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TR-Review Six Nations: England siegt nach kontroverser TMO-Entscheidung
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Sonntag, 11. Februar 2018

Try-Saver von Englands Underhill - dieses Tackle sichert England den Sieg über Wales. Foto (c) Six Nations ltd.
Try-Saver von Englands Underhill - dieses Tackle sichert England den Sieg über Wales. Foto (c) Six Nations ltd.

Es war das hochklassige Duell auf Augenhöhe, dass sich Rugby-Fans in Großbritannien erhofft hatten - im absoluten Spitzenspiel dieser Runde gaben sich die ewigen Erzrivalen England und Wales über 80 Minuten im Londoner Rugby-Tempel Twickenham rein gar nichts. Am Ende entschied eine kontroverse TMO-Entscheidung das Duell mit und zwar zu Gunsten des Gastgebers. Irland sicherte sich gegen Italien in Dublin schon zur Halbzeit den Bonuspunkt - immerhin konnte Italien das Ergebnis in Durchgang zwei respektabel halten und erneut unter Beweis stellen, dass man in der Lage ist die besten Defensiv-Reihen zu knacken. Am Sonntag gelang Schottland ein spätes Comeback, nachdem Frankreich weite Teile der Partie dominiert und bis zuletzt geführt hatte.


Irland 56 - 19 Italien

Es war der überzeugende Sieg, den sich die Iren im Titelkampf gegen Italien erhofft hatten. Acht Versuche und merkliche Verbesserungen im Spielerischen stellten Irland-Coach vollends zufrieden. Doch der Sieg gegen gerade in der ersten Hälfte hoffnungslos unterlegene Azzurri musste sich Irland teuer erkaufen. Innendreiviertel Robby Henshaw, mit zwei Versuchen einer von Irlands besten gestern, wird ebenso wie Prop Tadh Furlong verletzt vom Feld. Beim besten Tighthead Prop Irlands war die Partie bereits nach weniger als drei gespielten Minuten vorüber. Doch während Furlong bald zurück erwartet wird scheint Henshaws Schulter-Verletzung ernsthafterer Natur zu sein.

Auf dem Platz hatte Irland die Vorgaben von Coach Joe Schmidt bestens umgesetzt - präziseres Spiel gerade von der Gasse aus, die Plattform für gleich mehrere Versuche wurde, manifestierten Irlands Dominanz. Nach zehn Minuten beherzter Italien-Verteidigung war es ein Doppelschlag von Gedrängehalb Conor Murray und Henshaw, der die Italiener erstmals so richtig ins Wanken brachte. Noch vor der Pause konnten Innen Bundee Aki und Außen Keith Earl bereits für den anvisierten Bonuspunkt sorgen. Italien hatte in der ersten Linie nur selten den Ball gesehen und noch weniger Zeit in der Hälfte der stürmischen Gastgeber verbracht.

Zumindest das sollte sich in Durchgang zwei ändern. Erst schraubten Henshaw, der sich bei seinem zweiten Versuch die Schulter verletzte und durch Debütant Larmour ersetzt wurde und Irlands Hakler und Kapitän Rory Beste die Führung der Grünen um weitere fünf Zähler hoch, dann folgte aber die stärkste Phase der Italiener. Italiens Verbinder Thomasso Allan spritzte durch eine sich ihm bietenden Lücke in der irischen Verteidigung, bevor Gori nach einem schönen Pass von Kapitän Parisse das Ergebnis aus italienischer Sicht respektabler gestalten konnte. Ein Doppelpack von Irlands Nachwuchs-Star auf Außen, Jacob Stockdale, beendete jedoch schnell jegliche Hoffnungen auf ein Azzurri-Comeback.

Einen kurzen Hoffnungsschimmer bot Minozzis Versuch - der italienische Schluss hatte mit einem bravurösen Sprint Irlands Defensive abgehängt. Die kurze Hoffnung auf einen Bonuspunkt für den vierten Versuch machte allerdings Keith Earls zu Nichte. Der Münster-Außen wollte sich nur Minuten später nicht noch einmal überlisten lassen und bewahrte Irland mit einem spektakulären Tackle nur Meter vor der Linie vorm vierten Gegenversuch. Damit trug Italiens spätes Aufbäumen schlussendlich doch keine Früchte. Irland bleibt hingegen im Titelrennen und hat weiterhin beste Chancen auf den Titel, auch wenn mit Wales daheim und England auswärts zwei imminent wichtige Spiele erst noch anstehen. Speziell ein Auswärtssieg im Rugby-Tempel Twickenham am St. Patricks Day dürfte Irland in einen kollektiven Rauschzustand bewegen.


