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TotalRugby Abroad – Deutsche Rugbytalente auf dem Weg zu neuen Ufern
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Geschrieben von Max Joachim   
Dienstag, 6. Oktober 2009

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Dustin Dobravsky zeigt auch in Kanada seine Durchbruchstärke als Nummer 8

Wer einen Blick in die letzten Nominierungen der DRJ- und DRV-Nationalmannschaften geworfen hat, wird feststellen, dass immer mehr deutsche Talente in ausländischen Vereinen aktiv sind. Damit wir Daheimgebliebenen auch richtig neidisch werden können, berichten einige dieser Spieler in Zukunft hier auf TotalRugby, wie es ihnen in der Ferne so ergeht. Den Anfang macht Dustin Dobravsky.

Dustin Dobravsky hat Jahre lang für die Jugend des DSV Hannover 78 gespielt und ebenfalls für die DRJ U17 sowie 2 Jahre für die DRJ U18. Im letzten Jahr war er Kapitän der deutschen U18-Auswahl, die in Toulouse den Aufstieg in die A-Gruppe geschafft hatte. Im Sommer 2008 ist er nach Victoria in Kanada gezogen, um ein Rugby Internat zu besuchen. Heute berichtet er von seinen Erlebnissen und Erfahrungen seit seiner Ankunft in Victoria.

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Dustin Dobravsky wurde bereits in Kanadas U20-Auswahl berufen
Als ich im September letzten Jahres hier in Victoria ankam, war es ein kompletter Umbruch meines bisherigen Lebens. Das Leben in einem Internat ist komplett durchstrukturiert und man hat nicht viel Zeit, um Langeweile aufzubauen oder auf dumme Gedanken zu kommen. Ich kann nicht einfach mal am Wochenende Party machen oder faulenzen. Freunde findet man hier dafür enorm schnell, sei es durchs Rugby oder über die Leute, mit denen man zusammen lebt. Einer meiner guten Freunde war Carlin Hamstra, der auf meine Schule ging und in ebenfalls in der Rugby-Mannschaft spielte. Jetzt ist er ja für den HRK aktiv.

In meiner ersten Woche an der Schule hatte ich gleich vier Trainingseinheiten und war jeden Abend komplett platt. Die Konkurrenz hier in der Rugby Mannschaft ist so groß, dass man in jeder Trainingseinheit 150% geben muss, um sich am besten für die eigene Position zu empfehlen. Komplett anders also, als das, was ich von Hannover 78 gewohnt war. Mit vier Trainingseinheiten in der Woche plus einen Schulkurs, bei dem es nur darum geht, in den Kraftraum zu gehen und zu trainieren, waren wir aber noch gut bedient. Da die reguläre Saison in Kanada erst im März anfängt und dann die komplette Saison innerhalb von zwei Monaten ausgespielt wird, waren wir noch nicht einmal ernsthaft in der Saisonvorbereitung.

Im Herbst spielt man unabhängig von der Schule Clubrugby, wie man es auch in Deutschland tut. Also kam zu den vier Trainingseinheiten pro Woche von der Schule noch einmal die Woche Club-Training dazu. Belohnt wurden wir für die harte Arbeit dann mit einem Spiel jeden Sonntag mit dem Club.

Als dann der Winter und vier Monaten Schnee kamen, fing die Vorbereitung richtig an. Da die Plätze gefroren waren, ging es nur ums Lauftraining – und das fünfmal die Woche. Ihr glaubt mir nicht, wie glücklich ich war, als es wieder wärmer wurde und die Plätze wieder bespielbar wurden. Dann begannen das Einspielen von Stürmern und Hintermannschaft und das Fein-Tuning. Bei sechs Trainingseinheiten wöchentlich teilweise sogar morgens vor der Schule wurden Gassen, Gedränge und Spielzüge perfektioniert. Anfang März ging es auf eine Rugby Tour nach Irland und Wales, wo wir einige packende Spiele hatten und wir uns perfekt auf die Saison vorbereiten konnten.

Das Saison-Eröffnungsspiel hatte ich sogar verpasst, da ich zu der Zeit mit der DRJ-U18 in Toulon bei der EM war, jedoch war es kein allzu schweres Spiel und wir konnten deutlich siegen. In der ersten Woche nach meiner Rückkehr nach Kanada hatten wir gleich unser wichtigstes Spiel des Jahres gegen unseren Erzfeind der Schule gleich in der Nachbarschaft. Wir hatten das Spiel zu Hause, sodass unsere gesamte Schule schulfrei für den Tag bekam, um uns bei unserem Spiel so viel wie möglich zu unterstützen. Es ist nie das schönste Spiel, jedoch das mit den meisten Emotionen. Es geht um das Prestige in der Gegend. Wir dominierten das Spiel von der ersten Minute an und waren nie wirklich in Gefahr, das Spiel zu verlieren. Ich, spielend als Nummer 8, hatte einen ganz guten Tag und bereitete zwei Versuche vor, sodass wir am Ende mit 27:12 gewannen.

Durch unsere exzellente Fitness und unseren nie zu stoppenden Spielwitz dominierten wir mehr oder weniger die komplette Saison. Daher gingen wir als Nummer eins gesetzt in die Provinzmeisterschaften. Die ersten zwei Runden gewannen wir deutlich mit 85:7 und 67:0. Im Halbfinale dann jedoch trafen wir auf das auf Nummer 6 gesetzte Team „Earl Marriot School“. Dieses Spiel war unser erster richtiger Härtetest im Turnier. In der Videoanalyse am Tag vor dem Spiel hatten wir aber die Defizite in deren Verteidigung festgestellt und ihren schwächsten Verteidiger herausgesucht. Nun ging es nur darum, mit unserer sehr starken Offensive diese Schwächen auszunutzen und mit unserer knallharten Defensive deren schnelle Hintermannschaft aufzuhalten.

