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Springboks schreiben Geschichte: Erster farbiger Kapitän nach 126 Jahren
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Dienstag, 29. Mai 2018

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Siya Kolisi wird nach 126 Jahren der erste farbige Kapitän der Boks.

Rugby ist in Südafrika mehr als nur irgendein Sport und die Springboks sind mehr als nur das Nationalteam. Der ovale Ballsport ist im südlichsten Land des afrikanischen Kontinents Religion - und im Land am Kap galt dessen Rugby-Nationalmannschaft lange als eines der Symbole für die Apartheid-Politik der weißen Minderheitsregierung. Umso symbolträchtiger ist die gestrige Ankündigung des neuen Bok-Trainers Rassie Erasmus, der Siya Kolisi zum Kapitän der Mannschaft ernannt hat. Der 26-jährige Flanker wird der erste Farbige sein, der in der 126-jährigen Geschichte des Teams dessen Kapitän sein wird.

Dabei durften in den ersten knapp 100 Jahren der Springboks-Geschichte lediglich weiße Südafrikaner im berühmten Grün des zweimaligen Weltmeisters auflaufen. Kein Wunder also, dass der neue Boks-Trainer Rassie Erasmus bei der gestrigen Verkündung auf die historische Signifikanz dieser Entscheidung angesprochen wurde. Doch der Springbok-Flanker der Neunziger-Jahre Erasmus, der zuletzt mit dem irischen Top-Team Munster als Trainer Erfolge feiern konnte, lobte Kolisi ausschließlich aufgrund seiner spielerischen und charakterlichen Qualitäten: Der 1,88 m große und 105 kg schwere Kolisi sei auf dem Feld ein Arbeitstier und abseits dessen ein ruhiger und strategisch denkender Leader.     

Erasmus wird zweifelsohne genau über seine Entscheidung nachgedacht haben - auch gute 20 Jahre nach dem Ende der Apartheid ist die Regenbogen-Nation auch heute noch weit davon entfernt, alle aus der Apartheid-Ära stammende Konflikte überwunden zu haben. Erasmus wollte, so wurde in den Medien am Kap spekuliert, Kolisi etwaige Vorwürfe ein „Quoten-Kapitän“ zu sein ersparen. Denn die Experten sind sich einig: Mit seinen Leistungen hat sich Kolisi diese Ehre in den letzten Jahren in 28 Spielen im Grün der Boks und über 100 im Blau der Stormers hart erarbeitet. Bob Skinstad, einer seiner Vorgänger als Bok-Kapitän und mittlerweile als Kommentator beim südafrikanischen Pay-TV-Sender Supersport tätig, hatte Kolisi schon vor zwei Jahren als künftigen Springbok-Kapitän gelobt.

Kolisi ist ür einen Stürmer unglaublich mobil

Schon bei den Stormers, Kapstadts Super-Rugby-Mannschaft und das mit Abstand beliebteste Team des Landes, ist Kolisi seit zwei Saisons Kapitän. Im Newlands Stadion am Fuße des Tafelbergs ist Kolisi als unermüdlicher Arbeiter bekannt. In der Defensive führt der Dritte-Reihe-Stürmer die Tackle- und Turnover-Statistiken seines Teams an, während er offensiv immer wieder die harten Meter in der Unterstützung läuft. Dazu ist Kolisi gerade für einen Stürmer unglaublich schnell unterwegs, was ihn auch zu einem gefährlichen Finisher macht. Schon 2013, bei seinem Bok-Debüt gegen Schottland , konnte Kolisi sich von der Bank kommend die Man-of-the-Match-Auszeichnung sichern.

Wie der neue Springboks-Coach Rassie Erasmus stammt der neue Kapitän aus dem Ostkap - der Region an der Südküste um die Stadt Port Elizabeth, mit den meisten schwarzen Rugby-Spielern. Denn noch immer gibt es in Südafrika starke Unterschiede in Sachen Rugby-Enthusiasmus der Bevölkerung, abhängig von der Region und dem Milieu der jeweiligen Bevölkerungsgruppe. Diese Unterschiede lösen sich auch mehr als 20 Jahre, nachdem Mandela zum ersten demokratisch gewählten Präsident wurde, nur langsam auf. Während beispielsweise Farbige in Kapstadt und entlang der Südküste ebenso Rugby-verrückt sind, wie ihre weißen Mitbürger, ist das in Johannesburg und Bloemfontein noch lange nicht der Fall. Um diese Trennlinien zu eliminieren und den ovalen Ballsport endgültig zum Favoriten aller Südafrikaner zu machen, könnte Kolisi definitiv beitragen.

Doch dafür wird die Leistung seiner Springbok-Mannschaft auf dem Feld ebenso wichtig sein, wie die Tatsache, dass er der erste nicht-weiße Kapitän ist. Viel zu unkonstant waren die Leistung der Boks in den letzten Jahren - zwar konnten sie bei der letzten WM in England Rang drei belegen, kassierten aber auch historische Niederlagen gegen Japan und zuvor bereits gegen Italien und erstmals daheim gegen Argentinien. Als aktuell Sechster der Weltrangliste hinken die Boks weit hinter den eigenen Ansprüchen zurück. Die drei Testspiele umfassende Serie gegen England im Juni wird eine wichtige Standortbestimmung sein. Immerhin wartet bei der WM in Japan bereits in der Gruppenphase Weltmeister Neuseeland auf Südafrika.

Wie hier gegen Argentinien ist Kolisi öfter unter den Try-Scorern zu finden

Eine potenziell sehr wichtige Entscheidung ist dabei schon vor einigen Wochen vom Verband SaRu getroffen worden. Unter dem letzten Springboks-Coach Allister Coetzee wurden fast ausschließlich in Südafrika spielende Profis für die Boks berufen. Sein Nachfolger Erasmus will sich bei seinen Nominierungen nicht mehr nur noch auf die sieben südafrikanischen Teams im Super Rugby und Pro 14 Wettbewerb beschränken. Wichtige Stützen der Vergangenheit, die nun in Europa spielen, sind jetzt wieder im Springbok-Aufgebot zu finden: Mit Hakler Bismarck du Plessis, Achter Duane Vermeulen, Gedrängehalb Faf de Klerk, Schluss Willie le Roux und Allzweckwaffe Frans Steyn kommt eine ganze Armada von erfahrenen Veteranen zurück in den Kader.

Aus dieser Mannschaft eine funktionierende Einheit zu formen wird die Aufgabe von Erasmus und Kolisi sein. Beide gehen mit Vorschusslorbeeren in ihre neue Aufgabe, werden aber in der hyperkritischen südafrikanischen Öffentlichkeit sicherlich schnell Kritik kassieren. Der alles andere als bescheidene Anspruch lautet den dritten WM-Titel zu holen und es damit den All Blacks nachzumachen.

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