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TR-Interview mit RBA-Chef Nagel: „Wir müssen einen Plan entwickeln und die Probleme ehrlich angehen“
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Samstag, 30. Dezember 2023

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Die Rugby-Bundesliga und ihre Struktur wurden zuletzt kontrovers diskutiert.

Der Rugby-Bundesligaausschuss ist für den Spielbetrieb im Fünfzehner- und Siebener-Rugby zuständig und arbeitet meist leise im Hintergrund. Im zu Ende gehenden Jahr rückte die Arbeit des RBA aber für mehrere Wochen in den Fokus von Rugby-Deutschland. Reformvorschläge, Punktabzüge und personelle Veränderungen waren die Gründe. Wir haben uns nun mit dem RBA-Vorsitzenden Kai Nagel unterhalten, der auf die Kontroversen zurückblickt aber den Blick auch auf das Jahr 2024 richtet.

 

TotalRugby: Hallo, Kai, schön, dass du dir die Zeit für ein Interview nimmst und mit uns auf die turbulenten letzten Wochen und Monate zurückblickst. Könntest du uns bitte in deine Rolle als Vorsitzender des RBA und die Aufgaben des Rugby-Bundesliga-Ausschusses (RBA) erläutern? Die Strukturen sind vielleicht nicht allen vertraut, die sich für das sportliche Geschehen Bundesliga interessieren.

Kai Nagel: Der RBA setzt sich aus vier gewählten Vorständen zusammen: dem Vorsitzenden, seinem Stellvertreter, einem Vorstand für die Fünfzehner-Bundesliga und einem für den Siebener-Rugby-Spielbetrieb. Unsere Hauptaufgabe ist es, die Interessen der Bundesligisten gegenüber dem Verband 'Rugby Deutschland' zu vertreten. Des Weiteren organisieren wir den Spielbetrieb der Bundesliga und richten die Deutschen Meisterschaften im Siebener aus. Hier sind wir ein reines Durchführungsorgan. Wir fungieren weiterhin als Schnittstelle zwischen den Schiedsrichtern bei der Durchführung des Spielbetriebs und dem 7er Turnier. Des Weiteren sollen wir Ideen entwickeln, wie sich die Bundesliga weiter entwickeln kann und gerade deshalb hat es mich gereizt, in diesem Gremium tätig zu werden.

TR: Mit Blick auf das turbulente letzte Jahr: Es gab einige personelle Veränderungen im RBA. Wie habt ihr die Rücktritte von Werner Cromm und Herbert Lüdke bewältigt?

KN: Der Rücktritt langjähriger Mitglieder und Gestalter sind immer eine Herausforderung. Der Rugby-Verband und die Vereine verdanken Werner und Herbert in meinen Augen viel, die Bundesliga würde ohne ihre langjährige Arbeit nicht so aussehen wie sie aussieht. Ihre Nachfolge anzutreten, ist keine leichte Aufgabe, aber mit Helmut Kraiger und Sven Neubert haben wir würdige Nachfolger gefunden. Der Vorstandsposten für den Siebener ist derzeit noch kommissarisch besetzt, aber wir sind optimistisch, dass Oliver Gust bei der nächsten RBA-Sitzung bestätigt wird.

TR: Wie hast du das letzte Jahr aus sportlicher Sicht gesehen?

KN: Sportlich gesehen gab es keine großen Überraschungen. Die Titel wurden unter den Favoriten ausgemacht, und sowohl Frankfurt 1880 im Fünfzehner-, als auch die RG Heidelberg im Siebener-Rugby haben ihre Stärke bewiesen. Mit dem SC Neuenheim, welcher beide Endspiele erreicht hat, hatte jeder einen würdigen Endspielgegner. Der eigentliche Kampf fand jedoch hinter den Kulissen statt, besonders bei den Lizenzbedingungen.

TR: Bei der Lizenzvergabe im Sommer gab es viele Nebengeräusche. Wie hat sich das auf die Bundesliga ausgewirkt?

KN: Die Situation war kritisch. Ein striktes Durchsetzen der Bedingungen, welche sich die Vereine vor Jahren gegeben haben, hätte die Liga gefährdet. Ein gutes Drittel der Vereine hätte, sofern man sich strikt an die Vorgaben gehalten hätte, die sich die Klubs selbst auferlegt haben, die Lizenz nicht erhalten. Schlussendlich haben zwei Erst- und zwei Zweitligisten nun einen Punktabzug erhalten.

