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TotalRugby Interview mit Hannover 78s neuem/alten Trainer Carsten Segert
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Sonntag, 27. Februar 2011

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Carsten Segert (rechts) im namibischen TV als Rugbyexperte

Lange Jahre war Carsten Segert Trainer von Deutschlands Vorzeigetalentschmiede, der U-19 Auswahl. Vor einigen Jahren verabschiedete Carsten, nach Trainertätigkeiten beim FC St. Pauli und DSV Hannover 78, sich ins ferne Namibia um herauszufinden, ob sein Rugbysachverstand auch dort Anwendung finden würde. Nach einer sehr erfolgreichen Zeit in Afrika hat Carsten den Weg zurück zu seinem Heimatverein DSV Hannover 78 gefunden, um dort in der Rückrunde den drohenden Abstieg zu vermeiden. Wir haben die Chance genutzt uns vor Rückrundenstart mit Carsten auf ein Interview zu verabreden.


TotalRugby: Carsten, Du warst ja jetzt eine Weile weg, Wir haben zwar immer wieder über Dich und Deine Tätigkeiten berichtet Aber erzähl uns doch trotzdem mal was Du so die letzten Jahre getrieben hast.
Carsten Segert: Ich war in Namibia und habe dort an der deutschen Auslandsschule in Windhoek als Rugby Coach und Rugby Organisator gearbeitet. Außerdem habe ich als Coach bei den Windhoek Wanderers die 1. Herren Mannschaft trainiert.

TR: Du hast in Namibia an einer deutschen Schule gearbeitet, was für eine Rolle spielt Rugby dort und wie kommen die Jungs zum Rugby?
CS: Die Schüler kennen Rugby aus dem TV und jeder weiß zumindest was die Grundregeln sind. Bis auf wenige Ausnahmen waren alle meiner Jungs in Namibia geboren. Die waren einfach neugierig dass es so was an Ihrer Schule jetzt auch gab. An der Schule spielte Rugby eine untergeordnete Rolle, im Gegensatz zu anderen Schulen in der Stadt. Es gab keine Lobby und Unterstützung seitens der Schulleitung und des Trägervereins dafür. Man freute sich dass es Rugby gab und das war es. Leider sind dort nur inkompetente Personen in Entscheidungspositionen und es ist erschreckend dass dort von diesen Leuten deutsche Steuergelder verbraten werden. Das Geld könnte man in Deutschland besser gebrauchen.

TR: Hattest Du Schwierigkeiten Dich und Dein Know-how durchzusetzen? Ich denke mal in Namibia gibt es einige Rugby Trainer die denken Sie wüssten es besser als die Deutschen.
CS: Das würde ich so nicht sagen und was die Kollegen dort denken weiß ich manchmal wirklich nicht…. – Allgemein ist man Ausländern im Rugby gegenüber skeptisch es sei denn man ist aus Südafrika. Mit Deutschland wird nur der Fußball verbunden. Es hat durchaus gedauert bis ich fachlich akzeptiert war bei den Spielern, bei manchen Leuten im Verein würde ich es nie sein, da könnte ich noch 10 Jahre Trainer sein und 20 Titel gewinnen.

TR: Wie waren die Reaktionen  auf Dich nach Deinen Erfolgen? Immerhin hast Du ja den bedeutendsten nationalen Titel geholt.
CS: Das war natürlich Freude pur und wie immer nach einem Erfolg erhält man eine Menge Schulterklopfen, ob man meinen Beitrag dazu richtig einschätzen konnte bezweifle ich einmal. Zumindest erregte ich als deutscher Coach ein wenig Aufmerksamkeit danach.

TR: Du hast bereits lange Jahre in Deutschland als Spieler und Trainer fungiert, wage doch mal bitte einen Vergleich zwischen den beiden Ländern. Sowohl  von den Strukturen und von der Führung als auch von dem Leistungsniveau für alle Altersklassen einschließlich Seniorenniveau.
CS:
Die Strukturen sind in Namibia teilweise besser weil es kürzere Wege gibt. Es gibt nur 25 Clubs wobei sich alles überwiegend auf die Hauptstadt Windhoek konzentriert. Dort trainieren die Nationalspieler jeden Tag gemeinsam und zwar zweimal -  je vor und nach der Arbeit. Insgesamt ist die Organisation des Verbandes, der Ligen und auch der Clubs absolut chaotisch.  Da wird beispielsweise das Finale und Halbfinale eine Woche vor Austragung einfach mal verschoben, oder ein Spiel  noch mal wiederholt nur weil es im Verband jemand so möchte.  Das Leistungsniveau ist in der Nationalmannschaft wesentlich höher als in den Clubs was durch viele Spieler kommt die in Europa spielen oder in Südafrika unter Vertrag stehen. Insgesamt gibt es im Jugendbereich sehr viele talentierte Spieler die aber schlecht ausgebildet werden und auch im Erwachsenenbereich dann so weiter machen. Die Qualität der Trainer ist weniger gut als in  Deutschland.