Unser Plan ging perfekt auf und wir gewannen letztendlich mit 38:21. Nun standen wir im Finale. Unsere Schule hatte die Provinzmeisterschaften seit 12 Jahren nicht mehr gewonnen, daher lag ein riesiger Druck auf unseren Schultern. Für dieses Finale stellte unsere Schule etliche Busse bereit, um jeden einzelnen unserer 500 Schüler in das knapp drei Stunden entfernte Vancouver zu fahren und uns zu unterstützen. Im Finale wartete nun ein anderer unserer Erzfeinde auf uns, die Schule ist knapp 30 Minuten von uns entfernt und erneut geht es außerdem um das Prestige. Vier ganze Spiele in 7 Tagen gehen schon sehr auf die Knochen und in der Vorbereitung des Spieles ging es hauptsächlich um das Wettmachen kleiner Verletzungen. In der abschließenden Videoanalyse haben wir uns die Schwachstellen und Stärken unseres Gegners genau eingeprägt.

Am nächsten Tag war es dann soweit. Als wir am Vormittag aus dem Kabinenraum auf das Feld liefen, wo uns knapp 1000 Zuschauer im Thunderbird Stadion in der University of British Columbia empfingen, ging der Puls noch einmal auf 180. In den ersten 25 Minuten vom Spiel wurden wir mehr oder weniger überrannt. Wir waren nicht komplett auf dem Platz. Wir fingen einen schnellen Versuch ein und daher war es sehr schwer, wieder ins Spiel zu finden. Jedoch kamen wir ab der 25. Minute besser ins Spiel, sodass ich dann kurz vor dem Halbzeitpfiff ins gegnerische Malfeld einlaufen konnte und es zu einem 7:7 Halbzeitstand kam.

Die zweite Halbzeit fing wieder etwas zerfahren an. Kein Team wollte zu viel riskieren und in einem schnellen Konter einen Versuch fangen. Ab der 65. Minute dann jedoch fingen wir mit unserer exzellenten Fitness an, das Spiel zu dominieren. Wir hatten mehr Ballbesitz, unsere Standards klappten perfekt und wir hatten nun die Sicherheit in den Köpfen, das Spiel zu gewinnen. Schließlich kamen wir in der 68. Minute zu einem schönen Versuch unseres 2. Innens und in der 77. Minute hatte Carlin Hamstra ebenfalls noch einen Versuch, welcher uns zu dem 21:7 Endstand brachte. Als der Schlusspfiff ertönte fiel unglaublich viel Druck von unseren Schultern und wir gewannen die Meisterschaft zum ersten Mal wieder seit 12 Jahren.

Damit endete meine erfolgreichste und beste Rugby-Saison. Im Sommer bekam ich noch weitere gute Nachrichten. Da ich außer einer deutschen auch eine kanadische Staatsbürgerschaft besitze, wurde ich zu einem U-20 Lehrgang der Kanadischen Nationalmannschaft eingeladen, welches jedoch nicht heißt, dass ich nicht mehr für Deutschland spielen werde. Es bedeutet lediglich, dass, wenn ich durch die Schule nicht die Zeit oder das Kapital habe, nach Deutschland zu fliegen, ich hier immer noch auf einem internationalen Top Niveau spielen kann.

Damit verabschiede ich mich für dieses Mal und werde euch weiterhin darüber informieren, was sich hier in Kanada so auf und abseits des Rugbyplatzes tut.

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Kommentare (4)add comment

Schlitzer said:

325
...
Interessanter Bericht.

Aber zum (vor)letzten Absatz habe ich eine Frage an die Experten. Ist es möglich international einmal für Kanada und dann wieder für Deutschland aufzulaufen ? So liest es sich zumindest in diesem Absatz.
Oktober 07, 2009

mulu said:

63
...
@ Schlitzer - ist kein Problem. So lange die Einsätze für Kanada sich auf Nachwuchsmannschaften beschränken.
Oktober 07, 2009

Schlitzer said:

325
...
Ok, das wußte ich nicht. Vielen Dank.
Oktober 07, 2009

Bobby100 said:

102
...
Ja, der "junge" Rugbyspieler Dustin Dobravsky befindet sich auf Vancouver Island, einen der schönsten Spots of the world. Grüsse das Empress Hotel von mir, Dustin... Ich war 1990 das letzte Mal in BC und habe dabei auch ein Vorbereitungsspiel von Canada gegen Ireland im Swanguard Stadium von Vancouver vor ca. 5000 Zuschauern gesehen. Ergebnis 20:20. 1991 hat dann Canada eine gute WM gespielt.... Es war unser Hochzeitstag... und meine liebe Ehefrau war völlig begeistert, was ich mir habe einfallen lassen......ha,ha..
Das Canadische Rugbyniveau ist sehr gut, sodass Dustin viel lernen wird. Seine Aussage, dass er weiterhin für Deutschland spielen wird finde ich super.... Solche "Kerle" braucht der DRV. Wünsche Dir viel Erfolg in Canada und grüsse mir auch den Stanley Park, wo auch oft die Provinzmannschaften von BC und Ontario spielen. Und das Clubhouse dort (only for members), aber Rugbyspieler aus fremden Nationen kommen doch auch hinein.. Das ist eben, was Rugby weltweit ausmacht.....
Freue mich schon auf deine Berichte!!!!!
Oktober 07, 2009

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Letzte Aktualisierung ( Mittwoch, 7. Oktober 2009 )
 
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