Das im Sommer bei der RBA-Sitzung mit dem Präsidium ausgehandelte Gentlemen-Agreement war ein notwendiger Kompromiss, aber es offenbarte auch die tieferen Probleme, die wir dringend angehen müssen. Es ist frustrierend, wenn alle zustimmen, aber dann Teils bei der Sitzung Anwesende direkt danach mit Anwälten drohen, wenn es um die Umsetzung geht.

TR: Die Konflikte wurden zum Teil offen ausgetragen. Wie siehst du die Kommunikation und den Umgang miteinander im Verband?

KN: Es gibt definitiv Verbesserungsbedarf. Der Gebrauch von Anwaltsschreiben und die persönlichen Animositäten sind nicht produktiv. Wir müssen uns auf die Sache konzentrieren und gemeinsam an Lösungen arbeiten, besonders im Hinblick auf die Jugendarbeit und die Stärkung der Vereine. Nach meiner Meinung sollte jemand, welcher mit Rücktrittsforderungen gegenüber anderen um sich wirft, selbst darüber nachdenken, ob er an der richtigen Stelle sitzt. Bei all den heimlichen Intrigen komme ich mir manchmal vor wie in einem römischen Forum. Nur ein Gedanke von mir, wir fordern Respekt und ein hartes aber faires Spiel auf dem Platz von unseren Sportlern. Man kämpft bis zum Ende, aber wenn man verloren hat, respektiert man den Gewinner. Jeder der schon einmal auf dem Platz gestanden hat kennt dies und beherzigt dies auch abseits des Platzes. Leider haben wir auch Personen die diesen Spirit nie erfahren haben.

TR: Müsst ihr euch vielleicht den Vorwurf gefallen lassen, etwas zu forsch vorgegangen zu sein? Beispielsweise auch mit den Vorschlägen für eine Strukturreform der Liga, die hätte eingleisig werden sollen?

KN: Wir haben damals einen Vorschlag gemacht, die Liga zu reformieren, die Stuktur anzupassen - auch um den Unterbau, die 2. Bundesliga zu stärken - der wurde von der Mehrheit der Vereine abgelehnt und damit hatte sich das Thema aus unserer Sicht erledigt. Uns für die danach aufgetretenen Probleme bei der Lizenzvergabe zu kritisieren, das ist ein anderes Thema. Wir setzen Regeln um, die wir nicht gemacht haben, weswegen ich die Kritik nicht unbedingt nachvollziehen kann.

TR: Wie könnte denn deiner Meinung nach eine Strukturreform aussehen, was wären die ersten Schritte in diese Richtung?

Kai Nagel: Zuerst müssen wir einen klaren Plan entwickeln und ehrlich die Probleme angehen. Erstens, wie wir die 1. Bundesliga strukturieren, um die 2. Liga zu stärken. Denn die zweite Liga stirbt gerade einen langsamen Tod.

Die künftige Struktur würde ich am liebsten einfach halten, so dass Außenstehende leicht den Plan erkennen. Für jemand der Rugby nicht kennt, ist das Spiel Herausforderung genug. Vor allem aber steht, dass die Jugendarbeit die absolute Priorität sein muss. Erst wenn wir ein starkes Fundament haben, können wir größere Schritte in Richtung Eigenständigkeit und Vermarktung der 1. Liga machen. Oft habe ich das Gefühl, dass wir den 2. Schritt vor dem ersten machen wollen. Zuerst die Jugendarbeit, dann die Ligareform und dann irgendwann die großkopferten Ideen, gerne auch mehr Eigenständigkeit der Liga, denn auch dafür bin ich angetreten.

TR: Du hast von Fundament gesprochen, was meinst du damit?

