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Das australische Rugby am Scheideweg: Neuer Boss und die WM 2027 als Rettung?
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Donnerstag, 14. Dezember 2017

Rugby in Australien befindet sich an einem Scheideweg. Wie geht es weiter Down Under mit unserem Sport?
Rugby in Australien befindet sich an einem Scheideweg. Wie geht es weiter Down Under mit unserem Sport?

Australien ist traditionell und seit jeher eine Rugby-Großmacht - zwei Weltgeister-Titel und Legenden wie John Eales, David Campese oder aktuell David Pocock prägen das Spiel um den Globus. Im Jahr 2003 bei der Heim-WM war der Sport Down Under auf seinem vorläufigen Höhepunkt. Fast zwei Millionen Menschen verfolgten die WM live in den Stadien und Rugby dominierte die Schlagzeilen überall auf dem fünften Kontinent. Mit Johnny Wilkinsons berühmten Dropgoal in der Nachspielzeit des Finales, das England den Titel sicherte, endeten nicht nur die Träume einer Nation, der schleichende Abstieg des Rugbys in Australien setzte ein.

Gerade einmal 14 Jahre später droht Rugby in Australien hinter Cricket, Aussie Rules, Rugby League und zunehmend auch dem Fußball auf Rang fünf der beliebtesten Sportarten zurückzufallen. Noch können die Wallabies auf der internationalen Bühne mit den absoluten Top-Teams mithalten, doch wie lange noch, angesichts der bröckelnden Basis? Ein neuer Chef bei Rugby Australia, sowie die Bewerbung auf die WM 2027 sollen Rugby in Australien wieder zu alter Größe verhelfen.

 

Der Moment mit dem der Abstieg des australischen Rugby begann - Wilkinsons Dropgoal für die Ewigkeit


Wenn man heute an einem beliebigen Wochenende während der Saison eine Zeitung in Sydney oder Brisbane öffnet - den beiden Hochburgen des Sports in Australien - dann findet man die Rugby-Schlagzeilen oft erst hinter seitenlangen Berichten über Rugby League und zum Teil auch Aussie Rules. Versteckt zusammen mit Fußball und anderen vermeintlich unwichtigen Sportarten am Ende des Sport-Teils. Zwar gibt es in Australien, laut den aktuellsten Zahlen vom Weltverband World Rugby, noch immer 230.000 registrierte Vereinsspieler in Australien - doch Super Rugby läuft seit seinen Anfängen Mitte der Neunziger ausschließlich im Pay TV - und das ist in Australien sündhaft teuer. Kein Wunder also, dass die Waratahs, Reds oder Rebels dem nicht an Rugby interessierten Durchschnitts-Australier durchaus ein Begriff sind, aber wohl irgendwo mit anderen exotischen Sport-Teams verortet werden.

Dennoch besteht definitiv auch in Australien Appetit auf Rugby. Mindestens drei Mal im Jahr, wenn es gegen die All Blacks geht, blickt die Nation auf die Wallabies. Deren sonstige Spiele werden abseits von WM-Turnieren zumeist lediglich von überzeugten Rugby-Fans verfolgt. Doch angesichts der miserablen Ergebnisse gegen den vermeintlich kleinen Nachbarn Neuseeland, gegenüber dem man sich in Australien traditionell in jeglicher Hinsicht überlegen fühlen, ist diese Aufmerksamkeit zuletzt eher ein Fluch. Bereits zum 15. Mal konnte Neuseeland den Bledisloe-Cup gegen Australien in diesem Jahr verteidigen, das ist ein Rekord in der langen Geschichte zwischen beiden Teams. Da zählen auch Siege gegen andere Weltklasse-Teams recht wenig in den Augen der hyperkritischen und schnell desinteressierten Sport-Öffentlichkeit. Die Wallabies sind als erfolglos gebrandmarkt. Dass die Super-Rugby-Teams in der abgelaufenen Saison in insgesamt 26 Duellen mit Mannschaften aus Neuseeland nicht einen einzigen Sieg einfahren konnten, hilft dabei natürlich ebensowenig.

Dabei können sich auch die Super-Rugby-Teams ohne jegliche Präsenz im Free TV in das Rampenlicht der Öffentlichkeit spielen. Die Waratahs spielten ihr Super-Rugby-Finale 2014 vor einer Rekord-Kulisse von über 60.000 Zuschauern im Olympiastadion von Sydney. Als die Reds in den Jahren vor und nach ihrem Super-Rugby-Triumph im Jahr 2011 mit Quade Cooper und Will Genia überragendes Angriffs-Rugby spielten, galten sie für ein paar Jahre als das beliebteste Sport-Team Queenslands und überflügelten bei den Zuschauerzahlen selbst die Brisbane Broncos - das mit Abstand beliebteste Rugby-League Team des Landes. Die Meister-Mannschaft von damals ist langsam auseinandergefallen und von dem Zuschauerschnitt von einst 35.000 ist auch nicht mehr viel übrig. In der Vorsaison kamen bei einigen Reds-Spielen nicht einmal mehr 10.000 Zuschauer in das 52.000 fassende Suncorp-Stadium der Hauptstadt von Queensland.

