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TR-Vorschau Six Nations: Das historische Duell zum Auftakt
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Donnerstag, 4. Februar 2021

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2018 konnte Finn Russel England entzaubern, gelingt ihm das Kunststück erneut? Foto (c) Ripke

Für Rugby-Fans sind es die ovalen Feiertage - die fünf Wochenenden im Winter/Frühjahr, an denen sich die Rugby-Elite Europas in den großen Arenen zum alljährlichen Wettkampf im ältesten Rugby-Wettbewerb der Welt trifft. Sicherlich wird es ohne Zuschauer nicht dasselbe sein, doch was wäre der Winter ohne Six Nations, wie soll man ohne Rugby durch den Lockdown kommen? Bei uns ist die Vorfreude in jedem Fall riesig, zumal der Titelkampf in diesem Jahr offener denn je ist. Den ersten Härtetest gibt es für Titelverteidiger England direkt am Samstag.

Italien - Frankreich
Samstag 6. Februar 15:15, Stadio Olimpico Rom (Live bei DAZN)

Zum Auftakt der Six Nations gibt es im Römer Olympiastadion das Duell der Gegensätze. Die favorisierten Franzosen gastieren bei Italien, dem Team, das seit 2015 kein einziges Six-Nations-Spiel mehr gewonnen hat. Gab es für die Franzosen in Rom einst noch erhebliches Stolperpotenzial - immerhin hatten les Bleus 2011 als Grand-Slam-Titelverteidiger und nur sechs Monate vor ihrem World-Cup-Finaleinzug in Rom verloren und das Kunststück 2013 wiederholt - scheint eine Überraschung dieses Mal fast ausgeschlossen zu sein.

Und das obwohl Coach Fabien Galthié eine Reihe von Leistungsträgern fehlt: Angefangen beim zuletzt überragenden Verbinder Romain Ntamack (Rückkehr zum 3. Spieltag anvisiert), über Achter Aldritt (Knieverletzung) bis zu Superstar-Innen Vakatawa (ebenso am Knie verletzt). Doch wenn Frankreich in letzter Zeit eines bewiesen hat, dann dass les Bleus über eine beneidenswerte Tiefe verfügen. Immerhin hatte das französische B-Team Vizeweltmeister England im Finale des Autumn Nations Cup am Rande einer Pleite.

Italien dagegen geht mit geringen Erwartungen in dieses Turnier. Trainer Franco Smith will das Team perspektivisch wettbewerbsfähig machen und hat einen sehr jungen Kader nominiert. Hakler und Kapitän Luca Bigi ist mit 29 der älteste Spieler im Kader. Altgediente Profis wie Jayden Hayward wurden aussortiert. Derweil sind drei Spieler im Kader unter 20 - Smith muss aufpassen, dass er sie nicht zu früh verheizt.

 

Versuch mit 180 Sachen: Gabin Villière, der Samstag den Vorzug vor Damien Penaud erhält

Frankreich-Trainer Galthié hatte trotz Verletzungssorgen für diesen Samstag die Qual der Wahl. Auf Außen wird der überragenden Damien Penaud nur auf der Bank starten, Teddy Thomas und Ex-Siebener-Ass Gabin Villière erhalten zunächst den Vorzug. Auf der Zehner-Position startet wenig überraschend Mathieu Jalibert, der bereits im Herbst seine Sache gut gemacht hat. Brice Dulin ersetzt den verletzten Thomas Ramos auf Schluss, der 21-jährige Arthur Vincent vertritt Virimi Vakatawa.

Bei den Italienern setzt der südafrikanische Coach Smith weiter auf Paolo Garbisi als Verbinder. Der 20-jährige hatte im Herbst Licht und Schatten gezeigt, angesichts seines blutjungen Alters hofft Smith, dass Garbisi in diese Rolle wachsen wird. Im Sturm wird Jake Polledri schmerzlich vermisst - er wird durch den gebürtigen Südafrikaner Johan Meyer von Zebre ersetzt.