England 12 - 6 Wales

Das traditionell schon hitzige Duell der Nachbarn war durch die warmen Worte, die England-Coach Eddie Jones für den gestrigen Gegner übrig hatte, nur noch hitziger geworden - und das obwohl bei nasskalten Bedingungen in der englischen Hauptstadt. Auf den Rängen und dem Rasen war zu merken wie viel diese Paarung beiden Kontrahenten bedeutet. Die 82.000 Zuschauer im wie immer ausverkauften englischen Rugby-Tempel Twickenham bescherten ihren Helden einen ohrenbetäubenden Willkommens-Applaus.

Diese dankten es ihnen mit einem absoluten Traum-Start ins Spitzenspiel: Außen Anthony Watson schlug Wales-Spielmacher Rhys Patchell in der Luft und brachte das Spielgerät zu Owen Farrell. Dieser setzte an der Mittellinie befindlich einen langen Bodenroller-Kick in den Rücken der  aufgerückten walisischen. Farrells Kick schien deutlich zu weit zu rollen und Adressat Johnny Max hatte noch vier walisische Gegenspieler vor sich, doch der England Außen setzte zu einem unwiderstehlichen 60-Meter-Sprint an und klatschte den Ball im Malfeld einen Bruchteil einer Sekunde vor Wales-Winger Josh Adams zum Versuch auf den Boden.

Nachdem May, der mit einer gestoppten Bestzeit von 10,4 Sekunden auf 100 Metern einer der schnellsten Außen im Welt-Rugby ist, seine 11 Spiele andauernde Versuch-Flaute bei den Six Nations gebrochen hatte, legte er nur Minuten später nach. Erst brachte Englands Sturm den Titelverteidiger mit einigen starken Phasen in aussichtsreiche Position, bevor ein Weltklasse-Offload von Zweite-Reihe-Hühne Joe Launchbury May ohne Gegenspieler ins Malfeld einlaufen ließ. Der Doppelschlag hatte gesessen und England führte nach nur 20 Minuten mit 12:0. Wales hing in den Seilen, obwohl man doch dermaßen ambitioniert in die britische Hauptstadt gefahren war.

Nur Minuten später jedoch schien Wales der direkte Gegenschlag gelungen zu sein. Nach einer Gasse an der 22 und einigen Phasen setzte Verbinder Rhys Patchell einen Weltklasse-Crosskick den Außen Steff Evans zwar nicht kontrollieren konnte, dafür aber mit seinem Knie in das Malfeld beförderte. Wales Schluss Gareth Anscombe und England-Außen Anthony Watson sprinteten nach dem im Malfeld rollenden Ball, der Waliser Anscombe war klar zuerst am Ball und übte mit der Hand genug Druck auf den Ball aus, so dass sich das walisisch-englische Kommentatoren-Team einig war: Das ist ein Versuch. Doch der neuseeländische Video-Referee entschied sich zum Entsetzen der kommentierenden Lawrence Dallaglio und Jonathan Davies und zur Verwunderung der 82.000 im Stadion den Versuch nicht zu geben. Wales-Coach Warren Gatland ließ seinem Ärger nach dem Abpfiff freien Lauf: „Das war eine unglaublich schlechte Entscheidung.“

Sam Underhills Wunder-Tackle hat England wohl den Sieg gegen Wales gesichert

Als eine Mischung aus Unvermögen und heroischer Defensive dann Wales zweite große Chance auf einen Versuch zu Nichte machte, schien sich alles gegen die Gäste verschworen zu haben. Wales hatte nach einigen guten Phasen auf der linken Seite eine 4:1 Überzahl, doch Innendreiviertel Scott Williams, der dritte in der Reihe der vier Angreifer entschied sich nur Meter vor der Linie dazu gen Malfeld auf dem nassen grün zu rutschen als seinen Winger Evans mit dem finalen Pass zu bedienen. Eigentlich eine vermeintlich sichere Wahl - doch England Flanker und Tackle-Maschine Sam Underhill packte den Try-Saver des bisherigen Turniers aus. Wie immer bei Underhill stürzte sich der bullige Flanker auf den bereits Richtung Linie schlitternden Williams und schaffte es tatsächlich ein Körperteil des vermeintlich punktenden Innen ins Aus zu befördern. Das Quäntchen mehr an Geschwindigkeit, das England Minuten zuvor den Versuch beschert hatte, fehlte Wales in dieser Situation.

