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TR-Interview mit Oskar Rixen: Aus Berlin mit 20 in Frankreichs Eliteliga Top 14
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Donnerstag, 29. September 2022

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In Rekordtempo in der Top 14 angekommen. Der Berliner Oskar Rixen ist einer der jüngsten Profis in Frankreichs Eliteliga Top 14.

Dem Berliner Oskar Rixen ist mit gerade einmal 20 Jahren gelungen, was vor ihm nur eine Hand voll deutsche Spieler geschafft haben. Der Zweite-Reihe-Hüne hat es in die Top 14 geschafft. Über den „Umweg“ Paris ist der ehemalige Jugendspieler des Berliner Rugby-Clubs im Rugby-verrückten Süden Frankreichs gelandet und ist gerade dabei, sich in der vielleicht besten Rugby-Liga der Welt zu etablieren.

TotalRugby: Hallo Oskar, erst einmal vielen Dank dafür, dass du dir in einer stressigen Spielwoche die Zeit für dieses Interview genommen hast.

Oskar Rixen: Kein Problem, das mache ich gerne.

TR: Du hast jetzt bereits zwei Spiele in der Top 14 absolviert mit gerade erstmal 20 Jahren, eines davon sogar zu Beginn in Castres am letzten Wochenende und das in deiner erst dritten Saison in Frankreich als einer der jüngsten Spieler der Liga. Man könnte behaupten, es läuft bei dir gerade…

OR: Stimmt, ich hatte ja so eine halbe Saison mit der U18 in Paris gespielt, aber das ist jetzt erst meine dritte richtige Saison in Frankreich und die erste so richtig bei den Profis. Vor 15.000 Zuschauern in der Top 14 spielen zu dürfen ist da natürlich nichts Alltägliches. Es ist auch toll das in so einer Rugby-verrückten Stadt, wie Brive zu erleben. Die Stadt hat gerade einmal 48.000 Einwohner, aber ins Stadion kommen trotzdem 16.000 Zuschauer!

TR: Deine ersten Profi-Erfahrungen hattest du ja bereits im Sommer 2021 gesammelt…

OR: Genau, ich hatte noch für Stade Français in Testspielen gegen Montpellier und gegen Brive gespielt.

TR: Damals standest du ja plötzlich neben einigen absoluten Weltstars.

OR: Absolut, das schon verrückt. Ich habe bei Stade mit dem ehemaligen All Black Ngani Laumape oder Marcos Kremer von Argentinien gespielt. Das sind Leute, die kannte ich vorher nur aus dem Fernsehen. Aber man gewöhnt sich da wirklich schnell dran. Man sieht die Jungs Tag für Tag im Training und es wird irgendwo etwas Alltägliches. Das sind ja dann schließlich deine Arbeitskollegen und Teamkameraden. Ich konnte von den Jungs extrem viel lernen.

Bereits bei Stade Français durfte Oskar Rixen in Testsspielen bei den Profis mitwirken

TR: Du bist ja mit deutlich über 2 Meter Körpergröße selbst eine imposante Figur. Aber wie war der Wechsel für dich aus dem Jugendbereich zu den Herren? Bist du direkt mit der härteren Gangart klargekommen?

OR: Ganz ehrlich, so schwierig war es für mich nicht in der Hinsicht. Ich war schon immer relativ groß und schwer. In Deutschland denkt man sich immer: verdammt in Frankreich die sind alle dermaßen groß und kräftig. Aber wenn man ordentlich arbeitet, dann kriegt man das hin. Natürlich ist die Aggressivität und das Tempo ein anderes, aber man kann den Sprung durchaus schaffen.

TR: Also würdest du einem jungen ambitionierten Nachwuchsspieler empfehlen, den Schritt zu wagen?

