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TotalRugby Kolumne: ...was macht eigentlich - Matthias Bechtel
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Geschrieben von Constantin Hocke   
Dienstag, 9. März 2010

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Matthias Bechtel (ganz links) als Trainer des TSV Handschuhsheim

Der sympathische Handschusheimer, der die Löwen bereits zwei Mal für das Bundesligateam der Löwen verantwortlich war, brachte es als Aktiver bis ins 7er-Nationalteam. Bevor eine schwere Knieverletzung die hoffnungsvolle Laufbahn des pfeilschnellen Sprinters abrupt beendete. Heute gibt uns Matthias einen interessanten Einblick in sein Leben „fast“ ohne Rugby und wie er – durchaus kritisch – den Werdegang des deutschen Rugbys beurteilt.

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Matthias Bechtel heute, mit zwei seiner drei Kinder

TotalRugby: Hallo Matze, wie geht es Dir, was treibst Du so?
Matthias Bechtel: Nach ca. 25 Jahren Herzblut-Engagement bin ich momentan etwas weg von der ovalen Droge. Schon allein wegen unseres Hausbaus war die Rugby-Pause zwangsläufig. Aber auch für die Familie und für mich selbst war der Abstand dringend nötig.

TR: Was bist Du von Beruf und seit wann übst Du diesen aus?

MB: Ich bin seit 1996 Lehrer; momentan sehr zufrieden am Mannheimer Liselotte-Gymnasium. Habe dort sogar einige Schüler und Kollegen für unseren schönen Sport begeistern können.

TR: Was für eine Rolle spielt Rugby in Deinem heutigen Alltag?

MB: Zurzeit bin ich in erster Linie Rugby-Papa: Meine 3 Kids spielen bei den Junglöwen. Das macht mir viel Freude und ist auch oft aufregend genug. Bundesliga-Spiele habe ich live leider recht wenige sehen können, habe aber das meiste per Live-Ticker verfolgt und nebenher was am Haus gebastelt. Und Dank TotalRugby (und 2 englischen Web-Sites) bleibe ich auch sonst auf dem Laufenden.

TR: Gib uns doch bitte mal etwas Input über Deine Zeit als Aktiver!
MB: Seit 1976 Löwe. Aktiver Spieler bis 1994. Jugendtrainer mit 18 von 1985 bis 1998. TSV H´Heim-Herrentrainer 1998-2000 und 2005-08. DRJ-Trainer 2001-2005.

TR: Was waren Deine größten Erfolge als Spieler?

MB: Tja, als Spieler hab ich wohl die schwierigsten Zeiten beim TSV mitgemacht. Titel gab es für unsere ambitionierte Fahrstuhlmannschaft nicht viele zu erobern aber dennoch hat es riesig Spaß gemacht und ich möchte die Zeit niemals missen. Als Vollblut-Löwe war deshalb auch ein Vereinswechsel nie ein Thema. Für Rugby auf anderem Niveau gab es ja die RBW-Mannschaft und die Heidelberger Uni-Mannschaft: Rugby-Spaß vom Feinsten! Und ein enorm wichtiger Blick über den Vereins-Tellerrand.

TR: Wann hast Du Dich als Spieler und als Trainer von der Bühne verabschiedet und warum?

MB: Als Spieler 1994 mit Totalschaden im Knie: Kreuzband ab und Kniescheibe durch. Als angehender Sportlehrer im Referendariat keine leichte Zeit und leider auch das frühe Sport-Aus. Als Trainer: „Niemals geht man so ganz …“

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TR: Nenne uns doch bitte ein paar besondere Erlebnisse Deiner Karriere.

MB: Meine Zeit als Jugendtrainer! Die Kids, die Eltern, meine Trainer Team mit Frank und Thomas, der Verein als Familie, die Turniere, sogar viele Erfolge. Eine perfekte Zeit! 
Die Saison 2008/09 mit Günther Sträßer als Trainergespann. Wir haben uns prima ergänzt. Eddy Kunz dazu als Technischer Leiter. Vor allem aber die Mannschaft hat trotz schwieriger Umstände super mitgezogen und Tolles geleistet. Das war intensiv und anstrengend, aber der Pokalsieg 2008 ein verdienter Lohn.
Als Spieler: Naja, geteiltes Leid bei Niederlagen und euphorische Freude bei Siegen bzw. Aufstiegen. Doch die absoluten Höhepunkte waren die legendären Touren mit den Löwen …. und der Uni-Mannschaft.

