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TR-Gegnervorschau Georgien: Der „schwerste, stärkste und ekelhafteste Sturm der Welt“
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Mittwoch, 14. Februar 2018

Im Herbst stand Georgien kurz vorm großen Coup in Cardiff - doch Wales konnte mit miesen Tricks den Kopf aus der Schlinge ziehen. Foto (c) Perlich
Im Herbst stand Georgien kurz vorm großen Coup in Cardiff - doch Wales konnte mit miesen Tricks den Kopf aus der Schlinge ziehen. Foto (c) Perlich

Am Samstag erwartet unsere DRV XV in Offenbach der ultimative Test in der Rugby Europe Championship - das absolute Spitzenteam Georgien. Die seit Jahren stärkste Mannschaft der REC gilt trotz des Ausrutschers im Vorjahr, mit der unerwarteten und hauchdünnen Niederlage in Bukarest gegen Rumänien, die den zweiten Gesamtplatz bedeutete, als der absolute Topfavorit des Turniers. Die „Lelos“ genannte Nationalmannschaft des Kaukasus-Landes befindet sich gerade in London, wo England-Coach Eddie Jones seine Männer gegen den in seinen Augen „schwersten, stärksten und ekelhaftesten Sturm“ der Welt wertvolle Trainingszeit geben will. Für den Weltmeister-Coach steht fest: Die Georgier haben beste Sturm im Welt-Rugby.

In der ersten Runde der Rugby Europe Championship hatten die Lelos Belgien daheim mit 47:0 abgefertigt und dabei noch einige Top-Stars wie Clermont-Flanker Viktor Kolelishvili geschont. Doch auch in der in Georgiens zweitgrößter Stadt Kutaisi aufgebotenen XV befanden sich einige prominente Namen - die erste Sturmreihe setzte sich aus Toulon-Prop Levan Chilachava, Stade-Français-Prop Zurab Zhvania und Ex-Toulon und Montpelier-Hakler Shalva Mamukashvili zusammen. Sowieso sind Georgiens Gedränge und der eisenharte Sturm die absoluten Prunkstücke der Lelos.

Die ehemalige Sowjet-Teilrepublik hatte schon vor der Unabhängigkeit von Moskau die Reputation besonders harte Männer fürs Ringen und den Kampfsport in den Sowjet-Nationalmannschaften hervorzubringen. Ironischerweise steht mit Giorgi Begadze ein Veteran des neuntägigen Krieges mit Russland im Jahr 2008 im Kader der Lelos. Seit der Unabhängigkeit Georgiens von Moskau ist das Land im Kaukasus dem Rugby-Sport verfallen, der seit mindestens zehn Jahren als Georgiens beliebtester Sport gilt, während Rugby in Russland weiterhin eine untergeordnete Rolle spielt.

 

Georgien bei der Rugby-WM bei der Rugby-WM

Dabei hatten sich erst in den 1960er-Jahren die ersten Rugby-Klubs in Georgien formiert, viel später als bei uns oder in Russland. Das Spiel jedoch erinnert stark an ein traditionell zwischen verschiedenen Dörfern ausgetragenes Duell namens Lelo Burti, bei dem die Männer eines Dorfes versuchen einen 7 kg schweren Lederball in ihr Dorf zu tragen. Ohne jegliche Regeln kann man sich lebhaft vorstellen, welch physische Angelegenheit ein solches Spiel ist. Kein Wunder, dass Georgien derart starke Stürmer entwickelt hat.

Doch abseits seiner Sturmstärke entwickelt sich das Rugby im Kaukasus-Land auch spielerisch zusehends weiter. In ganz Georgien schießen Rugby-Akademien aus dem Boden - hinter dieser Entwicklung steht unter anderem auch Ex-Premierminister Bidzina Ivanishvili, der als finanzieller Gönner im dortigen Rugby auftritt.

Ein Spross dieser Entwicklung ist Gela Aprasidze, der am vergangenen Wochenende Georgiens Gedrängehalb gegen Belgien war. Der erst 20-jährige und mit 74 kg bei 1,75 m Körpergröße äußerst schmächtige Neuner hatte vor genau einem Jahr gegen Deutschland sein Nationalmannschafts-Debüt gegeben. Noch bevor Aprasidze das erste Mal den Ball berührt hatte, wurde er jedoch bereits wieder vom Feld geführt. Er hatte beim Tackle-Versuch gegen den von der Acht aufbrechenden deutschen Stürmer Timo Vollenkemper dessen Knie gegen den Kopf bekommen und musste mit einer Gehirnerschütterung vom Feld.

