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Goldene Adler und geplatzte Ambitionen – das deutsche Frauenrugby am Scheideweg
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Montag, 22. Juni 2015

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Auch Alysha Stone konnte die Goldenen Adler nicht mehr zum Fliegen bringen

Mit großen Ambitionen waren die deutschen Siebener-Damen in die olympische Qualifikation in der Grand Prix Series gestartet. Am Ende kamen die Siege erst, als der Abstieg bereits besiegelt war. Was läuft schief im deutschen Frauenrugby?

Ach, wären die Damen doch auf dem Platz so engagiert wie in den sozialen Netzwerken. #GoldeneAdler wäre dann wohl nicht einfach nur ein #SchlechterScherz. Aber darf man im deutschen Rugby überhaupt eine Nationalmannschaft kritisieren? Man muss es sogar! Denn was wollen wir? Wir wollen eine erfolgreiche Damenmannschaft. Ist das mit dem momentanen Set-Up möglich? Eindeutig nein! Also müssen Veränderungen her.

Hinter vorgehaltener Hand mussten die Trainer am vergangenen Wochenende zugeben, dass die Spielerinnen schlicht und einfach nicht fit waren. Die Vorgaben aus den Trainingsplänen wurden nicht umgesetzt.

Die Frauen wollten die Trennung von ihrer ehemaligen Trainerin und wussten von vornherein, dass sie daher eine gewisse Eigenverantwortung, was das Kraft- und Fitnesstraining angeht, übernehmen müssen. Als erkannt wurde, dass sie trotz der Trainingspläne des Olympiastützpunktes nicht voran kommen, wurden Fitnesstests gemacht, die Trainingspläne angepasst und ihnen ein Fitnesstrainer an die Seite gestellt, der sie beim Krafttraining begleitet hat (wenn auch nur als Aufpasser und nicht als wirklicher Fitnesstrainer). Dazu wurde eine tägliche Skill-Einheit angeboten, drei bis vier Rugbyeinheiten pro Woche mit den beiden Nationaltrainern, regelmäßige Ernährungsberatung, gezielte Laufbahnberatung, Sporthilfe (bis zu 600 Euro im Monat) und natürlich noch die Stellen als Sportsoldatinnen. Bedenkt man die investierte Summe von rund 250.000 Euro jährlich über die vergangenen drei Jahre, kommen beim DOSB/BMI/Bundeswehr sowie beim deutschen Steuerzahler die Frage auf, ob der Mitteleinsatz berechtigt war. Man bedenke, dass die Frauen mehr gefördert werden als die weit erfolgreicheren Männer.

Aber die Leistungsbereitschaft hat schlicht nicht ausgereicht. Zwei bis drei Frauen bringen das nötige Niveau mit. Ein paar der jungen Talente sind auch vielversprechend, aber die Mehrheit der Spielerinnen genügt in Einstellung und Fähigkeiten nicht den Ansprüchen des olympischen Leistungssports. Und dieser Ansatz ist die Mindestvoraussetzung, will man international auch nur mitspielen. Das sind die Fakten.

Man muss auch die Frage stellen, ob Köln der richtige Stützpunkt ist. Ausschlaggebend waren seinerzeit zwei Argumente: Zum einen die Trainerauswahl. Diese ist mittlerweile obsolet. Zum anderen die Nähe zu den Niederlanden zwecks Austauschs auf sportlicher Basis. Die Niederländerrinnen lehnen diese Zusammenarbeit aber mittlerweile ab. Grund: Die deutschen Damen sind schlicht zu schlecht, als das das Ganze Sinn machen würde.

Somit spricht eigentlich alles für einen Standortwechsel. Wenn das neue Bundesleistungszentrum in Heidelberg fertig ist, kann der logische Schritt nur der Umzug an den Neckar sein. Hier hat man dann die komplette Fachkompetenz im Bundesrugby unter einem Dach. Auch lohnt ein Blick auf die Trainingsintensität der Männermannschaft. Hier wird zwei- bis dreimal am Tag trainiert und das ganzjährig. Den Lohn holten sich die Jungs mit Platz vier und sechs in den ersten Turnieren ab. Weitere Erfolge sind in Aussicht.

Jedem Absturz wohnt ein Neuanfang inne. 2018 findet die Siebener-WM in den USA statt. 2019 wird wohl die Qualifikation für Tokyo 2020 gespielt. Zeit genug ein neues Team aufzubauen. Dann könnten sich die weiblichen Adler auch wieder siegreich in die Lüfte erheben. Das mit dem „Gold“, das bleibt aber vorerst lediglich auf die Trikotfarbe beschränkt.

 

Lars Schindewolf

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Kommentare (4)add comment

Alfred Jansen said:

366
FRAUENRUGBY AM SCHEIDEWEG?
Ich habe beide Turniere der EM im 7er Frauenrugby gesehen und war von den Leistungen unserer DRV Mädels absolut nicht überzeugt, ich war sogar ehrlich gesagt erschrocken über das gezeigte Niveau; Weiß ich doch, dass sie es viel besser können! Die Gründe aber ausschließlich bei den Mädels zu suchen - nach dem Motto ihr wolltet einen Trainerwechsel und habt Euch dann auf die faule Haut gelegt - ist nur sehr kurz gedacht und entspricht in keinster Weise den Tatsachen.