Die Gäste mussten sich mit mageren drei Penalty-Punkten aus einem vorigen Vorteil begnügen und gingen mit neun Zählern Defizit in die Pause. Durchgang zwei begann mit einem engagierten walisischen Start, doch das Anrennen der in ihrem traditionellen Scharlach/Scarlet-Rot auflaufenden  Gäste brachte zunächst keine Punkte ein. England konnte sich mit hervorragender Defensiv-Arbeit und den Kicks von Farrell und Ford ein ums andere Mal befreien. Defensiv leistete sich England-Schluss Mike Brown bei glitschigem Ball keine Fehler und verdiente sich so Höchstnoten von seinem Coach, der sich gar genötigt sah den mittlerweile ältesten Spieler seines Teams offensiv gegenüber einem BBC-Reporter zu verteidigen.

Ein mittiger Durchbruch nach etwa einer gespielten Stunde vom starken Zweite-Reihe-Stürmer Cory Hill wurde vom Hühnen überhastet mit einem fehlplatzierten Offload beendet. Es sollte schließlich bis fünf Minuten vor dem Schluss dauern, bis Wales endlich einmal nah genug an die Linie kommen sollte, um eine realistische Chance auf einen Versuch zu haben. Doch der sonst defensiv so sichere Brown schlug dem walisischen Gedrängehalb am Boden liegend den Ball aus der Hand. Ein zynisches Foul, das obwohl vom Schiedsrichter-Gespann erkannt, nur einen Straftritt und keine gelbe Karte nach sich zog. Wales entschied sich auf 6:12 und damit weniger als einen Versuch per Straftritt zu verkürzen. Doch nach Englands extrem tiefen Ankick schaffte es Wales nach Phase um Phase nicht aus der eigenen Hälfte herauszukommen. Englands grandiose Defensive erzwang schließlich den walisischen Fehler und so endete Wales Aufholjagd mit einem Vorball.

Die Diskussionen nach dem Spiel fokussierten sich neben dem unglaublich engen und physischen Spiel natürlich auch auf die beiden kontroversen Entscheidungen des Schiedsrichter-Gespanns zu Englands Gunsten. Wales-Coach Gatland war außer sich, doch immerhin bedeuten die beiden bisher eingesammelten Bonuspunkte - einen für die vier erzielten Versuche in der Vorwoche und einen für die knappe Niederlage in London - dass Wales weiter im Titel-Rennen verbleibt. Ein Sieg in Dublin in zwei Wochen wäre dazu allerdings Pflicht - dann wäre der vierte Titel in Gatlands zehnjähriger Regentschaft. England hingegen  stellt mit dem 15. Six-Nations-Heimsieg in Folge einen neuen Rekord auf. Das Team von Eddie Jones befindet sich auf dem besten Weg als erste Mannschaft überhaupt drei Titel beim traditionsreichsten Turnier überhaupt in Folge zu holen.

 

Schottland 32 - 26 Frankreich

Für die beiden großen Verlierer-Teams der ersten Runde der Six Nations hieß es am heutigen Sonntag alles oder nichts, wenn der Titel weiter in Reichweite bleiben soll. Die beiden Coaches Gregor Townsend und Jacques Brunel hatten jeweils ganz unterschiedliche Antworten auf die Frage, wie reißen wir das Ruder rum. Für den knapp 20 Jahre älteren Trainer-Veteranen Brunel hieß die Antwort „zurück in die Zukunft“. Mit dem hocherfahrenen Duo Lionel Beauxis und Louis Picamoles brachte Brunel Erfahrung und vermeintliche Klasse in den Sturm und die Dreiviertelreihe. Und tatsächlich schien die Gleichung zu Anfang aufzugehen. Gleich in Minute zwei klingelte es erstmals in Schottlands Malfeld und was für ein Versuch es war. Der bereits gegen Irland hervorragende Winger Teddy Thomas bekam noch in der Mitte des Feldes den Ball per Überpass. Erst ließ er Russel mit einem Step stehen, bevor er die Linie hinuntersprintete und schließlich Schottland Schluss Stuart Hogg per Step nach Innen aussteigen ließ.

