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Die Amerikaner und ihre Rugby-Präsidenten
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Dienstag, 3. November 2020

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Der ovale Ballsport hat unter den US-Präsidenten eine lange Geschichte.

In diesen Stunden gehen die ersten Amerikaner an der Ostküste an die Wahlurnen. Über 250 Millionen US-Bürger sind zur Wahl ihres Präsidenten aufgerufen - die beiden aussichtsreichsten Kandidaten sind Amtsinhaber Donald J. Trump und sein demokratischer Herausforderer Joe Biden. Einer von beiden ist Ex-Spieler, bekennender Rugby-Fan und gar mit einem irischen Rugby-Star verwandt - er würde eine lange Historie unter US-Präsidenten fortsetzen, die eine enge Beziehung zum ovalen Leder haben.

In traditionellen Rugby-Ländern ist es quasi eine Selbstverständlichkeit, dass sich unter den Staatschefs zahlreiche Rugby-Veteranen befinden. Drei der letzten vier Premierminister des Vereinigten Königreiches, aus beiden Parteien, sind ehemalige Rugbyspieler: Gordon Brown (Prop), David Cameron (Hakler) und der amtierende Premier Boris Johnson (Sturm, verschiedene Positionen) spielten zu Schul- und Unizeiten und waren auf dem Feld allesamt im Sturm beheimatet.

Jacques Chirac trifft die Spieler des CA Brive, dem Klub für den er in der Jugend einst selbst spielte

In Frankreich denkt man bei diesem Thema vor allem an Ex-Präsident Jacques Chirac, der im Nachwuchs von CA Brive spielte, dem vierfachen französischen Vizemeister und Europacupsieger. Als Achter erarbeitete sich der 1,90-Meter-Mann den Spitznamen Bulldozer - auch während seines Studiums lief er noch für das Team seiner Elite-Universität Sciences Po auf und machte sein Leben lang aus seiner ovalen Leidenschaft kein Geheimnis.

Aber auch in den Vereinigten Staaten, die sonst das Land des anderen ovalen Leders sind, hat der Rugbysport unter den Staatsoberhäuptern eine lange Tradition. Angefangen bei Woodrow Wilson, dem US-Präsidenten während des ersten Weltkriegs. Er war 1878 und 1879 Trainer der allerersten Rugby-Mannschaft der Elite-Uni Princeton, gerade während der Zeit, als mit den Regeln experimentiert wurde und sich die amerikanische Version des Football aus dem Rugby heraus entwickelte.

Neuengland als Rugby-Hochburg und Standort der Elite-Unis und damit Kaderschmieden der USA

Der Rugbysport fristete in weiten Teilen des Landes über das 20. Jahrhundert hinweg ein Schattendasein. Doch in Kalifornien und besonders in Neuengland wurde die ovale Tradition weiter gepflegt, während beispielsweise Cricket fast komplett vom Baseball verdrängt wurde. Auch weil dort ein Großteil der traditionellen Elite-Unis des Landes beheimatet ist, haben viele politische Würdenträger eine ovale Vergangenheit.

So wurde der aus Massachusetts stammende John F. Kennedy in eine Rugby-Familie geboren. Der spätere US-Präsident spielte gemeinsam mit seinen Brüdern Joseph Jr. und Ted Kennedy im Rugby-Team der Harvard-Universität. Bruder Ted, der von 1962 bis zu seinem Tod 2009 für Massachusetts im Senat saß, galt in Washington als der Rugby-verrückteste Sprössling in der Familie. Zu aktiven Zeiten in den 40ern und 50ern erarbeitete er sich einen Ruf als eisenharter Prop und kassierte bei einem Varsity-Spiel gegen Yale gar eine damals noch extrem seltene rote Karte. 

Genauso wie John F. Kennedy, erfreute sich auch Bill Clinton während seiner Präsidentschaft großer Beliebtheit. Wie sein Amtsvorgänger 30 Jahre zuvor, war auch Clinton einst aktiver Rugbyspieler. Jedoch lernte er den Sport erst während seines Oxford-Studiums so richtig kennen. Aus dem American Football kommend stellten ihn die englischen Coaches im Sturm auf - abwechselnd in der zweiten Reihe oder als Flanker. Auf einem Besuch in Wales, erklärte Clinton später, dass die Flanker-Position ihm am liebsten gewesen sei.

„Stell dich ihnen in den Weg und stoppe sie“, dies sei der beste Tipp gewesen, der ihm vor seinem ersten Spiel gegeben worden sei. Ironischerweise war auch sein großer Widersacher Newt Gingrich, der Mehrheitsführer der Republikaner im Kongress in den 1990er-Jahren, ebenso großer Rugby-Fan. Der ehemalige Hakler hatte vergeblich versucht Clinton wegen der Lewinsky-Affäre des Amtes zu entheben. Clintons Nachfolger Bush war politisch gänzlich anderer Couleur, doch so wie beide in Washington bis heute als enge Freunde gelten, verbindet sie auch die Liebe zum ovalen Leder.

George W. Bush im Trikot von Yale Rugby

George W. Bush war Fullback für seine Universität Yale und zuvor bereits an seiner Highschool, der Phillips Academy. Der Texaner und Sohn des Ex-Präsidenten George H.W. Bush war nicht unbedingt der herausragendste Spieler, wie ehemalige Teamkollegen später erklärten. Auf sein Engagement und seine Aggressivität in der Defensive sei Verlass. 2004, im Wahlkampf gegen den Demokraten John Kerry, veröffentlichte die Bush-Kampagne ein Bild Bushs aus seinen Rugby-Tagen, im Nahkampf mit dem Gegenspieler, sicherlich auch um sein Image als „tough guy“ zu untermauern.

Während Barack Obama für seine Basketball-Leidenschaft bekannt ist und Trump nicht müde wird, seinen Golf-Enthusiasmus zu betonen, könnte mit Joe Biden erneut ein Rugger ins weiße Haus ziehen. Biden spielte selbst als Schluss, unter anderem für seine Uni-Mannschaft und ist bis heute bekennender Rugby-Fan. Bei einem Staatsbesuch in Irland während seiner Zeit als Vizepräsident unter Obama, traf er das gesamte Irische Rugby-Team.

Zum Glück musste ich damals nicht gegen Typen wie euch spielen" - Joe Biden zu den All Blacks

Für Biden und die Kearney-Brüder Rob und Dave war das quasi auch ein Familien-Treffen. Denn sie sind mit dem damaligen Vizepräsidenten und heutigen Favoriten auf das Amt im weißen Haus verwandt. Sie haben gemeinsam Ur-Ur-Ur-Großeltern, sind also Cousins fünften Grades. Als die Iren in Chicago 2016 endlich den Bann gegen die All Blacks brachen und erstmals nach 111 Jahren Neuseeland besiegten, zählte Biden zu den ersten Gratulanten.

Auf einem Staatsbesuch in Neuseeland im selbeen Jahr, traf Biden persönlich die All Blacks. Im Gespräch mit den Neuseeland-Stürmern Jerome Kaino und Ofa Tu’ungafasi scherzte er „zum Glück musste ich damals nicht gegen so Typen wie euch spielen“. Die All Blacks wiederum übergaben ihm ein Trikot mit der 15, der Position, die er lange selbst auf dem Rugby-Feld bekleidete.

Sollte Joe Biden also, wie es die Umfragen es prognostizieren, ins Weiße Haus einziehen, hätte die Rugby-Community einen Freund im wichtigsten politischen Amt der Welt. Vielleicht könnte sich dies auch positiv auf die US-Bewerbung zur Austragung des Rugby World Cup auswirken.

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