Ich habe lange überlegt, ob und wie ich zum Thema Frauenrugby etwas schreiben sollte, aber nachdem ich den Artikel von Lars gelesen habe, ist mir fast der Kragen geplatzt!

Im Bericht werden zwar ein paar Dinge aufgeführt, die nicht von der Hand zu weisen sind, aber die Schlüsse daraus sind grundverkehrt gezogen worden. Fakt ist, dass ein Trainerwechsel absolut notwendig war! In Köln herrschte salopp gesagt ein System nach Zuckerbrot und Peitsche - viele Mädels waren diesem Führungsstil und dem damit erzeugten Druck nicht gewachsen und haben die Sportfördergruppe verlassen (müssen) oder haben diesen Stress einfach nur noch ertragen, da sie für Deutschland und ihre Ideale kämpfen wollten - aber eine Leistungssteigerung damit zu erzielen ist definitiv nicht möglich - die Stimmung war geradezu Gift!

Wie kam es dazu? Es hört sich doch perfekt an! Nach dem ersten Erfolg in Hannover wurden Plätze bei der Sportfördergruppe geschaffen - in Todtnau / Schwarzwald. Das war der nähste zum Standort Heidelberg. Die Stellen wurden jedoch nach Köln verschoben - wohlgemerkt ohne vor irgendjemanden von den betroffenen Vereinen in Kenntnis zu setzen. Ich als Trainer der HRK - Frauen habe davon aus Totalrugby erfahren. Das schafft ein wunderbares Vertrauensverhältnis!! Die Spielerinnen waren von jetzt auf nachher in Köln - mit allem was dazu gehört (Umzug etc.). Dort griff das System "Wiedemann" mit ihren Repressalien besonders gut! Bereits vor zwei / drei Jahren haben die verantwortlichen Vereinstrainer auf diese Missstände hingewiesen und haben auch Gespräche mit Frau Wiedemann und den DRV - Verantwortlichen gesucht und geführt - Ergebnis - die Mädels übertreiben maßlos, sie sollen einfach funktionieren. Die blöden Bemerkungen, die dazu bei einigen fielen lasse ich jetzt mal weg.

Letztlich musste dennoch und Gott sei Dank eingelenkt werden und Susanne Wiedemann war von ihren Aufgaben als 7er - Nationaltrainerin entbunden. Jede und jeder hatte nun gehofft, dass es aufwärts gehen würde. Der DRV ließ sich jedoch mit der Verpflichtung eines neuen Trainers / Trainerpaars über ein halbes Jahr Zeit - für mich einfach unverständlich! Mit der Interimslösung Eric (ich weiß, Du hast alles gegeben) war den Sportlerinnen dennoch nicht geholfen. Sie hingen einfach in der Luft und keine der Spielerinnen wusste wie es weiter gehen sollte. Bereits im Sommer letzten Jahres wurde angeboten den Stützpunkt oder zumindest das Stützpunkttraining nach Heidelberg zu verlegen. Das wurde seitens der Leistungsreferenten wohl noch nicht einmal in Erwägung gezogen - die Antwort dazu kam dafür auch zu schnell: Geht nicht, es bestehen dazu Verträge! Die Übernahme von Melvine und Michael, die sich nach meinem Wahrnehmen sehr für die Aufgabe engagierten, war einfach zu spät und es wurden viel zu hohe Erwartungen daran gestellt.

Doch auch nach dem Desaster des Trainerwechsels wurden weiterhin eklatante Fehler begangen, die in mir die Überzeugung haben reifen lassen, dass das Frauenrugby an sich beim DRV nur das 5. Rad am Wagen ist. Mit der Begründung, dass für eine 15er Nationalmannschaft nicht ausreichend Spielerinnen in Deutschland vorhanden sind und daher ein mögliches Team nicht dem Anspruch des DRV gerecht wäre, wurde ein entsprechender Antrag abgelehnt. Wohlgemerkt, dieser wurden seitens der an der Bundesliga teilnehmenden Vereine gestellt, die auch die Finanzierung sichergestellt hätten.

Wohl aus Sorge um die Gesundheit und Einsatzfähigkeit der Spielerinnen wurden diese mit Datum 20.04.2015 für alle 15er - Spiele der Bundesliga gesperrt. Man stelle sich dies in anderen Sportarten vor! In Anbetracht der schweren anstehenden Aufgabe hat der HRK mit seinen Spielerinnen gesprochen und hat der Sperre nicht widersprochen. Die Spielerinnen sollten nicht noch weiter unter Druck geraten. Zusätzlich stellte der DRV die zum Kader gehörigen und nicht in der Sportfördergruppe befindlichen Spielerinnen vor die Wahl! "Entweder Nationalmannschaft oder Verein!" Die meisten haben sich für die Nationalmannschaft entschieden.

