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Gold im Finale: Fidschi schreibt Geschichte und holt die erste Medaille für das Land überhaupt
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Freitag, 12. August 2016

Fijis Offensive um Toulon-Außen Tuisova war für Team GB über die gesamte Spieldauer nicht unter Kontrolle zu bringen. Foto (c) World Rugby Instagram
Fijis Offensive um Toulon-Außen Tuisova war für Team GB über die gesamte Spieldauer nicht unter Kontrolle zu bringen. Foto (c) World Rugby Instagram

Die Bedeutung dieses Momentes für die etwa 900.000 Einwohner auf den 106 bewohnten Inseln Fidschis zu begreifen, wird für einen Mitteleuropäer sicherlich nicht einfach. Doch die erste Olympia-Medaille überhaupt für das kleine Inselreich, irgendwo auf halben Weg von Australien nach Hawai, erfüllt eine ganze Nation mit Stolz. In den Google-Suchen weltweit lag Fidschi auf einmal vorne und so viel Aufmerksamkeit hat dieses Land sicher noch nie erfahren.

Premierminister Frank Bainimarama, der alle drei Tage des Turniers zwischen den Fidschi-Fans auf der Tribüne in Rio verbracht hatte, kündigte für den 22. August einen nationalen Feiertag an, um den Sieg standegemäß zu zelebrieren. Kein Einwohner des Landes sei jemals stolzer gewesen Fidschianer zu sein.  Bainimarama fühlte sich sogar genötigt zu betonen, dass die Produktivität auf den Fidschi Inseln in den letzten Tage gegen Null tendiert habe und man nun wieder anfangen müsse zu arbeiten, bis zur Heimkehr des Teams aus Rio natürlich.

Dass Fidschi allen Grund zu feiern hatte, bewiesen die Männer von Ben Ryan mit einer geradezu ekstatischen Leistung im Finale. Nachdem man in einigen Vorrundenspielen und dem 20:5 Halbfinalsieg eine gewisse Gehemmtheit auszumachen schien, spielte Fidschi gegen Großbritannien wie entfesselt. Schon während der tränenreichen Hymne des Inselstaates konnte man bei Kapitän Kolinisau und Co. die Entschlossenheit in den Gesichtern ablesen. Vom gefangenen Ankick hinweg spielte Fidschi im gewohnt unkonventionellen Stil und kam nach einem halben Durchbruch von Kolinisau, einem Offload von Nakarawa von der eigenen bis an die 22 Großbritanniens.

 

 

 

Fijis Mannschaft ist unter Ben Ryan eine eingeschworene Gemeinschaft


Trainer Ben Ryan hatte am Vortag die Devise ausgegeben, sich von den Rucks fernzuhalten und den Ball am Leben zu halten. Ein solches Offload später und auf einmal bot sich auf der linken Seite eine Lücke für Kapitän Kolinisau, der den Sprint bis zur Linie anziehen konnte. Der Bann war nach nicht ein mal einer Minute gebrochen und von nun kam England schlicht nicht mehr aus der eigenen Hälfte raus. Fidschi vollführte eine Demonstration ungeahnten Ausmaßes, ganze fünf Versuche gelangen dem Favoriten bis zum Pausentee beim Stande von 29:0.

Den Briten gelang es schlicht nicht das großartige Offload-Spiel der Fidschianer zu unterbinden. Immer wenn ein Brite einen Fidschianer gestoppt zu haben schien, kam eine schneller Läufer zur Unterstützung und nahm dankend den Pass im Kontakt ab und das war für die Briten schlicht nicht zu verteidigen. Einmal durch die erste Verteidigungslinie durch nutzen die Männer von Ben Ryan den Platz gnadenlos aus. Das beste Mittel gegen dieses Spiel Fidschis wäre sicher eine schneller aufrückende Defensive gewesen, um den Spielfluß der Insulaner zu stören. Doch entweder fehlte dazu nach den extrem engen Partien im Viertel- und Halbfinale die Kraft, oder Coach Simon Amor hatte schlicht eine andere Taktik ausgegeben.

In den wenigen Momenten, in denen das Team GB den Ballbesitz inne hatte, waren die Angriffsbemühung schnell am Ende. Entweder waren es leicht Fehler die den Briten den so vitalen Ballbesitz kosteten, oder Fidschis gut in den Rucks kämpfende Stürmer holten sich die Pille in den Kontaktsituationen zurück. Dementsprechend einseitig lief die Partie weiter. Einzig Dan Nortons Versuch nach einem schnell ausgeführten Straftritt vier Minuten vor Ende kam so etwas, wie Ergebniskosmetik gleich. Schon lange bevor das 43:7 als Endergebnis feststand, schwenkte die Kamera immer wieder auf den hochemotionalen Kapitän Fidschis, Kolinisau. Dieser hatte viele Mitspieler über die Jahre hinweg dem zu verdienenden Geld folgend nach Europa abwandern sehen, was selbst aber den Flying Fijians über fast eine Dekade hinweg treu geblieben.