TotalRugby-Prognose: Seien wir ehrlich, alles andere, als die 28. Italien-Niederlage bei den Six Nations in Folge wäre eine riesige Überraschung - trotz französischer Verletzungssorgen. Zu stark waren les Bleus zuletzt und zu wenig wettbewerbsfähig zeigten sich die Italiener. Das Duell mit Frankreichs B-XV im November beim Autumn Nations Cup ging mit 36:5 klar an Frankreich, wobei les Bleus erst in Durchgang zwei so richtig aufdrehten und den Azzurri die Versuche zwei bis fünf einschenkten. Auch am Samstag erwarten wir bei frühsommerlichen 21 Grad und Sonne in Rom einen klaren Frankreich-Sieg mit +25 Zählern.

England - Schottland
Samstag 6. Februar 17:45, Twickenham Stadium London (Live bei DAZN)

Es ist das älteste aller Duelle im internationalen Rugby - im März jährt sich das allererste Länderspiel der ovalen Geschichte zum 150. Mal - 1871 trafen in Edinburgh Schottland und England erstmals aufeinander. Seit 1878 ist das Duell als Calcutta Cup bekannt, benannt nach dem Rugby-Klub aus der gleichnamigen indischen Metropole, der sich sich auflöste und sein Vermögen in eine Trophäe investierte, die zum Andenken an ein schottisch-englisches Freundschaftsspiel in der Hitze Kalkuttas von 1872 gestiftet wurde.

Seitdem erhält der Sieger aus dem Länderspiel Schottland-England den Silberpokal mit dem markanten Elefanten auf dem Deckel und den Kobras als Henkel verliehen. Jahrelang hatte das Rugby-Mutterland England quasi ein Abo auf den historischen Henkelpott, doch zuletzt waren die Calcutta-Cup-Duelle wieder spannender geworden, nachdem Schottland 2018 eine zehnjährige Durststrecke gegen den Erzrivalen mit einem überragenden Triumph daheim beenden konnte.

Auch im Jahr danach konnte Schottland wieder überzeugen - das aus schottischer Sicht geradezu unglückliche 38:38 war dennoch das beste schottische Ergebnis seit 1989 im Londoner Rugby-Tempel Twickenham. Letztes Jahr schlug das Imperium dann in einer wenig ansehnlichen Regenschlacht in Edinburgh zurück. Folglich tritt England nicht nur als Vizeweltmeister, Sieger des Autumn Nations Cup 2020 und Six-Nations-Titelverteidiger an, sondern auch als Titelverteidiger im diesjährigen Cup-Match mit Schottland.

England ist damit sicherlich Favorit, gleichwohl sollte niemand Schottlands Chancen unterschätzen. Trainer Gregor Townsend hat immerhin eine Mannschaft beisammen, die vom Talent her deutlich besser einzuschätzen ist, als die schottischen Teams der letzten Jahre. Nach seinem Fehlen im Vorjahr nach einem Alkohol-Skandal wird Finn Russel wieder Schottlands Spiel als Zehner antreiben.

England wird wohl auch in Abwesenheit von Dampframme Manu Tuilagi auf eine ähnliche Taktik wie zuletzt setzen. Statt der Aufstellung mit zwei Spielmachern mit Ford und Farrell, wird nur der Saracens-Profi Farrell als Verbinder auflaufen, sein Partner Ford kommt von der Bank. Auf der Zwölf startet mit Ollie Lawrence ein erst 21-jähriger Innen aus Worcester, der von seiner Spielweise her an Tuilagi erinnert.

Die einzige Aufgabe des Six-Nations-Debütanten wird es sein, England über die Vorteilslinie zu bringen. Ihm gegenüber wird mit Cameron Redpath ein ebenso erst 21-jähriger Innen stehen, der genauso gut hätte für England auflaufen können. Der in England aufgewachsene Sohn einer Schottland-Legende hatte sich aber für die Heimat seines Vaters entschieden (Siehe TR Top 6) und  wird nun auch gegen einige Spieler antreten, die er noch sehr gut aus englischen U-20-Zeiten kennt.

Im Sturm könnte England am ehesten verwundbar sein. Mit Mako Vunipola (an der Achillessehne verletzt), Joe Marler (fehlt aus familiären Gründen) und Kyle Sinckler (wegen unsportlichem Verhalten gesperrt) fehlen gleich drei Props, die fit für England gesetzt sind. Mit Ellis Genge und Will Stuart ist solider Ersatz da, aber hier gilt Vorteil Schottland.

