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Vier TR-Thesen zu den Six Nations 2022
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Dienstag, 22. März 2022

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Mit großen Hoffnungen gestartet, am Ende auf dem Boden der Tatsachen angekommen - Schottlands bittere Realität nach den Six Nations 2022.

Die Six Nations 2022 sind Geschichte. Nach einem Abschluss-Wochenende, das so schnell niemand vergessen wird, gibt es einiges zu analysieren. Wir sprechen über die Gewinner und Verlierer des großartigsten Rugby-Turniers der Welt.

Frankreich & Irland sind derzeit eine Klasse für sich, müssen aber kommendes Jahr abliefern

Les Bleus gebürt alle Ehre. Die XV de France hat nach zwölfjähriger Durststrecke nicht nur endlich wieder einmal die Six Nations gewonnen, sondern gleich auch noch die Konkurrenz dominiert und den Grand Slam komplettiert. Das Team strotzt vor Talent, hat spielerische Finesse und brutale Stärke zu bieten und hat dazu nun auch noch mentale Stärke unter Beweis gestellt.

Was die Franzosen nun von ihrem Team erwarten, ist klar: Nach drei Finalteilnahmen (1987, 1999, 2011) muss nun der Titel her. Mit dem Heimvorteil im Rücken und einer goldenen Generation auf dem Feld gibt es für Frankreich keine Ausreden mehr. Nach dem überragenden Sieg gegen Neuseeland im November, eben jenem Gegner, der im Auftaktspiel im Stade de France auf les Bleus wartet, scheint keine Hürde zu hoch.

Doch nicht nur Frankreich konnte bei diesem Turnier großartige Form unter Beweis stellen, auch die Iren hinterließen eine mehr als ordentliche Visitenkarte. Mit Ihrem überragenden Spielsystem und der Tiefe im Kader konnte Irland die Konkurrenz dominieren, mit der Ausnahme der Franzosen. Auch in Irland steigt mit den Erfolgen, unter anderem dem Sieg über die All Blacks im Herbst, die Erwartungshaltung der eigenen Anhänger.

Anders als in Frankreich muss es jedoch nicht direkt der Titel sein. Sieben Mal scheiterten die Boys in Green bei Weltmeisterschaften im Viertelfinale. Auf der grünen Insel spricht man schon von einem Viertelfinal-Trauma. Dieses hinter sich zu lassen wäre für Coach Andy Farrell schon Erfolg genug. Alles darüber hinaus ist eine Zulage.

Aus europäischer Sicht heute, genau 18 Monate vor dem WM-Start, werden Frankreich und Irland die besten Chancen haben, die Südhemisphären-Dominanz beim Rugby World Cup zu brechen. Bis dahin wird aber noch viel Wasser die Seine herunterlaufen.

Italien hat plötzlich eine Six-Nations-Perspektive

Es ist gerade einmal wenig Wochen her, da diskutierte die Rugby-Welt noch über die Möglichkeit eines Ausschlusses der Azzurri aus dem Turnier. Das italienische Team schien schlicht hoffnungslos abgeschlagen und meilenweit von einem Sieg. Selbst die starken Resultate der italienischen Nachwuchsteams – die U20 hat die Six Nations mit drei Siegen aus fünf Spielen abgeschlossen – wollte die Kritiker nicht besänftigen.

Coach Kieran Crowley konnte insofern in Ruhe seiner Arbeit nachgehen, als dass sowieso niemand etwas von diesem Team erwartet hätte. Doch der Neuseeländer wusste natürlich auch um die Früchte der Reformen von Conor O’Shea. Der Ire war sein Vorvorgänger und hatte in seiner Amtszeit bis 2019 zwar keine grandiosen Siege für die Azzurri einfahren können, aber dafür das Nachwuchssystem des Verbandes komplett umgekrempelt.

Paolo Garbisi war 14, als Italien zuletzt ein Six-Nations-Spiel gewann - nun steht er für die Azzurri-Renassaince

Die Früchte seiner Arbeit kann Crowley nun ernten. Spieler wie Michele Lamaro, Tomasso Menoncello, Gianmarco Lucchesi und nicht zuletzt Paolo Garbisi sind innerhalb kürzester Zeit zu Leistungsträgern für Italien geworden. Italien stellte in diesem Jahr im Schnitt die jüngste Mannschaft mit nur rund 23 Jahren.

Verbinder Paolo Garbisi ist mit seinen 21 selbst in dieser Mannschaft noch einer der jüngeren. Wer wissen will, wie viel Talent in den jungen Rugger aus Venedig steckt, muss nur nach Montpellier schauen. Dort ist Garbisi nämlich als Profi angestellt und verdrängt dort regelmäßig Springboks-Zehner Handré Pollard auf die Bank.