Mit dem Abpfiff kannte der Jubel keine Grenzen, doch die tiefgläubigen Fidschianer versammelten sich noch vor der Medaillenzeremonie zum Gebet und sangen gemeinsam zelebrierend. Die Medaillen selbst empfingen sie kniend von der Prinzessin Anne von Großbritannien, der als IOC Mitglied und Dauergast in Schottlands Rugby-Tempel Murrayfield die Ehre zu Teil wurde.

Auch wenn das Finale vielleicht nicht die erhoffte Spannung gebracht hat, war es doch eine Siebener-Demonstratio  vom Feinsten. Für das kleine Inselreich, noch schwer gebeutelt vom Zyklong Winston in diesem Februar, war dieses Ereignis ein ganz besonderes.

Für die fidschianische Mannschaft ist das strenge Regime von Ben Ryan, der seinen Jungs ein monatelanges Alkohol- und Kohlehydrate-Verbot auferlegt hatte, vorbei. Der englische Erfolgstrainer wird sich erst einmal eine Auszeit nehmen, dennoch werden in Fidschi stimmen laut dem Engländer die Ehrenbürgerschaft Fidschis zu verleihen. Seine Spieler haben indes bekundet, erst einmal den McDonald's neben dem olympischen Dorf aufsuchen zu wollen. Das hätte man bis dato nicht gedurft. Angesichts der Tatsache, dass die World Series erst am ersten Dezember in Dubai weitergeht, werden die in der Olympia-Vorbereitung gestählten Körper es verkraften können.

 

 

 

Kapitän Kolinisau mit der Goldmedaille

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Kommentare (6)add comment

Rainer Schlicksupp said:

3832
FERNSEHBERICHERTERSTATTUNG
Ein riesiges Kompliment an das ZDF für die heutige Übertragung des Endspieles zwischen England und Fidschi und der sachkundige Kommentar des mir unbekannten Reporters.
Das war SPITZE und muss einfach auch öffentlich werden!
August 12, 2016

Dragos Florescu said:

1820
ZDF - Nicht übertreiben :)
Ich auch war sehr positiv überrascht, dass die Finale live in Fernseher lief, und es war klar, dass der Rugby-fremde Kommentator sein Bestens gegeben hat (und offensichtlich auch zuvor recherchiert - Stats über Teams etc.).

ABER es hätte viel gebracht, wenn ZDF ein "Kenner" eingeschaltet hätte (Jan, Sven, Mulu - auch telefonisch, wenn anders nicht ging), der z.B. erwähnen/erklären konnte, warum der Schiri ab und zu pfiff. in Gegensatz zu XV-er, bei 7s gibt es wenige Regelverstößen, und zwar genau die "Basics" (Vorball, Ball/Mann nach Tackling nicht freigeben, von der Seite ins Ruck kommen, im Ruck zum Boden fallen, High-Tackling). Wenn man diese richtig erklärt hätte, wäre der Einstig für einen normalen nicht-Kenner sehr leicht gewesen, und hätte vielleicht Appetit für mehr geöffnet.

So war es letztendlich eine verpasste Chance, ein 20-Minutiges Rugby "Crash-Course" mit Millionen Zuschauer zu halten. Und bei einer so sehenswerten Finale, war das wirklich Schade…

--
PS: und die Wiederholung der Finale ist schon aus der ZDF-Mediathek verschwunden. Am Freitag habe ich sie dort noch erwischt, und Teile davon einigen Kollegen aufs Beamer gezeigt, vor einem Team-Meeting. Wollte den Akt am Dienstag wiederholen, geht leider nicht mehr…

August 14, 2016

Werner Cromm said:

67
...
Das Finale ist als vom ARD Sportreporter kommentierter Livestream noch abrufbar
http://rio.sportschau.de/rio20...5354.html
August 14, 2016

Werner Cromm said:

67
...
http://rio.sportschau.de/rio20...a5354.html
wird bei TR abgeschnitten.

Hier zum zusammensetzen
http://rio.sportschau.de/rio2016/ videos_audios/ Fidschi-triumphiert-im- 7er-Rugby-,olympia5354.html
August 14, 2016

Matthias Hase said:

381
...
Hört bitte mit euren absurden Forderungen auf, die Medien sollten Rugby \"schmackhaft\" o.ä. machen. Dad ist nicht deren Aufgabe! Das ist unsere Aufgabe!
August 14, 2016

Mahmud Marachi said:

652
@Dragos
ich stimme Dir zu - für unsere Community hier war bei dem Kommentator erkennbar, dass er die Regeln nicht alle kannte und von dem ein oder anderen Pfiff oder auch Spielzug -sagen wir- genauso überrascht war wie die normalen Zuschauer, die noch nie Rugby gesehen hatten.
Trotzdem halte ich Deine Anregung, einen "Experten", ggfs. auch telefonisch, einzuschalten, ehrlich gesagt für weltfremd. Ich denke, das ZDF war selber überrascht über die Resonanz, die die Spiele hatten (und dafür war der Reporter ganz passabel). Und die rugbyfremden Zuschauer haben die fehlenden Details weder gebraucht noch auch nur bemerkt.
Ich bin auf jeden Fall am nächsten Tag in der Firma mehrfach darauf angesprochen worden, ob das das wäre, was ich mache und das wäre ja echt Hammer gewesen.
August 14, 2016

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