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Lockdown light in Deutschland: Das deutsche Vereins-Rugby muss vorzeitig in die Winterpause
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Donnerstag, 29. Oktober 2020

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78-Victoria Linden hätte eine der Fritz-Raupers-Cup-Partien am Wochenende eigentlich gehießen - doch in Hannover setzt man den Spielbetrieb schon jetzt aus.

Die Maßnahmen der Bundesregierung zur Eindämmung der zweiten Corona-Welle sind einschneidend und kamen überraschend. Wohl noch vor zehn Tagen hätte kaum jemand mit einem zweiten Lockdown gerechnet, auch wenn er dieses Mal mit einem angekündigten zeitlichen Rahmen und weniger strengen Regelungen erfolgt. Dennoch: Für den Amateursport hierzulande, der den gesamten November über ausgesetzt werden muss, ist es eine harte Prüfung. Bereits an diesem Wochenende kommt der Rugby-Spielbetrieb weitestgehend zum Erliegen und das dürfte sich bis zum Frühjahr kaum ändern.

„Wir haben selbst in der Hand, wie es weiter geht“, so die Bundeskanzlerin Angela Merkel am heutigen Morgen in ihrer Regierungserklärung vor dem Bundestag. Wenige Stunden zuvor hatte das Robert-Koch-Institut (RKI) mit 16.774 Neuinfektionen einen neuen Allzeit-Höchstwert verkündet - Anfang des Monats lagen die täglichen Neuinfektionen noch bei 1300 bis 2600. Seitdem zeigt die Kurve stetig und zuletzt immer steiler nach oben. Besorgniserregend ist, dass rund 75% der Neuansteckungen laut RKI aktuell nicht nachverfolgt werden können, der Ansteckungsort somit unklar bleibt. 

Auch deshalb müsse man trotz existierender Hygiene-Konzepte, unter anderem im Sport, auf die Notbremse treten. Ab Montag geht Deutschland deshalb zurück in einen Lockdown light, der das öffentliche Leben wieder stark einschränken wird. Anders als beispielsweise in Wales, Irland oder im australischen Bundesstaat Victoria, wird dieser aber weitaus weniger restriktiv sein. Das Vereinsleben im Amateursport wird aber mindestens für vier Wochen zu einem absoluten Stillstand kommen.

Colin Grzanna: „Das Socialising drumherum bricht dem Amateursport das Genick“

Colin Grzanna, studierter Mediziner und Cheftrainer Athletik & Medizin beim DRV, kann die Entscheidung nachvollziehen, auch wenn Breitensportarten im Freien laut seiner Einschätzung insgesamt ein „geringes Risiko“ bergen. „Das ganze Socialising drumherum, das Bier in der Kabine nach dem Spiel, das bricht dem Amateursport gerade das Genick“, so Grzanna im Gespräch mit TR. Deshalb sieht ehemalige Charité-Arzt auch die Entscheidung den Spielbetrieb nicht im Herbst zu beginnen, als im Nachhinein validiert an.

„Die Prognose war richtig, nicht weil ich ein Hellseher bin, sondern weil wir von richtig guten Fachleuten beraten wurden“, so Grzanna erläuternd. Einen genauen Überblick über das Infektionsgeschehen im deutschen Rugby habe man zwar aktuell nicht, da keine Meldepflicht seitens der Vereine besteht. Jedoch bestätigt Grzanna, dass ihm von weiteren Fällen neben dem Ausbruch bei Frankfurt und Heusenstamm berichtet wurde - darunter auch in den ovalen Zentren in Heidelberg, Hannover und Berlin.

Grzanna vermutet darüber hinaus, dass viele Fälle in Rugby-Deutschland bisher unentdeckt geblieben seien: „Der einzige Grund, warum wir nicht von mehr wissen, ist dass wir nicht genug getestet haben in den Gruppen. Ich bin mir zu 100% sicher, dass deutlich mehr Vereine betroffen waren.“ Aktuell warte man noch darauf, ob die Olympiastützpunkte weiterhin offen bleiben und so das Siebener-Nationalteam weiter trainieren kann. Als olympische Sportart sei man dahingehend aber guter Dinge. 

Der regionale Spielbetrieb wurde bereits in den letzten Wochen durch immer weiter steigende Infektionszahlen schon erheblich eingeschränkt  - erst musste Berlin seinen Cup-Wettbewerb absagen, dann zog man an Rhein und Main mit dem CT-Cup nach und in Heidelberg kam der dortige Wettbwerb gar nicht erst zu Stande - nun wird er völlig zum Erliegen kommen. In Hannover hätte an diesem Wochenende der vorletzte Spieltag des Fritz-Raupers-Cups ausgetragen werden sollen. Dazu wird es nun nicht kommen, obwohl die neuen Beschränkungen erst am Montag in Kraft treten.

„Das können wir moralisch nicht verantwortenm an diesem Wochenende noch zu spielen, auch wenn König Fußball hier in Hannover anderer Meinung ist“, so Victoria-Linden-Präsident Oliver Gust, dessen Klub am Samstag bei Hannover 78 hätte antreten dürfen. Man hoffe darauf, die Partien sobald wie möglich nachzuholen, wann auch immer sich das realisieren ließe. Bei Hannover 78 wird man sich heute zu einer letzten Trainingseinheit treffen und das Rugby-Jahr danach zumindest in Sachen Training vorzeitig beenden.

Das Heimspiel von Hannover 78 gegen Victoria Listp an diesem Wochenende fällt bereits aus


The last dance in Brandenburg

Lediglich in Brandenburg wird an diesem Wochenende überhaupt noch gespielt, im dortigen Regional-Wettbewerb. Das Bundesland hat die zweitniedrigsten Infektionszahlen in ganz Deutschland mit einem aktuellen Inzidenzwert von 43 - nachdem auch Potsdam heute offiziell zum Risikogebiet geworden ist, nachdem die Landeshauptstadt den kritischen Wert von 50 Neuinfektionen über eine Woche auf 100.000 Einwohner gerechnet überschritten hat, steht zumindest eines der beiden Spiele auf der Kippe.

Für die Adler Potsdam, die die bisher ungeschlagene RU Hohen Neuendorf empfangen, wäre das eine kleine Katastrophe. Immerhin tritt der Traditionsverein nach drei Jahren Pause endlich erstmals wieder daheim im Fünfzehner-Rugby an. Eigentlich, so Klub-Veteran Christof Hannemann, hatte man geplant das Spiel groß aufzuziehen, mit Presse und TV. Das steht nun zumindest auf der Kippe.

Das Rugby-Jahr 2020 in Deutschland wird wohl am Samstag in Potsdam enden, wenn die Adler die RU Hohen Neuendorf empfangen

In den letzten Monaten hatten Amateur-Rugbyspieler unter anderem in Großbritannien neidisch nach Deutschland geschaut. Dort war selbst den Sommer über, als auch dort die Infektionszahlen niedriger waren, Vollkontakt-Rugby nicht erlaubt.  Der Luxus hierzulande wieder spielen zu dürfen ist somit erstmal Geschichte. Wann es wieder losgehen kann, haben alle hierzulande in der Hand. Je mehr Menschen ihre Kontakte beschränken und sich an Hygiene-Regeln, desto schneller wird auch in der Bundesrepublik wieder Rugby gespielt.

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