Der erste Sieg nach 36 Six-Nations-Spielen hat Italien Hoffnung gegeben und die Perspektive ist für dieses Team nun da. Jedoch werden die Azzurri wohl auch in den kommenden Jahren eher Kandidat auf den Wooden Spoon, als auf den Titel sein. Doch die Six Nations sind umso besser, wenn ein wettbewerbsfähiges Team aus Italien daran teilnimmt – und das scheint künftig der Fall zu sein.

Einzig in Georgien dürfte diese Nachricht nicht unbedingt mit Wohlwollen aufgenommen werden. Die Lelos haben sich gestern den nächsten Gesamtsieg in der Rugby Europe Championship gesichert. Trotzdem scheinen die Six Nations nun noch einmal weiter entfernt zu sein.

Vizeweltmeister England enttäuscht erneut

Zum zweiten Mal in Folge beendet England die Six Nations mit zwei Siegen aus fünf Spielen. Damit kann sich der Vizeweltmeister angesichts der Voraussetzungen nicht zufrieden geben. Das Mutterland hat den reichsten Verband, den größten Spielerpool, den bestbezahlten Trainer und zumindest in England sind viele davon überzeugt, dass die Premiership die weltbeste Liga ist.

Tatsächlich hat Coach Eddie Jones in diesem Jahr einen Umbruch im Team gewagt und Spielern wie Marcus Smith, Freddie Steward und Harry Randall viel Spielzeit gegeben. Doch was bringen einem dermaßen aufregende Spieler, wenn sie taktisch an die Leine gelegt werden. Nur ganz selten traute sich Verbinder Smith die Kunststücke, mit denen er die Harlequins zu Meisterschaft verholfen hatte.

Eddie Jones versuchte mit Marcus Smith und Co. den Umbruch - doch Englands Offensive stotterte ungemein

Im Gegenteil, Englands Taktik beruhte auf vielen Kicks und wenig Versuchen mit dem Ball in der Hand etwas anzustellen. Passenderweise erzielte England den einzigen Versuch gegen Frankreich, als Smith seine Hintermannschaft einmal in Szene setzte. Insgesamt aber wirkte das englische Team im Stade de France weitestgehend chancenlos. Insgesamt erzielte das Mutterland nur acht Versuche in fünf Spielen – 2019, sechs Monate vor dem Finaleinzug bei der WM waren es noch 24!

Am Stuhl von England-Trainer Jones wird dennoch nicht gerüttelt. Die RFU veröffentlichte direkt im Anschluss an das Turnier gestern eine Pressemitteilung, laut der man mit dem Fortschritt des Teams zufrieden sei. Man wollte eine Trainerdiskussion direkt im Keim ersticken, doch inwiefern Jones die Mannschaften im sechsten Jahr seiner Amtszeit noch weiter bringt, bleibt fraglich.

Immerhin hat England bei der WM eine einfache Gruppe erwischt und bekommt es mit Japan, Argentinien und Samoa zu tun. Ein Aus in der Gruppenphase scheint da zumindest unwahrscheinlich, aber der Traum vom ersten Titel seit 2003 scheint aktuell kein realistischer zu sein.

Der schottische Hype war wohl verfrüht

Kurz vor dem letzten Spiel der Schotten in Dublin machte das Team noch einmal Schlagzeilen. Nein, es ging dabei nicht um Sportliches, im Gegenteil. Nach dem 33-22 Sieg der Bravehearts in Rom, bei dem das Ergebnis das Kräfteverhältnis beider Teams nicht unbedingt wiedergegeben hat, nahm sich eine Gruppe von Spielern die Freiheit den Sieg mit ein paar Bier über den Durst zu feiern.

Das wäre soweit auch keine Schlagzeile wert, wäre da nicht die Vorgeschichte. Nach mehreren Vorfällen hatten sich das Trainerteam und die Mannschaft selbst eine Sperrstunde auferlegt und den Alkoholkonsum während des Turniers limitiert. Dass nun ausgerechnet Kapitän Stuart Hogg, Verbinder Finn Russel, der bereits vor zwei Jahren wegen eines ähnlichen Vergehens aus dem Team geflogen war, sowie eine Reihe von weiteren Topspielern diese Regeln brach, ist alarmierend.

Darauf folgte eine sang- und klanglose Niederlage gegen Irland, nachdem man zuvor zwei Jahre lang gegen die Iren konkurrenzfähig war. Seit dem Auftaktsieg gegen England enttäuschte das Team auf ganzer Linie. Verfrüht sind im Nachhinein die Hoffnungen darauf, dass Schottland nun wieder ernsthaft um den Titel mitspielt.

Hogg, Russel, Price, Gray und Co. sind begnadete Spieler und Schottland hatte selten dermaßen viel Talent im Team. Dennoch scheint die Chemie zwischen den Coaches und den Führungsspielern nicht zu stimmen. So wird es nichts mit Titeln und einer Sensations-WM, wie im Jahr 2015.

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