Magier Finn Russel ist zurück und will an seine großartigen Leistungen gegen England anknüpfen

Die Gäste wiederum müssen auf ihren dritten Hakler zurückgreifen - George Turner wird in Abwesenheit von George McInally und Fraser Brown zu seinem zwölften Schottland-Einsatz kommen. Sollte der Glasgow-Mann in der Gasse ein ruhiges Händchen bewahren, wäre der Verlust nicht allzu groß. Auf der Bank wartet Gary Graham auf seine Chance in der dritten Sturmreihe.

Finn Russel, der wohl aufregendste Verbinder im Welt-Rugby, wird Schottlands Spiel von der Zehn aus lenken. Kapitän Stuart Hogg spielt auf der Zehn und die beiden Importschotten Duan van der Merwe und Sean Maitland besetzen die Außen-Positionen. Englands Spielmacher Farrell hingegen hat nach dem Abstieg seiner Saracens seit dem Endspiel im Autumn Nations Cup am ersten Dezember-Wochenende kein Spiel mehr gemacht, genauso wie Maro Itoje und Elliot Daily.

TotalRugby-Prognose: Viel wird in dieser Partie davon abhängen, wie sich der Kampf bei den Standards entwickelt. Vor einem Jahr hatte England hier ein großes Übergewicht und zwar nicht nur sprichwörtlich - so konnte Eddie Jones Team in einem wenig ansehnlichen Spiel am Ende gewinnen. Schottland ist in diesem Jahr hier besser aufgestellt und hat auf der Dreiviertelreihe mit der Achse Russel-Redpath-Hogg ein Kreativ-Trio, um das so selbst einige der Top-10-Nationen Schottland beneiden dürfte, während hinter Englands Farrell einige Fragezeichen stehen. In der dritten Sturmreihe dürfte England wiederum besser dastehen, mit Tom Curry, Billy Vunipola und Marc Wilson - damit ist der Vizeweltmeister leicht favorisiert und auch wir bei TR sehen die Engländer am Samstag-Abend mit einem knappen Sieg und +3 Zählern vorne.

Wales - Irland
Sonntag 7. Februar 16:00, Millennium Stadium Cardiff (Live bei DAZN)

600 Arbeiter waren wochenlang damit beschäftigt das Millennium Stadium wieder in das zu verwandeln, für das es einst um die Jahrtausendwende gebaut wurde: Rugby-Spiele der walisischen Nationalmannschaft zu beherbergen. Denn bis zum Ende des Jahres 2020 fungierte das Cardiffer Nationalstadion noch als Notlazarett, unter dem offiziellen Namen Dragon’s Heart Hospital, um zusätzliche Bettenkapazität für das strapazierte walisische Gesundheitssystem zu schaffen.

Nun wird auf dem Rasen des ovalen Pilgerorts der Waliser am Sonntag erstmals wieder Rugby gespielt. Natürlich ohne Publikum, noch immer ist die Zahl der Neuansteckungen innerhalb von sieben Tagen auf 100.000 Einwohner gerechnet in den Städten von Süd-Wales bei 98 bis 150. Doch allein dies ist schon ein Fortschritt, waren die Zahlen vor wenigen Wochen noch Teils doppelt und drei Mal so hoch. Mittlerweile ist in Großbritannien aber bereits mehr als 20% der Bevölkerung geimpft und es ist ein Licht am Ende des Tunnels in Sicht.

Ob das für die Waliser auch gilt, wird man spätestens am Sonntag gegen 18 Uhr wissen. Für Coach Wayne Pivac könnten es, sollte die akute Formschwäche seines Wales-Teams weitergehen, bereits die Abschiedstour sein. Der Neuseeländer könnte, wenn man Medien-Gerüchten traut, durch einen anderen Neuseeländer ersetzt werden. Crusaders-Erfolgscoach Scott Robertson sei wohl sehr am Wales-Job interessiert und auch die offiziellen vom Verband WRU seien nicht abgeneigt.

Wales muss auf jeden Fall liefern, nachdem das Team im Vorjahr als Titelverteidiger in der Endabrechnung nur Fünfter wurde. Direkt zum Auftakt Irland zu Gast zu haben ist dabei sicherlich kein Wunschkonzert aus Sicht von Coach Pivac. Dieser setzt bei seiner Aufstellung auf viel altbewährtes Personal, muss aber auch rotieren. George North rückt auf die zweite Innen-Position und in Abwesenheit von Liam Williams kommt Hallam Amos zu einem seltenen Start-XV-Einsatz.