OR: Auf jeden Fall. Viele Deutsche bringen ja schon die richtige Statur mit. Niemand sollte sich kleiner machen, als er ist. Es sind ja auch aktuell drei Jungs aus Frankfurt in Paris, die alle in der U16 sind und schon früh den Sprung gewagt haben. Wenn man sich als talentierter junger Spieler reinhängt, dann kann man es definitiv schaffen!

TR: Wie kam es bei dir zustande, dass du den Sprung nach Frankreich gewagt hast?

OR: Ich kannte ja Kobus Potgieter (der nach seiner Zeit in Heidelberg als Jugendkoordinator bei Stade Français gearbeitet hat; Anm. d. Red.) schon ziemlich lange, der hat mich dann in meinem letzten Schuljahr vor dem Abitur angeschrieben, ob ich Lust hätte, zum Probetraining zu kommen. Dabei konnte ich scheinbar überzeugen und in den darauffolgenden Monaten, bis ich mein Abitur beendet habe, bin ich für die Spiele der U18 immer nach Paris gereist. Die beiden darauffolgenden Saisons habe ich dann in der U21 von Paris gespielt und auch meine ersten Schritte im Profi-Rugby gemacht.

TR: Wie steil war die Lernkurve für dich, zum Beispiel auch sprachlich?

OR: Die Sprache war schon sehr wichtig. Ich habe im ersten Jahr drei Mal die Woche zwei Stunden intensiv gelernt. Mittlerweile kann ich schon sehr gut französisch sprechen, mich fließend unterhalten, Debatten verfolgen. Aber das sollte jedem klar sein: Wenn man nach Frankreich geht, muss man nicht nur Rugby spielen lernen, sondern auch die Sprache. Es ist auch eine Frage des Respekts, sich in der Sprache verständigen zu können. Ohne Französisch wirst du kein JIFF (in Frankreich ausgebildeter Spieler; Anm. d. Red.) und ohne den JIFF-Status ist es deutlich schwerer Spielzeit zu bekommen.

TR: Wie war es für dich zum Beispiel auch taktisch, die Umstellung auf dem Feld?

OR: Es war alles sehr viel komplizierter. Das deutsche Vereins-Rugby, so wie ich es kennen gelernt habe, ist halt super einfach strukturiert. Das fängt zum Beispiel beim Gedränge an. Wir haben in Brive sechs verschiedene Arten, wie wir im Scrum drücken, was natürlich eher für Props wichtig ist, für die das technisch super anspruchsvoll ist - immerhin ist das Gedränge in Frankreich extrem wichtig. In der zweiten Reihe musst du eh immer volle Kanne pushen. Im offenen Spiel, nach den Standards, hat man für jedes Spiel seine individuellen Laufwege, die man am Montag erhält und im Dienstag beim Training schon drauf haben musst. Bei den Gassen genauso, da musst du für jedes Spiel 20 neue Gassen lernen. Natürlich ist es auch im offenen Spiel schneller und anspruchsvoller - du musst intuitiv die Lücken und Räume sehen. Wenn man hier rüber kommt, muss man schnell lernen, das ist einfach so.

TR: Offiziell wurdest du im Sommer bei Brive noch als Jugendspieler verpflichtet.

OR: Genau, ich bin ja noch keine 21, weswegen ich noch einen Contrat Espoir unterschreiben konnte. Die Details sind Verhandlungssache, aber in dem Fall hat der Verein Verpflichtungen, weil ich noch so jung bin, mir eine Ausbildung bzw. ein Studium zu finanzieren. Ich studiere ja nebenbei an der Fernuni Hagen, wofür der Verein aufkommt. Andere studieren an der Privatuni, das bezahlt der Verein ebenfalls. Grundsätzlich gibt es ein paar Unterschiede.

TR: Wie kam es zum Wechsel aus Paris nach Brive?

