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WM-Erweiterung & Nations League: World Rugby beschließt kontroverse Weichenstellungen
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Dienstag, 24. Oktober 2023

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Der Webb Ellis Cup - 2027 werden 24 statt bisher 20 Teams um ihn spielen.

Wenige Tage vor der Entscheidung bei der Rugby-WM 2023 hat der Rat von World Rugby am Endspielort in Paris wichtige Weichenstellungen für die Zukunft des Sports getroffen. Die größte Reform des Welt-Rugbys im Herren-Bereich seit Jahrzehnten betrifft sowohl die Weltmeisterschaft, als auch die neue Nations League, die jedoch länderübergreifend auf viel Kritik stößt. Darüber hinaus erhalten die Frauen erstmals eine Abstellungspflicht auf internationaler Bühne.

Die Spekulationen waren zuletzt mehr und mehr geworden und jetzt ist es Gewissheit: Dem Weltrugby stehen die tiefgreifendsten Veränderungen seit der Professionalisierung vor knapp drei Jahrzehnten bevor. Ab dem Jahr 2026 werden die 24 besten Nationalmannschaften im Herren-Bereich alle zwei Jahre die sogenannte Nations League in zwei Staffeln ausspielen.

Dazu wird bereits die kommende Weltmeisterschaft 2027 in Australien mit 24 Teams ausgetragen. Sechs Vierer-Gruppen, statt wie bisher vier Fünfer-Gruppen, spielen dann Down Under die Teilnehmer in der K.O.-Runde aus, die um ein Achtelfinale erweitert wird. Vier weitere Teams werden damit im Vergleich zum bisherigen Modell die Chance erhalten, sich auf der größten Bühne im Welt-Rugby zu präsentieren.

Da eine Runde Gruppenspiele entfällt, kann das Turnier 2027 Down Under im Oktober und November 2027 insgesamt um eine Woche verkürzt werden. Kritiker besonders aus den alteingesessenen Rugby-Nationen befürchten mehr einseitige Spiele und verweisen auf den Auftritt der Rumänen bei dieser Weltmeisterschaft. Doch insgesamt wird der Schritt von vielen Seiten begrüßt.

Ebenso positiv ist die spätere Auslosung der Gruppen für die WM 2027, die nun erst Anfang 2026 stattfinden soll, nachdem die Gruppen für die jetzige WM bereits im Dezember 2020 ausgelost wurden. Das wiederum hatte dazu geführt, dass die fünf Top Teams allesamt auf einer Hälfte des Tableaus landeten.

Einführung der Nations League - Wachstum oder Sicherung des Status Quo?

Bei World Rugby betont man, dass man den Sport global wachsen lassen wolle. Genau dem widerspricht aber die zweite große Novelle, zumindest wenn man den zahlreichen Kritikern zuhört. Denn bereits ab 2026 wird es alle zwei Jahre eine Nations League über die bisher bereits bestehenden Länderspielfenster im Sommer und November geben. Im Juli werden Nationalteams aus der Südhemisphäre ihre Nord-Rivalen empfangen und im November reisen die Süd-Teams dann in den Norden.

„Mehr Spiele, bei denen um etwas geht“ hatte World-Rugby-Präsident Bill Beaumont bereits vor Monaten als Mantra der Anstrengungen des Weltverbands ausgegeben. Dessen einstiger Vize und späterer Herausforderer, der Argentinier Agustin Pichot, hatte vorige Woche in einem vielbeachteten Interview explizit vor dieser Reform gewarnt.

„Viele Verbände versuchen den Old Boys Club zu bewahren“, wie der einstige Pumas-Kapitän warnt - sein Vorwurf lautet, dass die alteingesessenen ihre Pfründe sichern wollen und so verhindern, dass Rugby wirklich zu einem globalen Sport wird.

Konkret sollen die Top-12-Teams der Welt in einer Nations League erster Klasse gegeneinander antreten. Dazu zählen die Six-Nations-Teams, die jetzigen Teilnehmer der Rugby Championship, sowie Japan und Fidschi. Darunter wird es eine parallel dazu stattfindende Liga mit den zwölf darunter liegenden Teams geben. Beide Staffeln werden mit einem Endspiel kulminieren.