TR: Wie siehst Du das heutige BL-Niveau im Vergleich zu Deiner aktiven Zeit?

MB: Schwerer Vergleich. Die Teams heute sind homogener besetzt und die Spieler (fast ausnahmslos) wesentlich athletischer. Herausragende Spieler gab es zu jeder Zeit und heute auch leider nicht so deutlich mehr. Doch bis in die 90er waren es einige wenige Spieler bzw. Vereine, welche sich durch zusätzliches Training einen enormen Vorteil verschaffen konnten. Heutzutage liegen die Unterschiede auf anderen Feldern. Tägliches Training ist Standard. Gerade taktisch hat sich das Spiel verändert. Nicht schöner, aber gehaltvoller.

TR: Wie siehst Du die Zukunft des deutschen Rugby in der BL? Des DRV?

MB: Obschon ich Killer-Phrasen hasse und ich mich kaum traue, es zu sagen: Leider nicht sehr optimistisch! Warum? Weil es immer wieder das Gleiche war und ist: Tolle Ideen, engagierte Leute und super Ansätze. Aber dann legen wir uns selbst Steine in den Weg, eiern ´rum und auf halber Strecke geht uns die Puste aus. Selbstüberschätzungen, Eitelkeiten und Vereinsbrillen statt Durchhalten einer gemeinsamen Linie.
Auch wenn ich wohl dafür Prügel beziehe, weil viele mich falsch verstehen könnten: Immer wieder wurde ein kurzfristiger Erfolg gesucht. Mittelfristig höchstens. Das nächste Spiel, das nächste Turnier, die nächste Qualifikation, Geld für ausländische Trainer, Spieler-Flüge kreuz und quer und sonstwas. Nicht, dass unsere Nationalspieler das nicht verdient hätten. Habe eine Hochachtung vor dem, was Finsterer, Stolroz, Ianusevici, Coly, Schmidt, van Look, von Grumbkow und die anderen Jungs da ableisten. Und das für lau! Und dennoch: Für mehr fehlt es in der Breite und dadurch bedingt auch in der Tiefe! Quantität erzeugt Qualität! Nicht alles Geld, aber vielleicht etwas (viel) mehr Geld in die Verbreitung unseres Sports stecken?!
Ja, leicht gesagt, ich habe es in Handschuhsheim selbst miterlebt: 10-15 Jahre hat der Aufbau unserer Jugendabteilung gedauert: Von 0 auf Status quo. Gerade der Anfang war extrem hart! 
Frankfurt aber hat es wesentlich schneller geschafft. Und hier taucht der entscheidende Aspekt wieder auf: Geld! Geld für einen Hauptamtlichen Mitarbeiter mit der Aufgabe, eine Jugendabteilung zu schaffen. Dazu viel Ehrenamt und: `Voilà`. 
Was aktuell (!) beispielhafte Vereine wie RGH, BRC, TSV, RK08 (früher auch DRC, 78, Viktoria, 08 u.v.a) oder Verbände wie der RBW und Hessen sich lange mühsam aufbauten- und davon zehren- hat Frankfurt in Kürze geschafft! Vielleicht könnte dies auch an anderen Orten klappen! Mit Geld und Engagement!
Aber genau dieses `Vielleicht` macht uns Angst … und das damit verbundene `langfristig`!
Aktuell tut sich ja schon Einiges: Richtig viel Geld wird bewegt (Frankfurt, Wild, etc. etc.), weiteres sei in Aussicht (FIRA-Fördergelder), Olympia-Qualifikation, Umbruch, Aufbruch usw.. 
Wenn ich aber sehe, wozu das viele Geld meist benutzt wird, habe ich düstere Zukunfts-Visionen: Dann sehe ich Trainer, deren Namen ich kaum kenne, die Teams betreuen, deren Kader sich alljährlich ändern; Manager, welche aus dem Handball kommen und Fans, die vom Rugby überhaupt nichts verstehen, aber die Rugbysöldner frenetisch anfeuern, weil Hoffenheim immer noch kein Deutscher Fußball-Meister geworden ist. Dann ist es wie im Eishockey: Stellvertretersport statt Identifikation und unsere Nationalmannschaft guckt immer noch bei großen Turnieren zu.
Dieses aufkommende Wettrüsten der Top-Vereine und ´Nachkaufen-im-Winter´ finde ich sehr bedenklich. Schade um das Geld. Da geht es rein um die Tabelle und um Titelgier. Mit Nachwuchsförderung und Verbreitung des Rugby-Sports hat das weniger zu tun.

