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TotalRugby-Hintergrund: England unter Eddie Jones - zurück zu alter Stärke
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Donnerstag, 30. Juni 2016

Eddie Jones führte im letzten Jahr die Japaner zu ungeahnten Höhen, mit England könnte ihm der erste WM-Triumph gelingen
Eddie Jones führte im letzten Jahr die Japaner zu ungeahnten Höhen, mit England könnte ihm der erste WM-Triumph gelingen

Auch Spiel drei der Australien-England Serie konnte die neuaufgestellte Nationalmannschaft aus dem Mutterland des Rugbys für sich entscheiden. Damit hat England unter Eddie Jones seit dessen Amtsantritt in neun Spielen neun Siege einfahren können, darunter der Six Nations Grand Slam und die makellose Serie gegen den Vizeweltmeister. Eddie Jones, dem Genie und Fadenzieher hinter dem Japan-Triumph über Südafrika bei der letzten WM, ist es gelungen, Englands Rugby-Nationalmannschaft aus dem tiefsten Loch in die höchsten Höhen zu katapultieren. Wie ihm das gelungen ist, wollen wir im TotalRugby-Hintergrund beleuchten.

Was vor einigen Jahren als der größtmögliche Triumph für die Nationalmannschaft Englands aufgebauscht wurde, geriet zur Katastrophe. Ein Sieg bei der Heim-WM, die größte in der Geschichte des Rugby World Cups, war für die Männer mit der Rose auf der Brust das große Ziel im letzten Herbst. Es wäre der zweite Titeltriumph nach 2003 geworden, als man damals die vom jetzigen Coach Jones trainerten Wallabies auf heimischen Boden im WM-Finale schlug. Man wäre endgültig auf Augenhöhe mit den drei doppelten Weltmeistern aus der südlichen Hemisphäre angelangt.

Die Ausgangslage schien gar keine schlechte zu sein. Der englische Verband ist seit jeher der mit den meisten Ressourcen, Jahr für Jahr kann die RFU eine knappe Viertel-Milliarde in die Nationalmannschaft und den Nachwuchs investieren. In England gibt es mehr Profi-Rugby-Teams als in irgendeinem der Super-Rugby-Länder und insgesamt zählt der Weltverband mehr als 2 Millionen registrierte Rugby-Spieler aller Altersklassen in England, mehr als Südafrika, Neuseeland und Australien zusammen.

 

England Coach Stuart Lancaster: Interimslösung dann Hoffnungsträger und am Ende gescheitert

Nach der WM-Blamage 2011 in Neuseeland, es seien hier nur die Stichworte Zwergenwurf, die Affäre des im britischen Königshaus eingeheirateten England-Kapitäns Mike Tindall, sowie Manu Tuilagis alkoholgeschwängerter Sprung ins Hafenbecken von Auckland und natürlich das Viertelfinalaus gegen Frankreich genannt, stand England vor einem Neuanfang. Die frenetische Suche nach einem neuen Coach resultierte erst einmal in einer Zwischenlösung namens Stuart Lancaster, so dass der Verband RFU eventuell mehr Zeit haben würde, um einen Trainer mit einem für England genügenden Resümé zu verpflichten.

Lancaster hatte mit seinen damals 42 Jahren gerade einmal die Fahrstuhlmannschaft Leeds für drei Jahre, sowie Englands B-Mannschaft Saxons betreut. Doch Lancaster begann gute Resultate abzuliefern, sein erstes Sechs-Nationen-Turnier beendete England auf dem zweiten Rang, einzig dem WM-Halbfinalisten und Grand Slam Gewinner Wales musste man sich geschlagen geben. WM-Finalist Frankreich wurde überraschend in Paris besiegt.

Im Herbst 2012 dann hatte man den amtierenden Weltmeister Neuseeland im heimischen Twickenham Stadion förmlich vom Platz gefegt. Das 38:21 war der höchste englische Sieg gegen die All Blacks jemals und wurde weitestgehend als Zeichen dafür gesehen, dass Lancaster auf heimischen Boden England den Titel bescheren könnte. Aus der Interimslösung wurde der Hoffnungsträger einer Rugby-Nation.