Nur kurz später setzte Beauxis einen Straftritt zur Gasse, doch sein Überkick nach drei Phasen wurde von Schottland gesichert. Doch der schottische Fänger war im Kontakt schnell isoliert und wurde fürs Festhalten am Boden bestraft. Die fälligen drei Punkte konnte Machenaud sichern und Frankreich hatte das noch zuvor in voller Lautstärke dröhnende Murrayfield verstummen lassen. Es sollte eine Viertelstunde dauern, bis Schottland endlich selbst ins Spiel finden konnte. Eine schöne Kombination der beiden Zweite-Reihe-Stürmern Johnny Gray und Grant Gilchrist - ersterer bedienten letzteren per Offlaod, so dass dieser wertvolle Meter machen und im entscheidenden Moment auf Maitland ablegen konnte, der zum 7:10 Anschluss ablegen konnte. Doch Frankreich hatte immer noch Teddy Thomas in seinen Reihen - der Racing-Außen befindet sich in der Form seines Lebens. Erst gelang ihm fast der zweite Versuch nach einem Durchbruch und schließlich schlug er nach nicht einmal einer halben Stunde erneut zu. Auf Außen beschleunigte er erneut unwiderstehlich, kickte über Schluss Hogg und gewann das Rennen zum Ball. Wieder ein Weltklasse-Versuch von Frankreichs bestem Spieler.

Doch in einer atemberaubenden ersten Hälfte hatte Schottland direkt die Antwort parat - Stuart Hogg, in der Defensive zuvor zwei Mal geschlagen, hatte offensiv die richtige Antwort parat. Der schottische Schluss brachte seine Mannschaft tief in die gegnerische Hälfte und hielt den Ball dann per Offload am Leben. Nach zwei kurzen Sturmphasen war es dann Innen Huw Jones, der sich mit einem tollen Run den zweiten schottischen Versuch krallte. Noch vor der Pause jedoch sollte Frankreich die eigene Führung ausbauen können - Schottland verging sich am Gasse-Springer, Beauxis konnte seinen spekulativen Chip unter Vorteil nicht präzise platzieren, so dass Machenaud den fälligen Straftritt sicher über die Stangen treten konnte. Mit 14-20 aus Sicht der Gastgeber ging es somit in die Pause.

Die zweite Hälfte sollte nicht wenig intensiver aber deutlich ärmer an spektakulären Highlights werden. Beide Teams schraubten ihr Punkte-Konto lediglich in Drei-Punkte-Schritten hoch und Frankreich lag nach einer gespielten Stunde 26:20 vorne und sah fast wie der sichere Sieger aus. Doch Schottland, mit den Verstärkungen von der Bank, konnte den Druck noch einmal deutlich erhöhen. Die Folge waren zahlreiche französische Undiszipliniertheiten, durch die sich Schottland über den bombensicheren Kicker Greg Leidlaw nach und nach den Sieg sicherte. Vier Straftritte in fünfzehn Minuten, auf die Frankreich keine Antwort hatte, sichert Schottland am Ende den verdienten Sieg. Zum zweiten Mal in nur einer Woche hatte Frankreich ein sicher geglaubtes Spiel aus der Hand gegeben. Trainer Brunel war mit seinem Versuch gescheitert durch Lionel Beauxis Erfahrung und Ruhe ins Spiel zu bringen. Genau war den Franzosen in Durchgang zwei zunehmend abhanden gekommen. Es droht „Les Bleus“ ein weiterer blamabler vorletzter Platz, wie im Vorjahr. Schottland hingegen kann wieder Hoffnung schöpfen. Der Anschluss an das Spitzenduo England/Irland ist gewahrt. In zwei Wochen hat man zudem im direkten Duell mit Titelverteidiger und Topfavorit England die Chance sich endgültig zum Titelkandidaten zu mausern. Doch dazu müsste Schottland seinen England-Fluch ablegen - zuletzt hatten die Bravehearts gegen England wie das Kaninchen vor der Schlange gewirkt.

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