OR: Ich hatte in Paris bis 2024 verlängert, aber nicht wirklich zu Konditionen, wie ich sie  mir vorgestellt habe. Ich hatte nach den beiden Testspielen mit den Profis gutes Feedback erhalten, aber danach hat sich nicht wirklich was ergeben, was für mich schon frustrierend war. Ich habe in Brive bessere Chancen gesehen, mich als Spieler weiterzuentwickeln und habe die Herausforderung angenommen. Trotzdem möchte ich noch mal betonen, dass ich Paris unglaublich dankbar bin für die Chance, die ich erhalten habe. Zum Glück gab es in meinem Vertrag eine Klausel, nach der ich für eine bestimmte Ablösesumme wechseln konnte und die hat Brive dann gezogen. Im Endeffekt bin ich mega glücklich, hier zu sein.

TR: Brive gilt ja als äußerst Rugby-verrückt. Wirst du ab und an schon auf der Straße erkannt?

OR: Vor meinem Profi-Debüt nicht wirklich, wobei ich öfters mal angestarrt wurde, weil ich halt sehr groß bin. Da fällt man natürlich auf und wird ab und an gefragt, was man macht. Aber seitdem ich für die Profis gespielt habe wurde ich schon ab und an angesprochen, sogar mit Vornamen. Aber immer nett und höflich, die Leute hier lieben einfach den Verein.  Das war ich jetzt aus Paris nicht gewöhnt. Die Stadt ist riesig und da ist alles ein wenig anonymer.

TR: Es gibt ja noch ein paar andere deutsche Frankreich-Profis. Hattest du bisher mit irgendjemanden Kontakt?

OR: Das war ganz lustig. Ich habe Julius Nostadt mal rein zufällig mit seiner Freundin in einer bekannten Barstraße in Paris getroffen. Mit Eric Marks verstehe ich mich auch sehr gut, mit ihm habe ich in Sommer einen Monat lang in Aachen trainiert. Mein Vater kommt aus Aachen und meine Großeltern wohnen immer noch da, so dass das perfekt gepasst hat. So haben wir in der Pause einen Monat lang zusammen trainiert, jeden Morgen Krafttraining und dann am Nachmittag Fitness.

TR: Jetzt fehlt eigentlich nur noch, dass ihr zusammen in der zweiten Reihe irgendwo in der Top 14 auflauft…

OR: Das wäre mega, ich kann nur Positives über ihn sagen. Eric ist ein absoluter Wikinger, ein richtiges Tier. Er hat leider ein wenig Pech mit den Verletzungen gehabt, aber wird auf jeden Fall noch mal Top 14 spielen.

TR: Du hast jetzt zwar erst zwei Profispiele und zwei Testspiele absolviert. Aber wer würdest du sagen ist der beste Spieler gegen oder mit dem du spielen durftest?

OR: Über wenn ich mich tatsächlich gefreut habe, war der Staniforth (Australien-Stürmer, ehemaliger Waratahs-Profis, mittlerweile bei Castres; Anm. d. Red.). Ich dachte mir vorher auch der ist so groß und krass, aber dann stand ich neben ihm und dachte mir: Der sieht eigentlich genauso aus wie, hat vielleicht ein paar mehr Muskeln. Er war für mich früher ein wenig Vorbild, wie zum Beispiel auch Leone Nakarawa (Fidschi-Stürmer, Gold-Medaille in Rio, im Fünfzehner als Zweite-Reihe-Stürmer; Anm. d. Red.), mit dem ich quasi aufgewachsen bin, von dem ich schon viele Spiele gesehen habe. Ich habe ihm das nach dem Spiel auch gesagt, dass es für mich eine riesige Ehre ist, gegen ihn spielen zu dürfen.

Den Umgang mit dem ovalen Leder erlernte Oskar Rixen beim Berliner Rugby-Club

TR: Mal eine ganz andere Frage: Sagt dir Brad Thorn was?

OR: Muss ich den kennen?

