Der Rugby World Cup in Japan: Gewinn für den Rugby-Sport, selbst in Deutschland
Geschrieben von TotalRugby Team   
Mittwoch, 25. September 2019

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Wer hätte gedacht, dass sich Japaner derart für Rugby begeistern können?

Japan ist im Rugby-Fieber und reißt damit gerade die gesamte ovale Welt mit. Volle Stadien, unglaubliche Gastfreundschaft und tolle Action auf dem Platz. Für den Sport international und auch in Deutschland ist die WM ein absoluter Gewinn - räumt sie doch mit dem Mythos auf, dass Rugby nur in Großbritannien und seinen Ex-Kolonien gespielt wird. Unser Sport ist schon lange ein globaler und die Weltmeisterschaft in Japan unterstreicht dies.

Das Presseecho in Deutschland

Dabei produziert die WM so viele gute Geschichten, die wir gar nicht allesamt zusammenfassen können. Auch die deutschen Medien haben sich mehr denn je mit dem ovalen Leder beschäftigt und wir haben für euch die besten Stories rausgesucht:

Die Zeit hat online einen wunderbaren Text parat, der den Deutschen versucht zu erklären was sie verpassen -> Zeit Online

Spiegel Online versucht sich ebenso an der „fremden“ Sportart -> Spiegel Online

Selbst die Bild berichtet ausnahmsweise Mal nicht reißerisch über Rugby -> Bild Online

Der Deutschlandfunk nutzt die Chance um auf das Rugby hierzulande zu blicken -> Deutschlandfunk

Die Pfeife

Die Pfeife, mit der Referee Nigel Owens die Auftaktpartie der WM anpfiff, trat bereits im Februar ihren Weg vom Londoner Twickenham Stadium, wo das letzte World-Cup-Endspiel ausgetragen wurde, ihren Weg nach Japan an. Ron Rutland und James Owens, zwei Rugby-Enthusiasten aus Südafrika und Hongkong transportierten das essenzielle aber nur wenige Gramm schwere Rugby-Werkzeug per Fahrrad nach Japan - über 20.000 km Stock Stein, Schotter und Asphalt , durch 27 Länder, bis auf fast 5.000 Meereshöhe in Pakistan und in Temperaturen von -15 bis +42 Grad aus England landete die Pfeiffe pünktlich in Tokio.

Der Sinn ihrer spektakulären Aktion - Spenden für mehrere Charities von World Rugby zu sammeln. Dabei mussten die beiden Rugby-Enthusiasten so einige Hürden überstehen und waren auf dem Weg im Februar auch in Bonn zu Gast, bei der Zentrale des WM-Sponsors DHL. In Tokio empfangen wurden sie von Star-Referee Nigel Owens, der nur schlicht sagte „ihr beiden seid absolute Legenden!“

 

20.000 Kilometer und 27 Länder durchquerte die Pfeife vor dem Auftaktspiel

Die Fans

Wie viele Unkenrufe von Rugby-Puristen hatte es im Vorfeld zu dieser WM gegeben. Eine WM in Japan? Ist das überhaupt ein richtiges Rugby-Land? Werden die Stadien überhaupt voll sein? Und sowieso, die Japaner haben ja nicht Mal eine gute Nationalmannschaft.

Tatsächlich war man selbst bei World Rugby nicht ganz so sicher, worauf man sich mit den Japanern einließ, wie Geschäftsführer Brett Gosper im Februar in Köln bei einem Pressetermin auf TotalRugby-Nachfrage erklärte. Doch schon damals war man beim Verband von der Organisation der Japaner und mit dem Karten-Vorverkauf hochzufrieden.

Schon in der ersten Bewerbungsphase auf World-Cup-Tickets hatten sich weitaus mehr Fans auf Karten beworben, als Tickets verfügbar waren. Dabei war das Interesse an Spielen des Gastgebers und der Top-Teams natürlich deutlich größer - aber aktuell finden auch die Spiele der vermeintlich kleineren Teams vor vollen Rängen statt, was man beispielsweise beim Fifa World Cup letztes Jahr in Russland nicht immer behaupten konnte.

Dazu kennt die Begeisterung der japanischen Fans aktuell gefühlt keine Grenzen. Schon nach der Ankunft der ersten Teams, die mit Haka und Nationalhymnen begrüßt wurden, spielten sich in Japan begeisternde Szenen ab. Das walisische Nationalteam beispielsweise wurde bei der ersten öffentlichen Trainingseinheit von 15.000 japanischen Fans empfangen, die dann noch die walisische Hymne sangen, wohlgemerkt auf walisisch.

 

15.000 japanische Fans kommen zum Wales-Training und singen die Hymne

Japan ist im WM-Fieber - dabei tragen sicherlich auch die je nach zählweise bis zu 800.000 ausländischen Fans bei, die eigens zur WM in das Land der aufgehenden Sonne gereist sind oder es im Turnierverlauf noch werden. Berichte über Bierknappheit und potenzielle kulturelle Missverständnisse im Vorfeld, haben sich nicht bestätigt.

