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TotalRugby-Jahresrückblick: Unsere 5 Flops des deutschen Rugbyjahres 2015
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Mittwoch, 30. Dezember 2015

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Nicht alle deutschen Rugbyprojekte erwiesen sich 2015 als erfolgreich - © Keßler/Schmidt/Facebook

Das Rugbyjahr 2015 war aus Sicht des Deutschen Rugby-Verbands ein erfolgreiches. Insbesondere die Auftritte der Nachwuchsnationalmannschaften sowie das positive Abschneiden der 7er-Jungs kann sich der Verband auf die Fahne schreiben. Nichtsdestotrotz gibt es in Rugby-Deutschland weiterhin auch unzählige Verbesserungspotentiale, weshalb wir für Euch unsere 5 Flops des deutschen Rugbyjahres 2015 zusammengefasst haben:

Flop 5: Die Deutsche Hochschulmeisterschaft

Die Rugby-Hochschulmeisterschaft war in den vergangenen Jahren nicht nur zum größten 7er-Rugbyturnier der Republik geworden, sondern die zahlreichen Studenten und Studentinnen hatten das DHM-Wochenende auch in die größte Rugby-Party des Landes verwandelt. Dabei war der sportliche Wettkampf allerdings immer weiter in den Hintergrund gerückt. Diese Entwicklung gipfelte im Juni 2014 in Göttingen in einer katastrophalen Veranstaltung mit mehr als 80 – teilweise schwer – Verletzten. Keine gute Werbung für die junge Olympische Sportart, weshalb auf einer vom Allgemeinen Deutschen Hochschulsportverband (ADH) einberufenen Arbeitstagung ein Maßnahmenpaket geschnürt wurde, mit dem der sportliche Wettkampf wieder in den Mittelpunkt der Veranstaltung rücken sollte.

Qualität statt Quantität lautete der Slogan. Neben den besten Teams des Vorjahres sollten sich die weiteren Teilnehmer über regionale Vorentscheide qualifizieren. Das nachvollziehbare Ziel: Mehr gutes Rugby und weniger Alkohol. Allerdings fehlte ohne die große Party der finanzielle Anreiz für die potentiellen Ausrichter, weshalb es 2015 nicht gelungen ist, eine Hochschulmeisterschaft auszutragen. Diese Entwicklung ist äußerst bedauerlich, bietet die DHM doch einen großen Anreiz für Studenten jeglicher Couleur, (erstmalig) mit dem Rugbysport in Kontakt zu kommen. Durch die Absage der Veranstaltung gehen eine Vielzahl von Multiplikatoren verloren. Schade!

 

Flop 4: Fan-Interesse an Liga- und Länderspielen

„Gibt es einen LiveTicker?“, „Wird es einen Video-Stream geben?“ - so und so ähnlich lauten die Anfragen vor jeder Deutschen Rugby-Großveranstaltung. Was dem Deutschen Rugby fehlt, sind die Rugbyfans, die in großer Anzahl zu den Veranstaltungen pilgern, um den Sport auch in Deutschland live zu erleben. Länderspiele mit 3000 Zuschauern und ein Meisterschaftsendspiel mit 1500 Zuschauern gelten dieser Tage schon als riesiger Erfolg.

In der 1. Bundesliga verirren sich selten mehr als 300 Leute auf den Sportplatz, häufig sind es deutlich weniger. Dabei zehren unsere Amateursportler von der Unterstützung der Fans, die Vereine benötigen die Einnahmen aus den Eintrittsgeldern und mögliche Sponsoren wollen volle Sportplätze sehen. Sicherlich kann man (berechtigterweise) argumentieren, dass der Sieger der Meisterschaft ja bereits im Vorfeld feststeht und die Vereine sich mehrheitlich auch nicht gegenseitig in ihrem Bestreben übertreffen, ein würdiges Rahmenprogramm zu bieten. Aber ein kühles Bier und eine Bratwurst gibt es noch fast überall und nirgends lässt es sich besser Fachsimpeln als am Spielfeldrand. Wie wäre es deshalb im Jahr 2016, eine Deutsche Fankultur zu etablieren? Die Heimländerspiele gegen Portugal (27. Februar, 15 Uhr in Hannover) und Spanien (19. März, um 15 Uhr in Köln) sowie das Olympia-Qualifikationsturnier unserer 7er-Jungs (18./19. Juni in Moncao) versprechen Rugby auf internationalem Topniveau und unsere Nationalspieler werden mit Eurer Unterstützung im Rücken vielleicht noch etwas schneller rennen und noch beherzter zupacken.