In den folgenden Jahren bis hin zur WM war England immer unter den Top Teams zu finden, die Six Nations wurden von 2012 bis 2015 jeweils auf dem zweiten Platz beendet, aber entweder waren es Wales oder Irland, die einen Tick stärker spielten. Als Angstgegner Wales dann 2014 und 2015 geschlagen wurde, schien auch die Todesgruppe, die den Engländern in der WM-Gruppe zugelost wurde, bei weitem nicht mehr so problematisch. Zumal England unter Lancaster im Vorlauf zur WM mit zwei Siegen und einer Niederlage eine positive Bilanz gegen den anderen Brocken in der Gruppe, die Wallabies, hatte.

Doch bekanntermaßen musste England bei der WM schon in der Gruppenphase blamablerweise bereits die Segel Streichen, in der WM-Geschichte hatte keine Heim-Mannschaft ein schlechteres Ergebnis eingefahren. Das erste schwere Gurppenspiel gegen den alten Rivalen aus Wales wurde knapp und auch aufgrund von falscher taktischer Entscheidungen von Kapitän Chris Robshaw verloren. Australien hingegen spielte mit England über fast die gesamte Spieldauer Katz und Maus. Nicht nur, dass die Wallabies traditionell besser schneller und ansehnlicher Rugby mit dem Ball in der Hand auf der Dreiviertelreihe spielten, sie dominierten die Engländer auch in ihren traditionellen Stärken im Gedränge und Paket und wirkten darüber hinaus noch weitaus fitter.

Das Turnier war also noch nicht einmal zur Hälfte vorbei, da begannen nach dem Ausscheiden schon die gegenseitigen Schuldzuweisungen über die üblichen Rugby-lastigen Zeitungen the Times, Daily Telegraph und Daily Mail. Chris Robshaw wurde sowohl als Kapitän, als auch als Flanker als ungeeignet abgestempelt, die doppelte Sieben mit Pocock und Hooper in der dritten Sturm-Reihe war en vogue. An der späten Nominierung Lancasters des Rugby-League-Konvertiten Sam Burgess wurde ebenso kein gutes Haar gelassen wie am England-Trainer selbst. Ein Leichtgewicht, vor dem die Mannschaft selbst nicht den nötigen Respekt habe war das vernichtende Urteil. Zudem sei seine Ausbootung der Störenfriede Dylan Hartley und Manu Tuilagi, die beide jeweils auf und abseits des Platzes negativ aufgefallen waren, ein großer Fehler.

 

Zurück in die Zukunft mit Eddie Jones

Eddie Jones, immerhin das Taktikgenie hinter dem Springbok-Titel 2007 und der Wallaby-Vizeweltmeisterschaft 2003, hatte indes im Heimatland seiner Mutter erstaunliche Erfolge eingefahren. Japan, ein Land was jahrzehntelang als Rugby-interessiert, aber schlicht als physiognomisch zu klein galt, um oben mitzuhalten. Jones hatte die Brave Blossoms bei der WM zu drei Siegen in vier Gruppenspielen geführt. Seine Akribie, seine jahrelange Planung hin auf dieses Event, sein unglaublicher Ehrgeiz hatten ihn zu diesem erstaunlichen Erfolg geführt. Mithilfe eines rumänischen Sturmtrainers hatte Jones es geschafft die größten Waffen der Südafrikaner, das Gedränge und Paket, weitestgehend zu neutralisieren. Die im Schnitt deutlich schwereren Springboks wurden über 80 Minuten der Begegnung hinweg in Bewegung gehalten. Blitzschnelle Rucks und damit ein schnelles Ball-Recycling zur nächsten Phase und wenig Zeit für die Defensive zum Schließen der Lücken in der Verteidigung, ein cleveres Kickspiel und eine extrem fitte Mannschaft hatten Jones Mannschaft die größte Sensation der WM-Geschichte ermöglicht.