TR: Wie beurteilst Du die Entwicklung des deutschen Rugbys seit Deinem Weggang?
CS:
Bisher kann ich wenig dazu sagen weil ich kaum Matches gesehen habe, aber ich denke mal dass es immer mehr in eine Spitze abdriftet und es durchaus probiert wird professionell zu arbeiten. Leider sind vielen Ideen Grenzen gesetzt mangels wirtschaftlicher Ressourcen. Der Zug 7er Rugby und Olympia ist für Deutschland abgefahren. Nur die Frauenmannschaft hat meines Erachtens noch eine minimale Chance auf eine Teilnahme in 2020. Hier wurde etwas versäumt und die Entwicklung verschlafen.

TR: HRK und Frankfurt machen wohl diese Saison die Meisterschaft wieder unter sich aus. Wie beurteilst Du die Liga etwas längerfristiger gesehen? Wie können die anderen Teams nachlegen um nicht nur um Platz drei zu kämpfen?
CS:
Die anderen Teams können nicht mehr nachlegen als jetzt. Ich glaube, dass alle am Ende ihrer Mittel sind. Die Entwicklung ist nicht positiv und schlecht für das deutsche Rugby. Entweder es gibt ein Outsourcing dieser beiden Profiteams in einen professionellen Wettbewerb oder man muss andere Reglementierungen schaffen dass keine Socialplayer/Amateure gegen bezahlte Leute spielen. Auf Dauer kann man das glaube ich nicht verantworten und man muss die Freizeitspieler auch vor Verletzungen schützen im Zweifelsfall. Wenn es eine andere Entwicklung geben würde dass beispielsweise alle anderen Teams auch in zumindest semiprofessionellen Strukturen trainieren und spielen könnten so wäre das ein Versuch wert. Hier vermisse ich aber eine klare Konzeption und Vorgabe des Dachverbandes und Bundesligaleitung.  Die gemeinsame Richtung fehlt.

TR: Du übernimmst Deine Mannschaft mitten im Abstiegskampf und wie man hört, habt ihr neben den generellen personellen Sorgen auch mit Motivationsschwierigkeiten zu kämpfen. Wie wirkst Du dem entgegen?
CS:
Also bisher kann ich nicht feststellen dass es Motivationsprobleme gibt. Beim Training welches zwar auch unter den widrigen Wetterverhältnissen leidet ziehen die Spieler mit und setzen sich in ihren Möglichkeiten ein. Alle sind sich der schwierigen, aber nicht unmöglichen, Aufgabe Klassenerhalt bewusst und Karsten Kopp hat da im letzten halben Jahr gute Arbeit geleistet um dieses Ziel zu erreichen. Die Mannschaft hat eine Struktur und bildet durchaus eine Einheit, welches ich sicherlich versuchen werde die nächsten Wochen noch zu vertiefen.

TR: Gibt es für Dich noch ein anderes Ziel außer den Klassenerhalt?
CS:
Ja ich habe durchaus noch andere Ziele.

TR: Verrätst Du sie uns?
CS: Nein, da warte ich noch bis zum nächsten Interview mit. (lächelt)

TR: Wenn man einen Blick 10 Jahre zurück wirft, dann gab es nur zwei Hochburgen in Deutschland – Hannover und Heidelberg. Mittlerweile ergibt sich wie bereits angesprochen ein anderes Bild. Wie erklärst Du Dir diesen Wandel?
CS: Der Wandel ist sicher nicht schlecht, dass es jetzt zwei gute Clubs aus Berlin und zwei Teams aus Hessen gibt, die sich etabliert haben und eine wichtige Rolle im deutschen Rugby spielen ist positiv zu bewerten. Eine Konzentration auf zwei Städte kann nicht gut sein. In Hannover hat man halt lange von der Vergangenheit gelebt oder auch teilweise darin. Es wurde nicht mehr qualitativ und quantitativ in der Jugendarbeit nachgelegt und die Sogwirkung des DRC im vergangenen Jahrzehnt hat auch nicht mitgeholfen die anderen Teams in Hannover zu stärken. Clubs wie Germania List, VFR Doehren, Victoria Linden und Hannover 78 leisten gute Arbeit im Jugendbereich und stellen sich auch den aktuellen Anforderungen wie Ganztagsschulen, verändertes Freizeitverhalten etc. Dieses kann Grundlage sein den Rugbysport in Hannover am Leben zu erhalten. Grundsätzlich muss aber eine Ausbreitung auf die gesamte Republik das Ziel sein.