In diesem Umfeld ging es in die Europameisterschaft! Ganz ehrlich, ich weiß, dass die Mädels körperlich im Vergleich zu Frankreich, Russland oder Spanien vielleicht nicht die fittesten waren, aber das erklärt ganz sicher nicht dieses Desaster! Was ihnen wirklich gefehlt hat, ist der Rückhalt eines Verbandes, der zu ihnen steht.

Alfred Jansen

EDIT: Dieser Kommentar wurde von Alfred Jansen als Artikel eingereicht, von uns aber als Kommentar veröffentlicht!
Juni 22, 2015

Anne Lormis said:

641
Vielen Dank Alfred
Wenn dein Artikel nicht gewesen wäre, hätte ich mich wohl sehr unsachlich über den Artikel und seinen Verfasser geäußert. Unser Verband leistet sich nicht mal eine 15 Nationalmannschaft der Frauen. Wenn man im Siebener Rugby überhaupt von 'leisten' sprechen kann. Und trotz der berechtigten Kritik und Frage was bei den Damen schief gelaufen ist bzw. schief läuft, ärgert es mich maßlos, dass hier sofort die Kosten vorgerechnet werden. Zu denen, wie im ersten Artikel korrekt herausgearbeitet, der DRV wenig beiträgt. Naturgemäß müssen sich die Damen auch sofort einen Vergleich mit den Männern gefallen lassen. Dann hier meine Frage zu den Kosten aus den mäßig erfolgreichen Jahren der Siebener und Fünfzehner Herren in der Vergangenheit. Hat es sich ausgezahlt weiter zu investieren oder hängen die Herren den Erwartungen hinterher?

Ich kann mich Alfred nur anschließen, der Rückhalt und die Unterstützung des Verbandes und vielleicht auch Rugbydeutschlands wären ein Anfang.
Juni 22, 2015

Lydia Simmers said:

3518
...
Man kann ja fast glauben wenn man meine Vorkommentatoren hier so liest, als sei der DRV ganz alleine Schuld daran, dass die Mädels total unschuldig an dem Abschneiden sind. Sicherlich sind Rahmenbedingungen wichtig. Aber wenn die Männer sich auch nur ansatzweise erlaubt hätten, was die Frauen hier abgeliefert haben wären sie - zurecht - zerpflückt worden. Der werten Community war ja eigentlich nicht mal der 4. Platz beim letzten GPS der Herren genug, da gibt es überall ein Haar in der Suppe. Aber die Frauen muss man mit Samthandschuhen anfassen?
Dass zum Rugby spielen mehr als nur das Spiel an sich sondern Motivation, Rückhalt und moralische Unterstützung wichtig ist ist keine Frage. Meinetwegen hapert es da, die Mädels hatten es sicher nicht alle leicht. Aber für die mangelnde Fitness (eklatant!!) und das Unvermögen von manchen Damen, einen Ball zu passen, geschweige denn zu fangen, kann weder das Trainergespann noch der DRV etwas. Es obliegt den Damen, wenn sie trainerlos sind, sich zu formieren und zur Not alleine trainieren zu gehen, sich ordentlich zu ernähren und angebotene Hilfe in Anspruch zu nehmen.
In den erwähnten sozialen Netzwerken muss man sich durchlesen, dass man auf NM-Niveau stolz ist, Kniebeugen mit 80 kg (1 Wiederholung) zu machen. Da sind die Frauen in meinem Fitnessstudio stärker, und die machen das nicht beruflich. Die Fitnesstests haben ebenfalls für sich gesprochen.
Das war einfach nix, basta. Ein paar Spielerinnen haben nicht nur Potential sondern sind auch noch richtig gut, aber es sind eben zu wenige davon da. Vielleicht liegt es nicht an der Politik sondern einfach an der Anzahl guter und vor allem verfügbarer Frauen, die gleichzeitig bereit sind, sich den Allerwertesten richtig aufzureißen wenn es darauf ankommt.
Juni 22, 2015

Bernd Lauermann said:

3643
...
Eigentlich kann man festhalten das alle hier in vielen angesprochenen Punkten Recht haben, jetzt ist aber nun einmal das Kind in den Brunnen gefallen und man sollte von allen Seiten die Lehren daraus ziehen und einmal alles analysieren was da so falsch gelaufen ist, da sind sowohl der DRV als auch der Mädchenkader in der Pflicht, auch die Mädels müssen sich hierbei selbst und ehrlich hinterfragen, möchte hier keinerlei Vergleiche zu unseren 7-er Jungs aufstellen, aber die fahren eben doch 3 Trainingseinheiten pro Tag und das hat sich bei den vergangenen beiden Tunieren sehr wohl mehr als ausgezahlt. Mit entsprechendem Athletik-, Fittness-, Sprint- und Lauftraining wird man auch unsere Mädels auf internationales Niveau anheben können, denke das man keiner der Kaderspielerinnen die Motivation sich entsprechen quälen zu wollen absprechen kann, entsprechend "angeschoben" werden sie sicher wiederkommen, also Mädels gebt Gas für was Neues
Juni 22, 2015

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