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Optimismus Down Under: Gelingt den Wallabies die Wende?
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Dienstag, 22. September 2020

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Sonnigere Zeiten voraus? Bei den Wallabies macht sich der Optimismus breit.

Neuer Trainer, zahlreiche Talente und ein Wettbewerb, der die Fans in Australien wieder begeistert. Down Under macht sich Optimismus breit, nach Jahren des schleichenden Niedergangs. Gelingt den Wallabies und dem australischen Rugby die Wende zum Besseren? Bereits in gut drei Wochen könnte es die Antwort geben, wenn das erste Duell mit dem Erzrivalen ansteht.

Laurie Fisher ist mit seinem Anglerhut und seiner lockigen weißen langen Mähne eine Art Talisman der Brumbies geworden. Der 62-jährige Coach arbeitet mittlerweile zum dritten Mal im Zeitraum von mehr als 20 Jahren im Trainerstab des Teams aus der australischen Hauptstadt Canberra - aktuell „nur“ als Sturmtrainer.

Der Coaching-Guru, der zwischenzeitlich schon in Diensten von Gloucester und Munster war, hat in den letzten 25 Jahren als Trainer im Welt-Rugby so ziemlich alles erlebt. Vor allem die goldene Ära des australischen Rugbys nach dem WM-Gewinn der Wallabies 1999, die er selbst mitprägte.

Damals dominierten im Vereins-Rugby die Brumbies mit ihrem kongenialen Duo aus Gedrängehalb George Gregan und Verbinder Stephen Larkham, die auch die Wallabies-Spielmacherachse bildeten. Sie gewannen in Brumbies-Farben den Super-Rugby-Titel gleich zwei Mal - der Coach schon damals: Laurie Fisher.

Australische Coaching-Legende: Laurie Fisher von den Brumbies

Australiens Sehnsucht nach den guten alten Zeiten

Seitdem sehnt sich die Rugby-Gemeinde Down Under nach diesen goldenen Zeiten zurück, als man mit den All Blacks auf Augenhöhe die absolute Weltspitze bildete. Kurze Ausreißer nach oben - der Waratahs-Titel 2014 im Super Rugby und der Einzug ins WM-Finale 2015 - können nicht darüber hinweg täuschen: Das australische Rugby erlebt seit Jahren einen stetigen Abstieg.

Nichts zeigt dies deutlicher, als die Tatsache, dass die Wallabies seit 2002 den Bledisloe Cup nicht mehr in den Händen gehalten haben. Der seit 1932 zwischen den Nachbarn Neuseeland und Australien ausgespielte Cup ist aus australischer Sicht der wichtigste Wettbewerb, geht es doch gegen den absoluten Erzrivalen von nebenan.

Mindestens zwei der drei jährlichen Bledisloe-Spiele müsste Australien gewinnen, damit nach dem legendären Kapitän John Eales 2002 wieder ein Wallaby den übergroßen Pott in die Höhe recken darf. Jahr für Jahr gegen den vermeintlich kleinen Nachbarn Neuseeland eine Schmach nach der anderen zu kassieren, ist für die selbstbewusste australische Sport-Öffentlichkeit frustrierend.

18 Jahre ist es her, seitdem ein Wallabies-Kapitän den großen Henkelpott hielt

Rugby verliert durch den Misserfolg an Popularität

Diese wendet sich auch deshalb zusehends von ihren Wallabies ab und das geht mit schwindendem Interesse der australischen Öffentlichkeit am Super Rugby einher. Rugby League und Australian Football bauten ihre Dominanz zuletzt immer weiter aus. Talentierte australische Union-Talente wurden von reichen NRL-Klubs abgekauft und spielen jetzt 13er-Rugby. Eine regelrechte Negativ-Spirale und nahm vermehrt Fahrt auf.

Ausgerechnet die Corona-Krise könnte sich für Australiens angeschlagene Rugby-Szene als optimaler Zeitpunkt für einen Neustart erweisen. Das denkt unter anderem auch Laurie Fisher, der Coaching-Guru, der im Super Rugby AU eine Wende für den Sport Down Under sieht und am Samstag mit seinen Brumbies in einem packenden Duell gegen die Queensland Reds den Titel einfahren konnte.

Das Super-Rugby-Finale: Die Brumbies siegen, wie damals während der goldenen Ära der Wallabies

Der rein australische Wettbewerb, ohne die regelmäßigen Duelle gegen Neuseelands und Südafrikas Top-Teams, könnte sich noch als unerwarteter Segen herausstellen. Das leicht niedrigere Niveau im Vergleich zum eigentlichen Super Rugby gab den Coaches die Möglichkeit dem Nachwuchs mehr als bisher zu vertrauen, ohne direkt von den Top-Teams aus Neuseeland auf dem Feld filetiert zu werden.

Für australische Fans bedeuteten die Spiele gegen einheimische Gegner darüber hinaus weitaus mehr, als beispielsweise ein Duell gegen eine Mannschaft aus dem 14 Flugstunden entfernten Südafrika. In den letzten Runden hatte gar das Zuschauerinteresse trotz Corona-Restriktionen wieder angezogen, auch weil die jungen Wilden zum Teil ansehnliches Rugby zeigten.

Australiens junge Wilde, kommt die nächste goldene Generation?

