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Die Lehren aus dem Corona-Ausbruch: „Einhundertprozentige Sicherheit gibt es nicht"
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Donnerstag, 1. Oktober 2020

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Das ovale Leder fliegt wieder, doch mit ihm auch das Corona-Risiko.

Gute zweieinhalb Wochen ist es her, da erreichte das Coronavirus die Rugby-Community, die sich gerade erst aus der langen Pause zurückmeldete, und zwar mit voller Wucht. Drei Vereine waren betroffen, fast einhundert Spieler mussten in Quarantäne. Manche Klubs haben daraufhin ihre Pläne für lokale Cup-Wettbewerbe gestrichen, andere sind dennoch in den Spielbetrieb eingestiegen. Wir haben uns mit den Verantwortlichen der drei Vereine unterhalten, die vom ersten Corona-Ausbruch im deutschen Rugby betroffen waren und sie gefragt, was sie aus dem ersten Ausbruch gelernt habeen.

Frankfurt 1880: „Immer vom Worst Case ausgehen"

Der amtierende Meister Frankfurt 1880 war der erste Verein, der einen COVID-19-Fall zu beklagen hatte (TR berichtete). Dieser löste, auch da der betroffene Spieler Kontakt mit mehren anderen Vereinsspielern und Verantwortlichen auf und neben dem Feld hatte, gleich eine ganze Reihe von Quarantäne-Fällen aus. Im Endeffekt infizierten sich mehrere Frankfurt-Spieler, sowie ein Schiedsrichter, der Teil des Schiri-Gespanns beim Spiel Heusenstamm gegen Pforzheim war.

Alle Herren-Spieler von 1880, die in der Woche vor dem positiven Test im Training waren, mussten in Quarantäne. Dazu weitere Kontakte, insgesamt weit mehr als 30 Betroffene, wie 1880-Jugendkoordinator Tilo Barz im Gespräch mit TR erklärt. Bei 1880 hat man rückblickend aber auch ermutigende Nachrichten für Rugby-Deutschland: Man ist sich im Verein relativ sicher, dass alle Infektionen abseits des Platzes geschehen seien - auch wenn dies schlussendlich niemand zu 100 Prozent versichern kann.

Für Vereine, die aktuell wieder in den Spielbetrieb einsteigen, hat Barz eine Reihe von Tips:

  • „Man sollte schon im Voraus immer vom Worst Case ausgehen, vom schlechten Ende her denken. Sagen wir man hat einen Fall, das Gesundheitsamt erfährt davon, genau dann beginnt die Rückverfolgung. Wenn es da viele Kontakte über verschiedene Gruppen hinweg gegeben hat, dann erwischt einen relativ schnell eine Lawine von Quarantäne-Fällen. Deshalb: Die Trainingsgruppen getrennt halten, so dass wenn was passiert, wirklich nur eine Gruppe betroffen ist.“
  • „Kontakte auf dem Feld scheinen nicht dermaßen problematisch zu sein. Auch da kann was passieren, gerade im Gedränge, aber nach unseren Erfahrungen sind die Kontakte außerhalb des Feldes gefährlicher. Gemeinsam Auto fahren, gemeinsam Essen, oder anderswie in einem geschlossenen Raum Zeit miteinander verbringen - wenn da einer das Virus hat, haben es die anderen mit ziemlicher Sicherheit danach auch.“
  • „So tragisch das ist: Jetzt ist nicht die Zeit, gemeinsam zu feiern und Zeit miteinander zu verbringen - es geht darum die Kontakte zu limitieren. Während des Trainings unnötige körpernahe Situationen zu vermeiden - beispielsweise nicht im Huddle aufstellen und gegenseitig anbrüllen. Da das Virus über Aerosole verbreitet wird, ist singen oder schreien besonders problematisch. Die Oberflächen-Infektion dagegen scheint nicht das allergrößte Problem zu sein. Beispielsweise Bälle desinfizieren wurde uns von den Experten auch als nicht dermaßen wichtig dargestellt.“

Mittlerweile konnten bei Frankfurt 1880 alle Betroffenen die Quarantäne verlassen. „Wir dürften aktuell einer der saubersten Sportvereine in ganz Deutschland sein, immerhin haben sich bei uns alle testen lassen und mittlerweile ist alles negativ zurückgekommen“, so Barz mit einem Schmunzeln.

RK Heusenstamm: 100-prozentige Sicherheit gibt es nicht

Der RK Heusenstamm hatte man ebenso einen positiven Fall zu beklagen, die gesamte Mannschaft musste in Quarantäne, konnte sie aber mittlerweile verlassen. Die Tests fielen danach allesamt negativ aus - dennoch hat man beim RK Heusenstamm seine Konsequenzen gezogen und ist aus dem CT-Cup ausgestiegen.

Füchse-Pressesprecher Enzo Nuzzo erklärt gegenüber TotalRugby: „Wir müssen lernen mit Corona zu leben, es macht keine Sinn Training und Spiele komplett auszusetzen. Wir brauchen Strategien für Rugby trotz Corona, natürlich unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben und in Absprache mit den Verantwortlichen bei Stadt und Gesundheitsamt. Aber was einem genauso klar sein muss: Es gibt keine perfekte Lösung und es gibt keine 100-prozentige Sicherheit, das Virus kann immer von irgendwo in den Verein hereingetragen werden.“

Zu guter letzt mahnt Nuzzo, dass man als Verein möglichst offen und transparent mit dem Team umgehen solle. „Es bringt gar nichts das Thema totzuschweigen, vor allem ist die Kooperation mit dem Gesundheitsamt extrem wichtig, wenn es zu Fällen kommt. Heusenstamms Spieler sind mittlerweile alle aus der Quarantäne - über das weitere Vorgehen berät man bei den Füchsen aktuell noch. Für Spieler wäre es eine Katastrophe ihrem Arbeitgeber eine zweite Rugby-bedingte Quarantäne erklären zu müssen.

Pforzheim: „Unser Sport ist uns wichtig, aber unsere Sportler auch"

Auch bei Rugby Pforzheim, dem Gegner der Heusenstammer vor 2,5 Wochen, sind mittlerweile wieder alle Aktiven aus der Quarantäne. Pforzheim-Vorstand Ludwig Martin lobt die Professionalität des lokalen Gesundheitsamt, das jeden einzelnen individuell befragte und dann jeweils individuelle Entscheidungen getroffen hat. So konnten die Betreuer, die keinen direkten Kontakt mit dem positiv getesteten Spieler hatten, deshalb beispielsweise die Quarantäne vermeiden.

Darüber hinaus ist aus Pforzheimer Sicht positiv hervorzuheben: Keiner der Spieler auf dem Feld hat sich über den positiven Heusenstammer Spieler infiziert. Was ebenso gut funktioniert habe, war die Versorgung der unter Quarantäne stehenden Spieler mit Lebensmittel aus dem Vereinsumfeld. Künftig werde man, so Martin gegenüber TR, „vorsichtig bleiben“ angesichts steigender Infektionszahlen.

Ludwig Martins Urteil: „Das Riskio und die Auswirkungen von Infektionen und Quarantäne-Anordnungen darf nicht unterschätzt werden. So trifft bei uns die Entscheidung anderer Vereine, gerade auch aus Landkreisen in denen die Fallzahlen bereits hoch sind, weiterhin zu spielen auf wenig Verständnis. Unser Sport ist uns wichtig, aber unsere Sportler auch.“

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