 

Noch vor drei Jahren konnten die Waratahs gegen die scheinbar übermächtigen Crusaders um Richie McCaw triumphieren

Immer noch besteht jedoch eine tief verwurzelte Rugby-Kultur Down Under. Im zweitklassigen Shute Shield, dem Wettbewerb der besten Klubs Sydneys, der als Sprungbrett zum Profi-Rugby gilt, gab es in diesem Jahr eine Rekord-Kulisse im Finale. Als sich die Warringah Rats und die Northern Suburbs, zwei Stadtteil-Klubs aus Australiens größter Stadt, um die seit 1923 ausgetragene Trophäe duellierten, kamen knapp 20.000 durch die Drehkreuze. Mehr als bei fast allen Waratahs- und sogar mehr als bei zwei Wallabies-Spielen in diesem Jahr. Der Sydney Morning Herald resümierte: „hier schlägt das Herz des Rugby-Spiels in Australien“. Im Gegensatz zum Super Rugby, dessen Format sich in den letzten Jahren mehrfach änderte und in dem mit der Force und den Rebels erst zwei neue australische Teams hinzukamen, bevor die Force wieder zurückgezogen worden, besteht im Klub-Rugby noch echte Identifikation mit den Teams.

Wie kann Australien also aus der Misere rauskommen, auf die vorhandene Basis aufbauen und zu altem Glanz zurückkehren? Erst einmal erfolgte ein Personal-Wechsel an der Spitze von Rugby Australia (vor wenigen Wochen erfolgte ein Rebranding von Australian Rugby Union zu Rugby Australia): Bill Pulver, der sich mit dem Debakel um die Auflösung der Western Force extrem unbeliebt gemacht hat, tritt ab. Ihn ersetzt Raelene Castle - damit steht erstmals eine Frau an der Spitze eines wichtigen australischen Sportverbands. Castle ist selbst Neuseeländerin und hatte den Netball-Verband ihres Heimatlandes und zuletzt vier Jahre lang das in Sydney wohl beliebteste Rugby-League-Team Canterbury Bulldogs angeführt, das zuletzt sehr erfolgreich war. Der Schritt wurde in Australien weitestgehend begrüßt - noch vor kurzem galt Fox-Sports-Moderator und Ex-Hakler Phil Kearns als Favorit. Doch dass der Old-Boys-Klub, der den Sport in die Misere geführt hat, nicht weiter die Posten erhält, gilt als Erfolg.

 

Eine doppelte Premiere: Mit Raelene Castle führt erstmals eine Frau sowie jemand aus Neuseeland Rugby Australia

Unter anderem muss Castle die Beziehung mit Western-Force-Finanzier Andrew Forrest kitten. Der Bergbau-Milliardär wurde durch den Entzug der Lizenz seines Teams verprellt. Sein Versprechen 200 Million Dollar in den Sport zu investieren, sollte die Force erhalten bleiben, ist nun dahin. Doch gilt es für Castle auch den Abfluss von talentierten Union-Spielern in frühem Alter zum League zu verhindern. Ausgestattet mit einem sehr lukrativen TV-Vertrag, der im Übrigen auch regelmäßige Live-Spiele im Free-TV beinhaltet, hat es League in den letzten Jahren ein ums andere Mal geschafft kommende Superstars für das Dreizehner-Rugby abzuwerben. Viele der besten League-Asse, wie Cooper Cronk und Cameron Smith haben einen Union-Background. Die paar Spieler, die im Erwachsenen-Alter den umgekehrten Weg wählen - Israel Folau, Sami Radradra und Karmicheal Hunt seien da zu nennen - gleichen diesen Trend nicht aus.

 

Raelene Castle CEO Rugby Australia: "Erst einmal müssen wir tief durchatmen und uns dann mit allen Beteiligten unterhalten. Jetzt ist nicht die Zeit für Schnellschüsse."



Eine weitere Chance sehen Rugby Australia und seine neue Chefin Castle in der WM 2027. Nachdem Südafrika überraschenderweise nicht den Zuschlag für die übernächste WM erhalten hat, sehen die Australier ihre Chance gekommen. Die Rekord-WM von 2003, die dem Verband etwa 100 Millionen Dollar beschert hatte, lässt auf einiges hoffen. In Sydney hat die Landesregierung gerade verkündet die beiden größten Stadien - das Sydney Football Stadium und das Olympiastadion (Allianz/ANZ-Stadium) - für zwei Milliarden Dollar aufwendig zu renovieren. In Perth wird gerade das teuerste Stadion in der Geschichte des Landes gebaut und auch in Canberra liegen Pläne bereit ein Stadium nach dem Vorbild von Dunedin in Neuseeland zu errichten. Die nötige Infrastruktur in Sachen Stadien, aber auch in Sachen Transport und Hotels (daran hatte es Irlands Bewerbung gefehlt) wären also bis 2027 definitiv vorhanden und zweifelsohne: Eine WM mit hunderttausenden internationalen Gästen, der abfallende Profit im dreistelligen Millionen-Bereich und nicht zuletzt das massiv gesteigerte Interesse würde dem australischen Rugby einen riesigen Schub geben. Die League-WM im Oktober/November, mit lausigen Zuschauerzahlen, sollte niemanden abschrecken - die Australier können ein ordentliches Turnier aufziehen. Doch ob die Stadien bei einem frühen Ausscheiden des Heim-Teams, wie in England 2015, ebenso voll wären, ist fraglich.

Insgesamt dürfte eine Trendwende kein Ding der Unmöglichkeit sein. Neuseelands größte Zeitung Herald warnt seine Leser, die manchmal allzu vergesslich seien: "Vor nicht allzu langer Zeit wurden Kiwi-Coaches gefragt, warum sie sich so schwer gegen australische Teams anstellen. (...) Man sollte nicht vergessen, mit dem Erfolg kommen auch viele alte Freunde wieder zur Pary. Erst vor drei Jahren verfolgten 62.000 Zuschauer den Waratahs-Sieg über die Crusaders." Tatsächlich dürften die australischen Fans schnell wieder die Ränge der momentan gähnend leeren Ränge füllen. Zu wünschen wäre dies, denn die Rivalität Neuseeland-Australien könnte eine Wiederbelebung vertragen.

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