TR: Nicht unbedingt, er spielt auch seit fünf Jahren schon nicht mehr. Aber er hat 2011 die WM mit Neuseeland gewonnen, als 36-jähriger und hat dann mit über 40 noch in der Premiership bei Leicester als Profi gespielt. Er war auch Zweite-Reihe-Stürmer und wenn man überlegt, du bist 20, hättest so gesehen also noch 20 Jahre Profi-Karriere vor dir. Was nimmst du dir so für die nächsten Jahre vor…?

OR: Ich bin erstmal sehr sehr glücklich hier in Brive. Es gibt nicht so viele 20-jährige, die Top 14 spielen, erst recht nicht in der zweiten Reihe, da die Position ja körperlich schon anspruchsvoll ist. Erst mal geht es darum hier meine Leistung zu zeigen - gegen Castres hat mir die Midi Olympique (das wichtigste Rugby-Magazin in Frankreich; Anm. d. Red.) einen Stern für meine Leistung gegeben und an so etwas will ich erstmal anknüpfen, ohne zu weit voraus zu denken. Ich muss meine Rolle als 20-jähriger auch kennen und zum Beispiel nicht erwarten, in jedem Spiel von Beginn an zu spielen.

Mein Ziel ist also erstmal so viel wie möglich von den älteren Mitspielern mitzunehmen, mich weiter zu verbessern und die Chancen nutzen, sobald ich sie bekomme. Vor allem dabei auch bescheiden bleiben. Ich will so viele Spiele machen, wie möglich, vielleicht auch bei der U21, für dich weiter spielberechtigt bin. Ich will mich in vielen Bereichen verbessern, in der Gasse vor allem, wo ich eine bessere Option werden will. Zwei Jahre Vertrag habe ich noch, dann gelte ich als JIFF und danach hätte ich auch kein Problem, noch ein wenig in Brive zu bleiben.

TR: Eine Frage, die aus deutscher Sicht natürlich noch sehr spannend ist. Mit Anton Segner hat Deutschland ja noch ein weiteres Super-Talent im Sturm und bei ihm ist das Ziel ja für die All Blacks zu spielen. Wie schaut es bei dir aus, wäre Frankreich für dich eine Option, oder sehen wir dich irgendwann im Deutschland-Trikot? Bzw. weißt du noch nicht und es lässt diese Frage auf dich zukommen.

OR: Ich habe einige Lehrgänge mit der U20 von Frankreich gemacht und habe das natürlich im Auge, aktuell ist der Fokus aber voll und ganz auf Brive. Hier möchte ich mich verbessern und meine nächsten Schritte als Spieler machen. Es ging alles so schnell, so dass ich mir über die Natio noch nicht wirklich Gedanken machen konnte.

TR: All das ist erstmal Zukunftsmusik. Die nächsten Gegner lauten Bayonne, Toulon und Toulouse…

OR: Genau, darauf freue ich mich, auch wenn es natürlich hart wird - aber das ist halt in der Top 14 so. Da hat man jede Woche einen krassen Gegner. Ob Toulouse, oder Toulon, die Jungs wissen schon was sie machen.

TR: Das klingt nach ein paar aufregenden Wochen für dich. Wir wünschen dir auf jeden Fall viel Erfolg und möglichst viel Spielzeit! Danke für das Interview!

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Kommentare (1)add comment

Alex Leiberich said:

3882
Solche Spieler müssen in der Nationalmannschaft spielen!
Das Interview macht doch super deutlich, welches Potenzial das deutsche Rugby hat bzw. welche Talente bei der richtigen Förderung das deutsche Rugby international und auch national voranbringen können.
Solche Spieler müssen regelmäßig in der Nationalmannschaft spielen, sonst versauert man auf dem Amateurniveau bzw. zweit- und drittklassigem Niveau wie vor der Wild-Zeit.
Was möglich wäre, zeigen solche Entwicklung.
Bitte mehr davon und viel Erfolg für den weiteren Weg.
Oktober 01, 2022

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