Kai Nagel: Ein starkes Fundament in jeder Sportart ist die Jugendarbeit. Ohne eine gesunde Jugend kann es keinen Spitzensport geben. Ich bin von Anfang an angetreten, um die Vermarktung und damit die Relevanz des Rugby in Deutschland zu stärken. Jedoch sehe ich noch viel Arbeit in den Vereinen, um dieses Ziel zu erreichen. Man vergleicht sich gerne einmal mit dem großen Vorbild dem Rundball und vergisst aber dabei, dass man hier in vielen Vereinen keine Jugendliche mehr im Verein aufnehmen kann, so groß ist der Andrang. Wenn jeder zu sich ehrlich ist, sind wir hier im Deutschen Rugby noch weit entfernt. Wir können da auch in Richtung Handball, Eishockey oder Basketball schauen - da gibt es viele gute Beispiele.

TR: Wie siehst du die Vereinsarbeit im Moment im Bereich Jugendarbeit?

KN: Es gibt einige Leuchttürme, aber in der Masse kämpft jeder Verein mit den Basics. So hatte ich vor Jahren schon einmal ein „Train the Trainer – Programm“ für alle Jugendtrainer angeregt, was jedoch auf taube Ohren gestoßen ist. Dies sollte den Vereinstrainern Impulse geben wie Jugendtraining attraktiver gestaltet werden kann und gleichzeitig in die Vereinsstrukturen schauen und dort Hilfestellung geben wie der Verein die Mittel zur Verfügung stellt um eine Rugby-Jugend zu schaffen.

TR: Das soll dann eine Ergänzung zur bereits existierenden Trainerausbildung in Deutschland sein?

KN: Natürlich, aber dort lernt man in einer Seminarumgebung die Grundlagen wie so ein Training auszusehen hätte. Aber wie ist der Alltag? Meine Idee ist es hierzu Trainer für die Trainer in die Vereine zu schicken und diese beobachten das Training über die Woche. Setzten sich dann anschließend mit dem Verein zusammen, um Konzepte zu entwickeln, wie der Verein weiterkommt. Nicht der Verein kommt zum Verband, sondern der Verband zum Verein und hier wäre eine Zusammenarbeit zwischen Landesverbänden und dem Dachverband von größter Bedeutung. Natürlich scheitert dies im Moment an zwei Dingen, dem Willen und dem Geld.

TR: Mit Blick auf den DRT im Februar - inwiefern glaubst du, dass der Wille für Reformschritte besteht? Stichwort Punktesystem in der Bundesliga, um die Jugendarbeit zu fördern, sowie eine mögliche Strukturreform?

KN: Der DRT im Februar ist ja für das Jahr 2023 und wird uns die Möglichkeit geben, potenzielle Initiativen zu besprechen. Bereits jetzt gibt es ja im Hintergrund Arbeitsgruppen, die sich Gedanken über künftige Strukturen machen und konstruktive Vorschläge, beispielsweise auch von Hannover 78. Im Sommer 2024 ließen sich dann tatsächlich Änderungen beschließen. Aber gleichzeitig ist auch klar, dass der Reformwillen nicht überall gegeben ist. So können sich die Hannoveraner Vereine frühestens für 2025/2026 Änderungen vorstellen. Früher wäre mir Liga, vor allem auch, weil die zweite Liga bis dahin vor sich hin darbt.

TR: Welche Hoffnungen und Ziele hast du persönlich für das nächste Jahr?

KN: Ich hoffe auf eine stärkere Zusammenarbeit, weniger Konflikte und konkrete Schritte hin zu einer stärkeren, gerechteren und nachhaltigeren Bundesliga. Es ist ein langer Weg, aber ich bin zuversichtlich, dass wir mit der richtigen Einstellung und harter Arbeit große Fortschritte machen können.

TR: Danke, dass du dir die Zeit für dieses Gespräch genommen hast.

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Kommentare (1)add comment

Heinz-Jürgen Seip said:

1982
Das Schweigen der Lämmer
Mir ist es ein Rätsel, wie nach der RBA Sitzung in München das ganze Vorhaben wieder beim RBA Vorstand und drei, vier treibenden Hanseln liegt. Der Rest der Community hingegen sich in Schweigen/Nichstun hüllt. Oder Anwälte mit sinn- und hirnlosen Schriftsätzen reich macht. Von dem Honorar kann ein/e Trainer:in mindestens 25 Stunden für den Aufwand entschädigt werden. Ganz zu schweigen von den unentgeltlichen ehrenamtlichen Diskussionen im Weltverband. Lieber Kai, die Hoffnung stirbt zu Letzt. Chippy
Januar 10, 2024

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