Vor gut einem Jahr hatte es die australische U-20-Nationalmannschaft in das Finale der WM geschafft, wo sie mit einem einzigen Punkt hauchdünn mit 23-24 Frankreich unterlegen waren. Eine Reihe der Stars des Turniers hat jetzt den Sprung ins Profi-Rugby der Herren geschafft und dürfte bald im Gold der Wallabies auflaufen.

Dazu kommen Nachwuchs-Talente wie der 22-jährige Gedrängehalb Tate McDermott. Der aus dem Siebener-Rugby stammende Queensland-Spieler ähnelt in vielerlei Hinsicht seinem südafrikanischen Pendant Faf de Klerk - auch er weiß das Spiel eines Teams von der neun anzukurbeln und geht gerne selbst mit der Pille unter dem Arm.

Ebenso von den Reds kommt Filipo Daugunu - der gebürtige Fidschianer ist mit 25 schon einer der Älteren, unter den wahrscheinlichen Debütanten. Er war 2016 Teil des fidschianischen Siebener-Programms, wurde aber von Olympia-Gold-Coach Ben Ryan nie berücksichtigt.

Er gab den Traum vom Profi-Rugby auf und zog wie so viele seiner Landsleute nach Australien. Anfangs als Amateur spielend fiel er den Scouts der Reds auf und erlebte dieses Jahr schließlich seinen absoluten Durchbruch - trotz nur 1,75 m Körpergröße ist der Außendreiviertel ein starker Verteidiger und noch besserer Ballträger.

Einer der Hoffnungsträger: Außen Daugunu spielte lange als Amateur und wird nun für Australien auflaufen

Ausgerechnet O'Connor als Anführer?

Angeführt werden könnte das junge Team ausgerechnet von James O’Connor werden. Vor ziemlich genau zehn Jahren eroberte der Blondschopf das australische Rugby als 20-jähriger im Sturm und galt damals als Vorreiter einer neuen goldenen Generation.

Was folgte waren einige spektakuläre Highlights auf dem Feld, aber umso mehr Skandale neben dem Rasen. Als gereifter 30-jähriger und nach Verträgen bei Toulon und Sale hat O’Connor den Fokus wieder voll aufs Rugby gelegt, seine Eskapaden abseits des Feldes abgestellt und gilt nun als Anwärter auf das Zehner-Trikot bei den Wallabies.

Das sieht auch Coach Dave Rennie so, der bereits kurz nach der WM in Japan als Wallabies-Trainer ernannt wurden, aber durch die Corona-Verzögerungen erst in dieser Woche erstmals den Wallabies-Kader um sich versammeln kann. Weit mehr als ein Drittel aus Rennies Kader ist noch nie für Australien aufgelaufen - der neuseeländische Coach forciert also den Umbruch. 

Er selbst galt auch als Kandidat für das All-Blacks-Traineramt, obwohl er selbst als Spieler nie die ganz großen Höhen erreichte und lediglich für die Cook Inseln auflief, dem Land seiner Mutter. Spätestens seit seinen zwei Super-Rugby-Titeln mit den Chiefs 2012 und 2013 galt er als hochtalentierter Trainer. In drei Jahren bei den Glasgow Warriors konnte er das Team ebenso spielerisch weiterentwickeln und in ein Pro-14-Finale coachen.

Genau das erhofft man sich nun auch bei den Wallabies von dem 56-jährigen Coach, möglichst noch mit ansehnlichem Rugby. Die Verpflichtung Rennies galt als Coup für Australien.

Nur Erfolge gegen Neuseeland zählen

Schlussendlich wird aber auch Dave Rennie vor allem daran gemessen werden, ob sein Team gegen den Erzrivalen Neuseeland Erfolge feiern kann, dessen ist sich der gebürtige Neuseeländer bewusst. Australiens Rugby-Community mag zwar wieder optimistisch sein, doch ohne Erfolge gegen die All Blacks bleiben australische Rugby-Erfolge im restlichen Land eine Randnotiz.

Rennie könnte kaum einen schwereren Auftakt haben. Am 11. und 18. Oktober muss er mit seinen Wallabies gegen die All Blacks antreten, jeweils auswärts in Wellington und Auckland. Vorher müssen die Wallabies eine zweiwöchige Quarantäne durchlaufen, um in Neuseeland einzureisen - diese wurde zum Politikum.

Erst nachdem sich die Premierminister Morrison (Australien) und Ardern (Neuseeland) telefonisch verständigt hatten, wurde den Wallabies die Möglichkeit gewährt, während ihrer zweiwöchigen Quarantäne in Neuseeland zu trainieren, sonst hätte das Team tatenlos im Hotel warten müssen, ohne die Rugby-Stiefel schnüren zu dürfen. Allerdings auch nach der neuen Regelung erst drei Tage nach Ankunft und zunächst nur in Kleingruppen.

Die strenge Regelung hat vor allem politische Gründe. Neuseeland hat sich zum Ziel gesetzt das neuartige Coronavirus vollständig zu eliminieren und da stoßen Sonderbehandlungen für Sport-Teams nicht überall auf Verständnis - zumal Neuseeland vor einer Wahl im Oktober steht, in der Premierministerin Ardern sich mit ihrem kompromisslosen Corona-Kurs, der ihr viele Sympathien einbrachte, weitere drei Jahre im Amt sichern will.

Für den Neuseeländer Rennie könnte ihn diese Regelung den Auftakt gehörig vermiesen. Doch mittelfristig soll es für das australische Rugby dennoch steil bergauf gehen. Dessen ist sich auch der Coaching-Guru der Brumbies mit dem Anglerhut sicher.

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