Unsere Adler konkurrieren mit Nationalmannschaften von Verbänden, die ein Vielfaches an Geldern zur Verfügung haben. Foto (c) Kessler
Anspruch und Wirklichkeit klaffen in weiten Teilen von Rugby-Deutschland auseinander. Der aDRT am vergangenen Samstag hat unter dem Strich nichts gebracht. Weder die nötige Finanzspritze für Rugby Deutschland, noch irgendwelche Alternativen und Konzepte. Die Konsequenzen daraus sind mehr als nur unangenehm, doch angesichts einer schwierigen Kostenlage wohl nicht zu vermeiden. Rugby-Deutschland hat sich entschieden, wie wir in unserem Leitartikel feststellen.
Im Englischen gibt es eine populäre Redewendung you only get what you pay for - wörtlich übersetzt in etwa du erhältst nur das, wofür du zahlst - gemeint ist natürlich, dass man sich nicht darüber wundern muss, weniger als gewünscht zu erhalten, wenn man nicht bereit ist den dementsprechenden Preis zu zahlen. Mit dem Blick auf die Verhältnisse im deutschen Rugby kann man da durchaus eine Relevanz dieses geflügelten Wortes sehen.
Es herrschte nämlich zuletzt eine Diskrepanz zwischen dem, was sich die deutsche Rugby-Community einerseits wünscht und andererseits dem, was ihre Vertreter am vergangenen Samstag-Nachmittag bereit waren, dafür zu zahlen - zumindest die knapp 50, die sich auf den Weg zum aDRT in Heidelberg gemacht hatten, was im Endeffekt nur einem Drittel der Stimmberechtigten entspricht.
Mehr Jugendarbeit, wettbewerbsfähige Nationalteams und ein insgesamt wachsender Rugbysport in Deutschland. So die Wunschliste der Anhänger des ovalen Leders, wie man sie in den Kommentarspalten und in persönlichen Gesprächen immer wieder präsentiert bekommt. Im übrigens oftmals verbunden mit der Klage, dass unser Sport hierzulande unerklärlicherweise ein Schattendasein fristet.
Rugby Deutschland (RD) wiederum sah sich in den letzten Wochen und Monaten, wie so viele Spitzenverbände, mit einer schwierigen Lage konfrontiert. Es wurden, seitdem die Pandemie mehr und mehr in den Hintergrund trat, viele Initiativen angestoßen, sportliche Erfolge stellten sich ein, das Fünfzehner-Nationalteam der Herren schaffte es unerwartet zurück in die Rugby Europe Championship.
Aber all dies kostet Geld. Dass der Finanzbedarf von Rugby Deutschland nach zwei schwierigen Pandemiejahren, sowie bei knapp 10% Inflation in Deutschland und den erwähnten Aktivitäten der Nationalteams steigen würde, hätte eigentlich niemanden überraschen sollen. Erst recht nicht, wenn man sich als Vereinsvertreter der eigenen Wünsche und Bedürfnisse mit Blick auf unseren Sport bewusst ist.
RD meldete Mehrbedarf an und lud zum außerordentlichen deutschen Rugby-Tag. Doch schon im Vorfeld des aDRT raunte da ein Präsident eines großen Rugby-Klubs in den sozialen Medien, dass die Vereine nun „abkassiert“ würden. Worum am letzten Wochenende seitens der Verbandsführung gebeten wurde, waren rund 180.000€ aufgesplittet in einzelne Posten, was mit Blick auf die Mitgliederdatei rund 10€ pro Mitglied und Jahr bedeutet hätte.
Die Vorschläge dazu waren vielseitig. So sollte beispielsweise die Verteilung der Spielerpassgebühren geändert werden. Bisher überweist Rugby Deutschland 50 Prozent der von den Klubs entrichteten Gebühren an die Landesverbände. Ein Vorschlag lautete diese stattdessen für die Nachwuchs-Nationalmannschaften, sowie die Frauen-Nationalmannschaften und die Schiedsrichterausbildung zu verwenden. Es fand sich zwar eine absolute Mehrheit für diesen Vorschlag, aber zugleich gab es genügend Gegenstimmen, so dass eine Zwei-Drittel-Mehrheit verfehlt wurde.
Gleiches gilt für den Vorschlag, die Gebühren Pro Bundesliga-Spielerpass von 15€ auf 25€ zu erhöhen. Absolute Mehrheit ja, Zwei-Drittel-Mehrheit jedoch nicht. Klar abgelehnt wurde die Mitgliedsgebühren künftig an die Inflation anzupassen, was den Verband künftig vor die derzeitige Kostenfalle aus stagnierenden Einnahmen bei massiv steigenden Kosten geschützt hätte.
Nicht einer der Vorschläge zur Verbesserung der Finanzsituation von Rugby Deutschland fand die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit im Plenum. Auch der Hinweis von Präsident Harald Hees darauf, dass vergleichbare Gebühren bei unseren Nachbarn in Belgien, Polen und den Niederlanden teils deutlich höher sind, änderte daran nichts.