Kritik an vierjähriger Aussetzung von Auf- und Abstieg, sowie Organisationsstruktur

Auf- und Abstieg soll es aber frühestens 2030 geben und Details müssen noch ausgearbeitet werden. Das heißt, dass Teams wie Samoa, Tonga, Chile, Portugal und Georgien, die zuletzt alle starke Resultate gegen Top-Teams im Welt-Rugby erzielen konnten, mindestens vier Jahre aus der Top-Division ausgeschlossen sein werden.

Dazu wird nur der untere der beiden Nations-Leauge-Wettbewerben von World Rugby organisiert. Die privatwirtschaftlich organisierten Six Nations und SANZAAR (die Organisation hinter der Rugby Championship) werden die Kontrolle über den Top-Wettbewerb haben, was zu Interessenskonflikten führen dürfte, da potenzielle Absteiger aus der Top-Liga Anteile an den Organisationen World Rugby und SANZAAR haben.

Laut übereinstimmenden Quellen wurde bei der heutigen Abstimmung über die Einführung der Nations League die nötige Drei-Viertel-Mehrheit im Rat nur hauchdünn erreicht. Unter anderem stimmte Argentinien gegen die Neuerungen, dem Vernehmen nach aus Solidarität mit den südamerikanischen Nachbarn Chile und Uruguay.

Trotz aller Kritik verspricht World-Rugby-CEO Alan Gilpin, dass es im nächsten WM-Zyklus eine 50%-Steigerung in Spielen zwischen den Tier-1-Teams, sowie den Nationalmannschaften der zweiten Reihe geben werde. Wie, müsse man noch ausarbeiten. Darüber hinaus erklärte der Franzose, dass die vierjährige Aussetzung von Auf- und Abstieg zwischen den Nations-League-Staffeln ein Kompromiss sei, ohne den es den Wettbewerb und die Reformen nicht gegeben hätte.

Die Organisation der Nations League alle zwei Jahre dient vor allem, um die Touren der British and Irish Lions zu erhalten, die für die beteiligten Verbände ein großer Einnahmeposten sind.

Sind die Reformen eine Chance für das deutsche Rugby?

Wie die Qualifikation für die Nations League B ablaufen soll, hat World Rugby noch nicht verkündet. Derzeit steht Deutschland auf Rang 32 der Weltrangliste, jedoch auch hinter Teams wie der Schweiz und Honkong, die man zuletzt schlagen konnte. Dazu stehen die vom internationalen Sport ausgeschlossenen Russen ebenso noch im Ranking.

Rugby-Deutschland-Sportdirektor Manuel Wilhelm befürchtet, dass die „Kluft zwischen den Etablierten und den aufstrebenden Rugby-Nationen durch die Nations League noch größer wird“. Statt einer Abschottung würde sich Wilhelm mehr Möglichkeiten zur „Teilhabe und Entwicklung“ wünschen.

Aus deutscher Sicht jedoch überwiegen seiner Einschätzung nach die Chancen, besonders aufgrund der Erweiterung der WM auf 24 Teams: „Wir glauben, dass die deutschen Männer und Frauen riesige Entwicklungspotenziale haben und die WM und ihre Übertragungen hat zum wiederholten Male gezeigt, dass auch Rugby als Sportart in Deutschland sehr gut angenommen wird.“

Jetzt sei die Zeit „eine gemeinsame Strategie für Förderung der Fünfzehner-Nationalmannschaften zu entwickeln“, auch wenn die Mechanismen zur Förderung bei World Rugby teils intransparent seien.„Gleichzeitig sind wir als Rugby Deutschland - und dabei schließe ich die Vereine und Landesverbände ausdrücklich mit ein - nicht aus der Verantwortung raus, gemeinsam eine realistische Zielsetzung und davon abgeleitete Strategie für unsere Nationalmannschaften zu diskutieren, zu beschließen und am wichtigsten dann auch in der Konsquenz auch umzusetzen.“

Erstmals auch Abstellungspflicht im Frauen-Bereich - bessere Rahmenbedingungen mit Blick auf England 2025

Mit der zunehmenden Professionalisierung im Frauen-Bereich gibt es nun auch erstmals ein verpflichtendes Abstellungsfenster, in dem Klubs ihre Nationalspielerinnen freigeben müssen. Dazu wird es weniger Überschneidungen zwischen Vereins- und Länderspielrugby geben. Insgesamt soll dem stark wachsenden Frauen-Rugby mit Blick auf die auf 16 Teams erweiterte WM 2025 in England ein besserer Rahmen gegeben werden.




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