 

Flop 3: Der Tribünenbau im Rugby-Wohnzimmer

Bereits im Februar 2014 hatte die Stadt Heidelberg den ersten Spatenstich zur Erweiterung des Fritz-Grunebaum-Sportpark gesetzt. Innerhalb weniger Wochen sollte Deutschlands größtes reines Rugbystadion eine schmucke Gegentribüne erhalten. Die Bäume wurden gefällt, der „Berg der Wahrheit“ abgetragen, der Trainingsplatz der Rudergesellschaft Heidelberg drastisch verkleinert und sogar das Fundament für die Tribüne wurde gesetzt. Doch dann? Absoluter Stillstand, seit Monaten geht nichts mehr. Hartnäckig halten sich Gerüchte, dass die beauftragte Baufirma pleite gegangen wäre und die Stadt das gesamte Projekt neu ausgeschrieben habe. Das ganze entwickelt sich zu einer peinlichen Posse und der Deutsche Rugby-Verband tat richtig daran, die kommenden EM-Heimländerspiele gegen Portugal (27. Februar, 15 Uhr in Hannover) und Spanien (19. März, um 15 Uhr in Köln) nicht in die Deutsche Rugby-Hochburg zu vergeben. Dass Bauprojekte in Heidelberg auch anders laufen können, zeigt der Blitzbau des von der Wild Rugby Academy in Auftrag gegebenen Rugbykunstrasens. Dieser liegt ironischerweise gerade auf der gegenüberliegenden Straßenseite des zur Dauerbaustelle verkommenen „Rugby-Wohnzimmers“.

 

Flop 2: Der Abgesang auf die 2. Phase der Ligareform

Andere Nationen machen es seit Jahren erfolgreich vor: In regionalen Trainingsgruppen werden die besten und ambitioniertesten Talente zusammengezogen und trainiert. Idealerweise werden diese Trainingsgruppen dann auch noch in einen adäquaten Spielbetrieb integriert. Mit diesem Hintergedanken wurde in einem wahren Kraftakt im Jahr 2012 die Ligareform durchgeboxt. Schließlich sind sich die Experten einig: das heterogene Leistungsniveau der Rugby-Bundesliga taugt nicht, um unsere Sportler auf internationale Aufgaben vorzubereiten, 1-2 fordernde Spiele pro Kalenderjahr sind nicht ausreichend, wenn die Gegner dieses Leistungsniveau Woche für Woche vorfinden.

Das System mit seiner regionalen Einteilung sollte es den Clubs schmackhafter machen, ihre besten Spieler, auch unter der Saison (schließlich hat das Jahr leider nur 52 Wochenenden), für eben diese Trainingsgruppen abzustellen. Ziel war es, das Spielniveau der Nationalmannschaften zu heben und dadurch das Deutsche Rugby in seiner Gesamtheit attraktiver zu machen.

Dass so etwas funktioniert, beweisen die DRV-Trainingsgruppen der 15er- und 7er-Nationalmannschaft in Heidelberg, auch das Europapokal-Team des Heidelberger RK ist nichts anderes als eine Regionalauswahl und nicht zuletzt die 7er-Trainingsgruppe in Hannover hat für große Leistungssprünge bei den beteiligten Sportlern aus der niedersächsischen Landeshauptstadt gesorgt.

Klar gibt es nachvollziehbare Totschlagargumente und berechtigte Eigeninteressen, die gegen eine solche Entwicklung sprechen. Was gefehlt hat, waren Visionen, Solidarität und Entschlossenheit. Ein paar Macher, die den Mut dazu gefunden hätten, sich den Hut aufzusetzen. Stattdessen wurde sich mit Kleinkram wie einer Wiederbelebung des DRV-Pokals und der Abschaffung der Vorrunde in der Deutschen Meisterschaft beschäftigt.