Dabei waren es teils die Vertreter alteingesessener Großklub, die Ihre Stimmen dazu nutzten, um die Vorschläge einen nach dem anderen abzubügeln. Der Tenor ließ sich irgendwo zwischen „das hat doch früher auch geklappt“ und „wozu brauchen die da oben denn das Geld“ verorten, während besonders aus Niedersachsen und der Hauptstadt das Misstrauen gegen die Verbandsspitze besonders groß zu sein scheint.
Die Konsequenzen daraus wurde von besagter Führung bereits am Sonntag-Morgen getroffen. Die Verbandsführung ließ den Rotstift walten und die Einschnitte sind mehr als nur schmerzhaft. Die Frauen-Nationalmannschaft sowie die Nachwuchs-Nationalmannschaften können dieses Jahr nicht an ihren EM-Turnieren teilnehmen, das erfolgreiche Programm Get into Rugby muss vorerst eingestellt werden und die Bereiche Verwaltung, Ausbildung, Schiedsrichter und Jugend müssen sparen.
Die Reaktion in den Kommentarspalten in den sozialen Medien schwanken zwischen Resignation und der Forderung zunächst beim Verband zu sparen. Mehrfach auch mit dem süffisanten Verweis darauf, dass RD doch derzeit zahlreiche Mitarbeiter habe und dementsprechend hier kürzen könne.
Dass fast alle Mitarbeiter über die öffentlichen Fördertöpfe für den Leistungssport finanziert werden - was nach Definition des Bundes nun mal nur das olympische Siebener ist - scheint sich noch nicht überall als Erkenntnis durchgesetzt zu haben. Viele dieser über das Siebener finanzierte Mitarbeiter bieten auch für das traditionelle Fünfzehner in Deutschland einen Mehrwert, wie jedem bewusst werden dürfte, der sich in letzter Zeit mal bei einem Länderspiel umgesehen hat.
Die ungewollte Konsequenz aus der ablehnenden Haltung der meisten Vereine, rund 10€ Mehrkosten pro Jahr und Mitglied zu schultern, wird sein, dass die ungleiche Finanzierung der Siebener- und Fünfzehner-Variante künftig noch zunehmen wird.
Dazu wird immer wieder mokiert, dass Länderspiele meist in Heidelberg stattfinden. Der Gründe dafür sind vielschichtig: Ein Großteil des Kaders ist in und um die Neckarstadt daheim, womit erhebliche Übernachtungskosten in der Vorbereitung wegfallen. Dazu bringt die Kooperation mit dem Olympiastützpunkt sowie der Stadt weitere finanzielle Vorteile. Bei künftig noch knapperen Kassen werden es eher mehr Länderspiele in Heidelberg sein, als weniger.
Noch mehr fragt man sich aber, was sind die Alternativen? Wie soll sich Rugby Deutschland entwickeln und finanzieren? Soll die Fünfzehner-Nationalmannschaft künftig mit Georgien, Spanien und Belgien mithalten? Dann sollten die Voraussetzungen zumindest im Ansatz gleich sein.
Denn die Konkurrenz operiert in Sachen Budget mit einem Vielfachen an dem, was RD zur Verfügung steht. Der spanische Verband hatte zuletzt einen Jahresetat von über sechs Millionen Euro, die Georgier haben ihres auf weit über zehn Millionen Euro pro Jahr gesteigert.
Dabei ist das Lohnniveau in beiden Ländern teils deutlich geringer - für jeden Euro Budget können von den Verbänden mehr Mitarbeiter angestellt, können in der Regel mehr Waren und Dienstleistungen beschafft werden.
Alternativvorschläge gab es am vergangenen Wochenende nicht. Lediglich beispielsweise den Verweis darauf, dass man im American Football ja auch den Gürtel enger schnallen müsse. Das mag zwar stimmen, jedoch hat der andere ovale Ballsport mit der NFL die größte Sport-Marketing-Maschine der Welt im Rücken.
Die Folgen daraus, dass die Jugendnationalmannschaften nicht auf internationalem Niveau konkurrieren dürfen, werden mittelfristig verheerend sein - für das Spielniveau in Deutschland generell und besonders das der Nationalteams. Nicht jedem Vereinsvertreter ist das wichtig, wenn die Priorität eher darin liegt, die nächsten Spiele zu gewinnen und lokale Prestige-Erfolge zu feiern.
Das ist nicht per se falsch, kein Vereinsboss muss das Wohl von Rugby-Deutschland insgesamt im Blick haben, wenn die kurzfristigen Interessen des eigenen Klubs wichtiger sind. Dann muss sich Rugby-Deutschland als Ganzes aber auch eingestehen, dass es vorerst in der provinziellen Nische zufrieden ist und die eigenen Wunschvorstellungen dementsprechend nach unten korrigieren.
*Zumindest der Teil, der ohne Alternativen aufzuzeigen ausnahmlos alle Vorschläge abgebügelt hat
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