe Stunde gespielt, gelang es dem australischen Center Matt Toomua, der bereits vor zwei Wochen gegen die All Blacks einen Versuch legte, fast mühelos seinen Gegenüber Billy Twelvetrees aus dem Stand heraus zu überlaufen. Auch Kapitän Chris Robshaw, der an diesem Tag der Mann mit den meisten Tacklings war (13), konnte Toomua nicht mehr aufhalten. Durch Coopers erfolgreiche Erhöhung gingen die Wallabies mit einem 7-Punkte-Vorsprung in die Pause.

Wir werden wohl nie erfahren, was die beiden Trainer, Ihren Schützlingen in der Halbzeitpause mitzugeben versuchten. Fest steht allerdings, dass England-Coach Stuart Lancaster seiner Mannschaft, die deutlich motivierenderen Worte mit auf dem Weg gegeben hatte. Denn für die kommenden 40 Minuten sah man eine weitaus siegeshungrigere und auch etwas kreativere Mannschaft, die den 81500 Zuschauern, unter denen sich auch das Weltmeister-Team von 2003 gemischt hatte, wesentlich attraktiveres Rugby für die teilweise bis zu 100€ teuren Tickets boten.

Die junge englische Mannschaft zeigte in der zweiten Hälfte, deutlich mehr Spirit und wurden dafür mit zwei Versuchen durch Robshaw (50. Minute) und Farrell (58. Minute) belohnt. Beide Spieler legten an diesen Tag übrigens ihre aller ersten Versuche für ihr Land.  Zugegebenermaßen kam dann auch noch etwas Glück durch zwei umstrittene Schiedsrichterentscheidungen dazu, die zugunsten der Engländer gewertet wurden. Einmal übersah Linienrichter Dudley Phillips, dass der an diesem Tag glänzend aufspielende „Man of the Match“ Mike Brown als er einen hohen Ball fing, mit einem Fuß auf der Seitenauslinie stand, und das weitere Mal hätte der irische Unparteiische George Clancy Farrells Versuch auch als Foulspiel auslegen können, da Hakler Dylan Hartley kurz zuvor den Australier Stephen Moore blockierte und damit den Weg für Farrells Versuch frei machte.

Fest steht, England konnte das Spiel am Ende durch eine starke zweite Hälfte für sich entscheiden. Der Sieg ist vor allem einem bärenstarken englischen Gedränge zuzuschreiben (England war bei sechs von sieben Gedrängen erfolgreich), das bei den Australiern für eine Menge Probleme sorgte, oftmals in Form von Strafkicken. Insgesamt kassierten die Wallabies zwölf Strafkicks, während England nur mit neun  Penaltys bestraft wurde. Zusätzlich war England einfach in der zweiten Hälfte deutlich aggressiver und auch effizienter. Immerhin konnte man diese mit 14:0 gewinnen. Ein Blick in die Offensivstatistik verrät, dass England in dem Spiel insgesamt 337 Meter mit Ballbesitz zurückgelegt hat und dabei 20 Verteidiger überwinden konnte, im Vergleich konnten die Australier mit  dem Ball nur knapp 302 Meter weit angreifen und dabei lediglich elf Verteidiger überwinden.

Am kommenden Samstag muss sich England, das jetzt auf Platz drei vor Australien in der Weltrangliste gerückt ist, dann der nächsten schwierigen Prüfung unterziehen und gegen Argentinien antreten, die vermeintlich schwächste Mannschaft in dieser Serie, denn immerhin haben die Pumas ihre letzten neun Pflichtspiele verloren. Aber Lancaster wird einiges tun, um zu verhindern, dass man Argentinien, um den neuen Coach Daniel Hourcade, unterschätzt.

 

Video-Highlights: England vs. Australia

Am 16. November, im letzten Spiel der Serie, kommt dann kein geringerer Gegner als der Weltmeister und Championship-Gewinner aus Neuseeland nach London. Die All Blacks treten  allerdings dieses Wochenende erst mal in Paris gegen Frankreich an, das zuletzt im Juni dreimal den Neuseeländern unterlegen war.  Zusätzlich spielt Schottland gegen Japan, Irland gegen Samoa und im weiteren Topspiel will Wales gegen den Weltranglistenzweiten aus Südafrika beweisen, dass man auch ganz oben mitspielen kann.

Es werden spannende Wochen, die uns dieser Herbst bringt und vielleicht erleben wir auch die ein oder andere große vorweihnachtliche Überraschung. Auch auf der Oberlippe.

Best Wishes,

Max

 

Max Lueck, 29, hat seine Rugbykarriere als Spieler in Brühl angefangen und zog 2007 nach England,  um dort Coaching zu studieren. Mittlerweile hat er mit vielen Rugby-Vereinen und Athleten als Trainer und Manager gearbeitet. Derzeit baut er mit Leidenschaft und Ehrgeiz das Projekt 7 Bamboos Rugby auf und bloggt regelmäßig für diverse Plattformen und Online Magazine. Weitere Information unter www.7bamboosrugby.com.

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Kommentare (3)add comment

Lars Schindewolf said:

3191
...
Das Spiel ENG-AUS hat meine Erwartungen leider nicht erfüllt.
Die Australier sind immer noch in der Krise. Das Gedränge ist eine Katastrophe und wird mangels adäquatem Personals so schnell auch nicht zu beheben sein. Und die Hintermannschaft ist in Anbetracht des Talents von Genia,Cooper oder Folau weit hinter ihren Möglichkeiten.
Und bei England kann immer noch nicht erkennen wo es denn hingehen soll. Der Sieg war glücklich und in der Form ist man gegen Neuseeland und Südafrika chancenlos.
Bis zur WM in 2 Jahren muss man sich noch deutlich steigern.
Kommenden Samstag dann endlich "volles Programm" von Mittag bis spät Abend Rugby non-stop :-)
Meine Highlights sind Irland - Samoa und (leider) parallel Wales - Südafrika und am Abend Frankreich - Neuseeland.
Aber auch Georgien - Canada oder Rumänien - Tonga sind einen Blick wert.

Hier eine "kleine Liste":
http://www.espnscrum.com/scrum/rugby/match/fixtures/international.html

Sogar Deutschland - Polen ist vertreten ;-)
November 06, 2013

Dragos Florescu said:

1820
Rumänien - Tonga...
...wird live auf der vom rumänischen Verband betriebenen Webseite www.rugbytv.ro übertragen (17:00 CET).
November 06, 2013

Dragos Florescu said:

1820
Korrektur...
Ankick in Bukarest ist um 18:00 CET. Das direkte Link: http://www.rugbytv.ro/2013/11/...ing-3.html

November 09, 2013

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