Folgende Legenden haben wir bereits interviewt: Dirk Kuhnen | Carsten Segert | Markus Knoblauch | Dieter Genthner | Stefan Laier | Frank Himmer | Rainer Kumm | Ulrich Byszio | Thomas Belousek | Alexander Weidlich

TR: Was hältst Du von den Leistungen der deutschen im internationalen Vergleich? Verfolgst Du die Spiele?

MB: Toll, was die leisten. Wahrscheinlich spielen sie sogar meist über ihren Grenzen. Aber viel mehr geht eben nicht. Nicht unter den gegebenen Bedingungen. Noch mehr trainieren? Noch bessere Betreuung? Da müssen von vornherein mehr Grundlagen, mehr Masse, mehr Wettkampf da sein! Sprich: viel mehr Spieler! 
Als Nationaltrainer von 1000 Spielern die besten 50 zu selektieren wäre ein ganz anderes Arbeiten, als von etwa 100 diejenigen 30 verbessern zu müssen, welche es Wert sind und gerade mal wollen bzw. es zeitlich einrichten können.
Man hat ja gesehen, was unserer U19 trotz eines Top-Trainers passiert ist. Oder auch unserer DRV-7 in Hannover mit Stevenson. Diesen Trainern und auch den Spielern kann man dabei kaum Vorwürfe machen. Ich denke, die haben ihr Bestes gegeben. Aber das Entwicklungspotenzial einer überschaubaren Spielergeneration ist eben begrenzt. Damit sind wir wieder bei der fehlenden Masse. Aber 2023 sind auch Weltmeisterschaften und 2024 Olympische Spiele!
Jetzt das Geld eher für Akquise in Grundschulen und Klassen 5-7 ausgeben und eine breite Basis schaffen. Für ein `Team24` oder so (… gesponsert von der Deutschen Bank (lacht)).
Es gibt genug Leute, die wissen, wie so was geht! Kurzer, Bews, Bayer, Bach, Müller, Doering, Lill, Gibard, Künzer, um nur einige Namen zu nennen, die mir spontan einfallen. Oder die BRCler, die Rottweiler, die Heusenstammer usw. usw.. Und allen voran Peter Ianusevici, ein Glücksfall fürs deutsche Rugby! Ich weiß ja, dass da schon einiges läuft. Aber die Schwerpunkte liegen eben leider noch woanders.

TR: In Sachen Jugendförderung passiert ja – wie Du auch sagst – schon Einiges, wie beurteilst Du hier die jüngsten Entwicklungen?

MB: Thema Wild: Eine Super-Sache und eine Riesen-Chance für das Deutsche Rugby. Danke an Herrn Dr. Wild! Noch mehr Sympathien hätte das Ganze natürlich, wenn sie sich beim HRK auf ihre (vielen) Eigengewächse konzentrieren würden, statt Talente aus anderen Vereinen zu ziehen und derart viel Gast-Spieler zu holen. Etwas mehr Geduld, anstatt um alles in der Welt gleich Deutscher Meister werden zu müssen – und auch dieses Geld könnte anders verwendet werden.

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Kommentare (4)add comment

Klubler said:

822
...
klasse da muss man ihm recht geben !!!!
März 10, 2010

Schlitzer said:

325
...
Wahre Worte ! Klasse Interview !
März 10, 2010

hansdampf said:

540
Dank statt Prügel!
Danke, Matthias, für diese ehrlichen und wahren Worte!
Super Interview ohne Schönrederei!
März 10, 2010

chuck said:

348
...
klasse einfach klasse
März 11, 2010

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