TR: Viele junge Talente zieht aus Hannover in Richtung Heidelberg (Härtel, Wehrspann, Himmer, Pyrasch), wie erklärst Du Dir das?
CS: Als junger, selbstbewusster und vielleicht auch talentierter Spieler will man immer in einer Mannschaft spielen die gewinnt und oben spielt, das ist verständlich und auch logisch. Die genauen Motive der genannten Spieler kenne ich natürlich nicht, aber ich vermute einmal dass die Strukturen und Unterstützungen der Clubs aus Heidelberg wahrscheinlich verlockender erschienen als in Hannover. Ob das Gras wirklich soviel grüner ist als auf dem heimischen Rugbyplatz sei einmal dahingestellt. Aber Rugby wird auch in Deutschland immer globaler. Dass Spieler überregional den Club wechseln ist anscheinend ein neuer Trend. Allerdings fehlt oftmals eine Laufbahnberatung für Spieler. Ob und wie die vom DRV zumindest für seine Kaderathleten angeboten wird und die Spieler sie auch wahrnehmen, gerade in den von Dir genannten Fällen, vermag ich nicht zu beurteilen.

TR: Kürzlich wurden aufgrund finanzieller Schwierigkeiten Dein altes Team die Deutsche U-19 und die Deutscbe Frauen Nationalmannschaft aufgelöst - befürchtest Du einen  Imageschaden des deutschen Rugby oder meinst Du es kann kaum schlimmer kommen?
CS: Es kann durchaus noch schlimmer kommen und ich rechne durchaus mit noch extremeren Szenarien, die ich hier allerdings nicht ausmalen möchte. Der Imageschaden ist da und auch nicht so schnell wieder in ein anderes Licht zu rücken. Viele Dinge kamen da auf einmal. Der Abstieg aus der obersten Spielklasse für unsere 15er Herren, das schlechte Abschneiden unserer 7er Nationalmannschaft in 2009 und 2010 usw. – Der Auftritt unserer 7er Nationalmannschaft in Twickenham 2009 war beispielsweise nur peinlich und ein echter Imageschaden. Was ich mir in Namibia anhören musste nachdem viele Leute das Turnier und die deutsche Mannschaft im TV  gesehen hatten war schon große Häme. Die Spieler die dort Deutschland vertraten waren schuldlos, nur die Entscheidungen an solchen Turnieren teilzunehmen muss man sorgfältig abwägen ob man auch den entsprechenden Kader hat, die nötige Qualität und ob es hilfreich für die Entwicklung des 7er Rugby in Deutschland ist. Ich kann oftmals die entsprechende Weitsicht bei den Entscheidungsträgern nicht erkennen.

TR: Hast Du Lösungsvorschläge? Wo sollte zuerst angesetzt werden?
CS:
Ich bin kein Experte um finanzielle Lösungen für den DRV zu schaffen, noch weiß ich eine kurzfristige Lösung für das momentane Dilemma. Aber aus meiner Sicht müssten mehr Dinge professionell behandelt und angegangen werden und damit auch seriöser. Hilfreich wäre es zumindest schon einmal den wenigen professionellen Mitarbeiter die wir im deutschen Rugby haben, mehr Kompetenz zu geben und entscheiden zu lassen. Wenn es professionelle Hilfe von außerhalb gibt wie z.B. die neue Marketingagentur des DRV dann muss man die Hilfe annehmen und eng zusammen arbeiten.

TR: Spielen in diesem Dilemma Deiner Meinung nach einzelne Charaktere eine Rolle oder passt die Institution DRV als Ganzes nicht zusammen?
CS:
Der DRV ist geprägt von bestimmten Persönlichkeiten die keine glücklichen Entscheidungen treffen. Da muss sich vielleicht was ändern s.o. Weiterhin muss überdacht werden ob ein professionell geführter Vorstand nicht eine Lösung wäre, sowie eine Bundesliga mit entsprechenden Managementstrukturen.

TR: Jetzt mal ehrlich, ohne TotalRugby wäre Dir doch verdammt langweilig gewesen so weit weg von zuhause und den verregneten Samstagen in Hannover an der Seitenlinie!
CS: Dem muss ich zustimmen, was Rugby angeht war TotalRugby meine Lifeline!

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Kommentare (1)add comment

Matthias Hase said:

381
...
das nenne ich mal klartext, auch wenn es weh tut ...
Februar 27, 2011

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Letzte Aktualisierung ( Sonntag, 27. Februar 2011 )
 
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