Louis Rees Zammit kommt vier Tage nach seinem 20. Geburtstag zu seinem Six-Nations-Debüt im Millennium Stadium und ersetzt Josh Adams - dieser ist nach einer Party zur Bekanntgabe des Geschlechts seines werdenden Kinds, entgegen aller Corona-Regeln, für zwei Spiele gesperrt. Das Spielmacher-Scharnier bilden Tomos Williams und Dan Biggar, im Sturm ist Taulupe Faletau nach langer Pause zurück. An seiner Seite feiert der 33-jährige Dan Lydiate nach guten Leistungen für die Ospreys seine Rückkehr ins Wales-Team als Flanker.

Wenig beeindruckt zeigte sich davon Ex-Irland-Flanker Stephen Ferris, der Lydiate im irischen Radio attestierte seine besten Jahre schon hinter sich zu haben und das würde er ihm auch ins Gesicht sagen. „Die ganze Zeit durch die Gegend rennen und Leuten in die Beine springen, damit kommst du nur zu einem gewissen Punkt“, so Ferris weiter.

Fast auf den Tag genau ein Jahr ist das letzte Duell beider Teams her: Irland setzte sich in Dublin gegen Wales durch

Ferris Selbstbewusstsein dürfte symptomatisch für die Herangehensweise der selbstbewussten Iren stehen, die sich Chancen auf den Titel ausrechnen. Johnny Sexton wird die irischen Gäste in seinem mittlerweile zwölften Six-Nations-Turnier als Kapitän auf das Feld des Millennium Stadium führen und das Mittelfeld bestehend aus Brecher Henshaw und Feingeist Ringrose mit Bällen füttern.

Außen hoffen Keith Earls und der Six-Nations-Debütant James Lowe (mehr zu ihm hier) auf ihre Chancen. Schluss spielt Ex-Siebener-Ass und Oktoberfest-7s-Teilnehmer von 2017 Hugo Keenan.  Conor Murray auf der Neun scheint wieder unumstritten, nachdem Coach Andy Farrell im Herbst mit Jamison Gibson-Park experimentierte. Mit Sexton bildet er das erfahrenste Halb-Verbinder-Duo.

Im Sturm erwartet man in Irland viel einem Rückkehrer - Prop Tadhg Furlong kommt von der Bank und dürfte als mobiler Ballträger gegen müde werdende Waliser viel Schaden anrichten können. Starten werden Cian Healy und Andrew Porter, ebenso zwei äußert spielstarke Erste-Reihe-Stürmer.

Für Andy Farrell wird es im zweiten Jahr als Irland-Coach die nächste Bewährungsprobe. Die ersten beiden Duelle gegen Wales, bei den Six Nations 2020 und im Autumn Nations Cup, gingen jeweils an sein Team. Sicherlich steht Farrell nicht unter dem Druck, wie ihn gerade sein Gegenüber Pivac erlebt. Doch auch auf der grünen Insel gibt es zahlreiche Kritiker des aktuellen Coaches, der unter anderem ein weniger enges taktisches Korsett und mehr Spielfreude versprochen hatte.

TotalRugby-Prognose: Wales ist zurück am Ort der vielen Triumphe und auch wenn das fanatische Publikum fehlt, wird das Team davon profitieren, an den Ort der Erfolge zurückzukehren. Wie das Team von Wayne Pivac mit dem Druck umgehen wird, bleibt abzuwarten. Die wackligen Vorstellungen im Herbst, der gescheiterte neue Pivac-Spielstil und die Ergebniskrise dürfte auf den Spielern lasten. Ein Ergebnis zu holen dürfte das allerwichtigste sein aus walisischer Sicht. Irland wirkt in erster Linie stabiler und hat vor allem im Gedränge große Vorteile. Wir bei TR sehen das Spiel enger als viele Experten auf der Insel, glauben aber, dass sich Irland am Ende mit +5 Punkten durchsetzen wird.

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Letzte Aktualisierung ( Freitag, 5. Februar 2021 )
 
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