England witterte nun die Chance einen absoluten Toptrainer zu verpflichten, der noch Jahre zuvor in Twickenham als zu altmodisch gegolten hatte. Jones wiederum hatte, in dem Wissen, dass er mit Japan womöglich nicht viel mehr erreichen können würde, für die Saison nach der WM einen Vertrag bei der Super Rugby Mannschaft Stormers in Kapstadt unterzeichnet. Für die reiche RFU war der Freikauf des Australiers mit japanischen Vorfahren allerdings ein leichtes.

Jones ist in gewisser Weise der genaue Gegenentwurf zu seinem Vorgänger Lancaster. Ausgestattet mit fast zwei Jahrzehnten Erfahrung als Trainer auf allerhöchstem Niveau, darunter zwei Mal als Coach der Japaner, sowie als Springboks und Wallabies Trainer. Pragmatisch in seiner Herangehensweise und sehr gewieft im Umgang mit den Medien und dem Gegner. Für seine Psycho-Spielchen war er schon als erfolgreicher Trainer bei den australischen Brumbies bekannt, nun sollte Jones diese Tradition auch als England-Coach fortführen.

Doch in der Vorbereitung auf das diesjährige Sechs-Nationen-Turnier blieben Jones nur wenige Trainingseinheiten vor dem Turnier um die Mannschaft kennenzulernen und sein System zu implementieren. Bei weitem nicht genug für eine derart akribischen Vorbereitung bis ins letzte Detail wie mit den Japanern. Deshalb entschied Jones sich auf die alten englischen Rugby-Tugenden zu besinnen. Ein starkes Gedränge, ein extrem schwerer Sturm der über Pakete wertvolle Meter machen kann. Folgerichtig war dann auch Jones Entscheidung Hakler Dylan Hartley, der noch zuvor unter Trainer Lancaster wegen Undiszipliniertheit aus der Nationalmannschaft rausgeworfen wurden, zum Kapitän zu machen. Das 112 kg schwere Enfant Terrible sollte gemeinsam mit den anderen sieben Stürmern laut Jones "die Angst vor dem englischen Sturm wiederherstellen".

Schon als Australien Coach habe er die Kraft des englischen Gedränge und Paketes gefürchtet und das sei nun mal das Rezept zum Erfolg. Jones Rezept für den Erfolg war erst einmal, zurück zu den Basics, die England einst erfolgreich gemacht hatten. Die Resultate gaben Jones recht. Ein Grand Slam Triumph bei den Six Nations, der erste seit dem Weltmeisterjahr 2003, gaben England Hoffnung. Doch zum einen war Englands Spielweise aufgrund eben jener pragmatischen Herangehensweise von Jones nicht unbedingt schön anzusehen, auch erzielte England mit elf Versuchen in fünf Partien weniger als Irland mit 15 und Wales mit 17 Versuchen.

 

Zweifel an Englands Stärke wurden mit der Dominanz über den Vizeweltmeister ausgeräumt

Weil das Niveau der diesjährigen Six Nations von vielen Beobachtern als besonders dürftig angesehen wurde und auch aufgrund der Tatsache, dass Englands Spieler seit der WM-Vorbereitung im letzten Sommer ohne Pausen auf den Feldern der Rugby-Welt standen, galt England als Außenseiter vor der Australien-Tour. Doch Jones gelang die absolute Wende mit nur einigen wenigen Änderungen im Kader. Hartley und der aufkommende junge Zweite-Reihe-Stürmer Itoje von den Saracens kamen als aggressive und dominante Stürmer und diese Änderungen bewirkten tatsächlich Wunder. Die Dominanz der Wallabies im Gedränge war innerhalb weniger Monate komplett umgekehrt. Die weltweit gefeierte Pocock und Hooper Kombination in der dritten Reihe, sie wurde mehr als neutralisiert. Der wieder aufblühende Brocken in der dritten Reihe der Engländer, James Haskell, spielte eine überragende Serie. Kein australisches Ruck schien sicher und so war es für die Wallabies schwierig ihr schnelles Phasenspiel aufzuziehen.