Wie sich Aprasidze in den zwölf Monaten seither entwickeln sollte, war damals nur schwer abzusehen. Doch der junge Gedrängehalb aus der Hauptstadt Tbilisi rechtfertigte das vom neuseeländischen Nationaltrainer Milton Haig ihmgegenüber entgegengebrachte Vertrauen. Noch im Juni spielte Aprasidze die in Georgien ausgetragene U-20-WM, bei der er durch mehrere spektakuläre Versuche von sich Reden machte. Das war auch den Scouts in der französischen Top 14 nicht entgangen.

 

Georgiens Supertalent Aprasidze


So spielt Aprasidze mittlerweile beim französischen Star-Ensemble, dem momentanen Top-14-Tabellenführer Montpelier. Dort konkurriert der blutjunge Georgier unter anderem mit dem 88-fachen Springbok-Neuner Ruan Pienaar um Spielzeit. Doch auch in Montpelier kommt Aprasidze dennoch auf seine Einsatzzeiten - im European Rugby Champions Cup auswärts beim englischen Meister Exeter lieferte er seine bislang beste Leistung im Montpelier-Maillot ab: Neben seinen typischen blitzschnellen Runs mit dem Ball konnte Aprasidze den fast 40 kg schwereren englischen Nationalstürmer Matt Kvesic mit einem Try-Saver an einem Versuch hindern. In Montpelier hat der junge Georgier zudem den Luxus mit Zweite-Reihe-Hühne Mikutaudze sowie den beiden Props Kubriashvili und Nariashvili ein kleines georgisches Kontingent zu haben, um ihn im fremden Land zu unterstützen.

Im Herbst hatten die Lelos ihre starke Form unter Beweis gestellt und dabei Kanada (54:22) sowie die USA (21:20) daheim besiegen können und sich in Cardiff beim 6:13 gegen Wales mehr als achtbar aus der Affäre gezogen. Dabei hatten die Georgier sich gegen die Waliser in der Schlussphase bis an die Linie herangekämpft und standen kurz vor dem Ausgleich. Wales konnte sich damals lediglich mit einem miesen Trick aus der Affäre ziehen, indem man trotz augenscheinlich fitter Props den Schiedsrichter davon überzeugte, die Gedränge gegen absolut überlegene Georgier ohne Druck spielen zu lassen.

 

Im Herbst hatte Georgien unter anderem Kanada daheim abgefertigt


Wie bereits im Vorjahr kommt mit der augenscheinlichen Schwäche der Italiener im Sechs-Nationen-Turnier und der Stärke Georgiens in Großbritannien erneut die Diskussion auf, ob Italien nicht durch die Lelos bei den Six Nations ersetzt werden sollte. In Georgien nimmt man diese Diskussion sehr wohl war und tut alles um sie zu befeuern. Georgien-Coach Milton Haig wird nicht müde zu betonen sobald ein Mikrofon in seiner Nähe ist, dass sein Team die Chance verdient hätte. Nachdem man im Vorjahr mit der Jungend-Offensive den Titel in der REC verspielt hatte, wird sich Coach Haig den Fehler nicht noch einmal begehen.

Man will alle Argumente in der Hand haben - dass die mittlerweile auf Platz zwölf in der Weltrangliste (zwei Plätze vor Italien und nur zwei hinter Frankreich) rangierenden Georgier eine Chance verdient hätten steht außer Frage. Doch noch scheut man bei den Veranstaltern diesen schritt, vor allem aufgrund des weitaus geringeren kommerziellen Potenzials des relativ armen Kaukasus-Landes im Vergleich mit Italien. So ist auch von den Georgiern zu hören, dass World Rugby von den privaten Six-Nations-Veranstaltern dazu gedrängt wird, keinesfalls ein direktes Duell zwischen Italien und Georgien zuzulassen.

Für Deutschland wird das Duell mit Georgien die mit Abstand größte Herausforderung während der Rugby Europe Championship. In den sechs bisherigen Duellen mit den „Lelos“ konnte Deutschland keinen einzigen Erfolg einfahren - im Gegenteil, das Punkteverhältnis von 32:302 spricht Bände über die Machtverhältnisse. Auch im vergangenen Jahr setzte es in Rustavi in Georgien gegen eine georgische Mannschaft, die ohne eine Reihe von Top-Spielern gegen unsere DRV XV angetreten war, eine klare 6:50 Niederlage, bei der lediglich zwei Straftritte von Raynor Parkinson das deutsche Punktekonto bedienten.

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Zurab Zhvania (GEO)   3
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Guillaume Rouet (ESP)   3

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Lasha Khmaladze (GEO)   4

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Pedro Bettencourt Avila (POR)   8
Valentin Calafateanu (ROM)   5
Ramil Gaysin (RUS)   4
Chris Hilsenbeck (DRV)   4

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Yellow Cards - REC Division 1A

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Mathieu Visensang (ESP)   1
Giorgi Nemsadze (GEO)   1
Javier de Juan (ESP)   1
Zurab Zhvania (GEO)   1

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Red Cards - REC Division 1A

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