Es bleibt festzuhalten: Das täglich trainierende und rundumbetreute Profiteam ist das Ideal, am Anfang hätten es vielleicht auch monatliche Trainingseinheiten und ein Trikotsatz getan. Schließlich wurde Rom auch nicht an einem Tag erbaut.

 

Flop 1: Das Scheitern der Deutschen 7er-Frauennationalmannschaft

Was für eine Chance haben wir da vertan. Nach dem guten Abschneiden bei den Hannover 7s 2009 hatte der Deutsche Rugby-Verband unter Federführung von Nationaltrainerin Susanne Wiedemann ein schmuckes Konzept zusammengetragen. Die besten Spielerinnen wurden in Köln versammelt, um am Olympiastützpunkt unter professionellen Bedingungen zu trainieren. Zahlreiche Spielerinnen wurden mit Profiverträgen bei der Bundeswehr ausgestattet und Susanne Wiedemann wurde in den Rang einer Profitrainerin erhoben und zum sündhaft teuren Studium an die Deutsche Sporthochschule nach Köln geschickt, als erster Rugby-Übungsleiter überhaupt. Doch das Fazit dieser Anstrengungen liest sich wie eine Bankrott-Erklärung: 2015 wurde der Vertrag mit Wiedemann aufgelöst, von ihren im Studium erworbenen Kenntnissen profitiert jetzt der Deutsche Gehörlosen Sportverband, die Sportlerinnen, die 2015 überhaupt noch bei der Bundeswehr in Lohn und Brot standen (viele Spielerinnen hatten nach Unstimmigkeiten mit der Trainerin schon früher das Handtuch geschmissen oder wurden entlassen), mussten nach dem blamablen Abstieg aus der Bundeswehr ausscheiden. Der tägliche Trainingsbetrieb am Bundesstützpunkt in Köln wurde eingestellt und auch Interims-Coach Michael Hooke konnte nicht an Bord gehalten werden.

Es ist müßig, an dieser Stelle die vermeintlichen Schuldigen für dieses Fiasko auszumachen. Die Trainerin war am Ende isoliert, alleingelassen und überfordert, das Krisenmanagement des Verbands war unzureichend, die Untersüttzung der Rugby-Gemeinde übersichtlich und der Einsatz, das Spielniveau und vor allem das Fitnesslevel der Sportlerinnen nicht immer ausreichend.

Jetzt spielt mit Portugal eine Mannschaft im weltweiten Olympia-Qualifikationsturnier, die keine Profitrainer und –Spielerinnen hatte, deren Sportlerinnen nicht zusammengezogen waren und die zur Vorbereitung nicht an zahlreichen internationalen Turnieren von Vegas bis Dubai teilgenommen hat.

Der Deutsche Rugby-Verband muss nun mit drastisch gekürzten Bundesmitteln für das Frauenprogramm (welches in den vergangenen Jahren aus dem Bundeshaushalt stets eine großzügigere Unterstützung als das Männerprogramm erfahren hat) auskommen, kann sich aber darüber freuen, über eine talentierte U18-Nationalmannschaft und mit Melvine Smith über einen engagierten jungen Trainer zu verfügen. Ein echter Neuanfang also!

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Kommentare (1)add comment

Lars Kallinich said:

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Zum Flop 4
Ich persönlich arbeite leider in einem Beruf bei dem ich zu 80% auch am Wochenende eingesetzt werde.
Ich war jetzt 1 mal beim Stuttgarter RC als Zuschauer dabei, das Hauptproblem das mir aufgefallen ist, dass auch die mediale Präsenz noch nicht professionell ist.
Bei vielen Vereinen fehlt es vermutlich an Manpower, aber oftmals muss man länger suchen bis man Infos bekommt. Websites sind nicht up-to-date etc.
Es muss ja nicht gleich TV - Coverage sein auf sport1 oder eurosport. Ich finde es auch einfach schwer den ganzen Spielbetrieb zu verfolgen.
Dezember 30, 2015

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