Jones nahm darüber hinaus Druck von seiner Mannschaft indem er geschickt die Aufmerksamkeit der australischen Presse, die sich äußerste gerne auf englische Wiedersacher einschießt, auf sich lenkte. Vor der ersten Partie in Brisbane verlas Jones schlicht die Wallabies Aufstellung, die seines Ansehens nach das Feld betreten würde. Er selbst hatte einst Australiens jetzigen Trainer Micheal Cheika in Randwick trainiert und führte sich nun in der Öffentlichkeit so auf, als sei er immer noch sein Boss. So sehr, dass sich selbst All Blacks Coach Steve Hansen genötigt sah Cheika zu empfehlen, er solle sich gegen das öffentliche Mobbing wehren. Doch Cheika blieb erstaunlich zurückhaltend und in gewisser Weise färbte das auch auf seine Mannschaft ab. Immerhin "hat Jones mich nicht fett oder glatzköpfig genannt" verkündete der Wallabies-Trainer.

 

 

In den beiden ersten Partien der Serie aus drei Länderspielen kam es tatsächlich zum erwarteten Duell, englische Sturmstärke gegen die schnelle Leichtfüßigkeit der Wallabies. England konnte jeweils beide Duelle mit den guten alten Tugenden, aber auf unansehnliche Weise für sich entscheiden. Doch Jones bewies auch, dass er taktisch alles andere als eindimensional ist und während des ersten Duells mit George Ford neben Owen Farrell einen zweiten gelernten Verbinder auf die Zwölf stellte. Luther Burrell hatte als Dampfhammer auf der Zwölf nicht funktioniert, so dass Jones schon nach 32. Minuten den Wechsel vollzog. Nun funktionierte auch das Zusammenspiel der englischen Hintermannschaft zusehends, so dass England im letzten Spiel vier Versuche auf australischem Boden verbuchen konnte. Das war selbst den All Blacks seit Jahren nicht gelungen, hatten sie doch in den letzten beiden Duelle in Sydney nur ein Unentschieden und eine Niederlage einfahren können.

Für England war die späte Rache für das blamable WM-Aus perfekt. Keine europäische Mannschaft hatte bis jetzt einen "clean sweep", also drei Siege in drei Spielen, auf australischem Boden erreicht. Jones hat bewiesen was er mit den Ressourcen, die ihm in England zur Verfügung stehen, erreichen kann. Mit England wird in den nächsten Jahren zu rechnen sein. Nicht nur im Sturm, auch auf der Reihe wird Jones mit mehr Zeit Englands Spielstil attraktiver gestalten können. Der Sechs-Nationen-Titel wird erst einmal auf Jahre nur über England gehen. Und bei der nächsten WM wird sicher auch mit England zu rechnen sein!

 

 

An englische Spieler in Jubelpose wird man sich gewöhnen müssen.

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Kommentare (1)add comment

Jens Dietrich said:

3851
Nicht alles Positiv
Es gab bein den Six Nations auch negatives was vom Grand Slam überdeckt wurde. Da war die äusserst harte Spielweise, wie die Kopftritte von Brown gegen Connor Murray. Ich weiss in den Rucks ist kicken erlaubt, aber es waren einfach zu viele Treffer.
Die Verbale Entgleisung des Zigeuner Jungen (Gypsy Boy) gegen Samson Lee. Und auch die Aussage von Jones: Sextons Eltern werden es bereuen das Irland seine Verletzung öffentlich machte, sind ungewohnte Provokationen die ich so auch nicht kannte.
Sympahti Punkte gewann die Mannschaft keine. Sicherlich Jones hat die Mannschaft entscheidend verbessert, Itojie in der 2. Reihe ist eine Bereicherung, auch Hartley, Nowell, Brown, spielten auf. Robshaw war wie ausgewechselt und Vunipola war nie so stark wie jetzt. Ausserdem wie oft war jetzt England U20 Weltmeister ?. Aber ich Denke die nächsten 6 Nations sind keine Selbstläufer. Irland wird seine Verletzten Seuche überwinden, und mit O Mahoney, O Brien, den Kearney Brüdern so wie Zebo, Bowe, anders aufspielen. Vor allem wenn Sexton Verletzung frei bleibt. Wales war zu Unkonstant brachte England in der 2. Halbzeit ganz schön ins Schwitzen. Schottland und Frankreich werden sich auch verbessern.
August 02, 2016

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