Beim Weltverband fühlt man sich mit seiner Entscheidung bestätigt und wird vielleicht bald den nächsten gewagten Schritt wagen wollen - eine WM in den USA wäre die nächste Möglichkeit Rugby weiter außerhalb seiner traditionellen Heimat zu verbreiten.

Die Action auf dem Platz

Die Fans kommen bisher absolut auf ihre Kosten - Offensiv-Rugby wohin man nur schaut. Kein langes taktieren, keine langen und vor allem langweiligen Kick-Duelle. Bei dieser WM ist Offensiv-Rugby bisher Trumpf. Spiele, die allein von Kickern und Scrum-Penalties entschieden werden, sucht man zum Glück vergebens. Japan konnte mit einer tollen zweiten Halbzeit und einem in absoluter Topform befindlichen Kotaro Matsushima die Phantasie der eigenen Fans beflügeln.

Die beiden bisherigen Spiele des Turniers waren jedoch anderswo zusehen. Das bisher engste und bis zum Schluss spannendste Spiel bestritten Frankreich und Argentinien. Ein „unglaublich intensives und in der ersten Halbzeit auch spektakuläres Duell“, wie Prosieben-Maxx Experte Manuel Wilhelm erklärt. Allein in der Schlussphase wechselte die Führung mehrmals und lediglich ein vergebener Kick kostete los Pumas den Sieg bzw. bescherte ihn den Franzosen. Mit den aktuell stark einzuschätzenden Engländern in der Gruppe könnte es das bereits gewesen sein für die Südamerikaner in Sachen Viertelfinaleinzug.

Doch wenn man über die bisherigen Topspiele spricht, kommt man nicht am epischen Duell zwischen Südafrika und Neuseeland vorbei. Fünf der bisherigen acht WM-Titel konnten diese beiden Rugby-Großmächte für sich beanspruchen und auch aktuell muss man wohl sagen, dass die All Blacks und Springboks die Turnier-Favoriten sind. Im ersten Aufeinandertreffen im Yokohama Stadium gleich zum Auftakt der Gruppenphase lieferten sich die beiden Top-Teams einen Schlagabtausch auf allerhöchstem Niveau.

 

Auch dieses Mal wird der Titel nur über die All Blacks entschieden

Nach einem noch Mal intensiveren Haka der All Blacks als sonst, waren es die Boks, die den besseren Start erwischt und den Titelverteidiger dabei gefühlt 20 Minuten lang in den Seilen hatten. Doch wie so oft war es Neuseeland mit dem ersten richtigen Stich - ein Konter über fast die gesamte Länge des Feldes, angetrieben von Ardie Savea und vollendet durch ein Offload von Barrett and Bridge, brachte das Team von Weltmeister-Coach Steve Hansen auf die Siegerstraße.

Am Ende stand ein aus neuseeländischer Sicht überzeugendes 23-13 und die meisten Experten waren sich einig: Trotz schwacher Frühform wird der Titel auch in diesem Jahr wohl nur über diese beiden Teams und vor allem den Titelverteidiger gehen. Herausforderer wie England, Irland und Wales müssen zuerst ein Mal an den Teams der Kapitäne Kieran Read und Siya Kolisi vorbei.

Die Übertragungen in Deutschland

Aus deutscher Sicht erfreulich - alle Spiele sind in Deutschland entweder über ProSieben Maxx oder ran.de frei empfangbar. Und trotz der unchristlichen Zeiten überzeugen sowohl das Kommentatoren-Team des Senders, als auch die Einschaltquoten. „Wir sind überaus zufrieden mit dem bisherigen Feedback und ich persönlich voller Vorfreude vor dem, was noch kommt“, so Kommentator Jan Lüdeke, der am Wochenende seine Kommentatoren-Verpflichtungen mit dem Job als Stadionsprecher bei den Oktoberfest 7s verband. Volles Rugby-Programm nicht nur für die Fans, sondern auch Lüdeke selbst.

Am Samstag Vormittag mit den beiden Spielen Australien-Fidschi und Südafrika-Neuseeland waren 5,5% aller TV-Zuschauer zu dem Punkt beim Rugby. Eine überragende Quote für den eigentlich immer noch als Nischensender betrachteten Kanal. Nachdem die WM bei Eurosport 2015 schon weitaus bessere Zuschauerzahlen, als erwartet brachte, bleibt als Rugby-Fan zu hoffen, dass künftig mehr ovale Action im TV zu sehen ist. Erst vor der WM hatte der Streamingdienst DAZN die Vorbereitungsspiele kurzfristig aus dem Programm gestrichen, aber betont weiterhin die englische Premiership und den Rugby-Europacup zu übertragen.

Die Enttäuschung

Das einzige was man als Rugby-Fan bisher bemängeln kann ist, dass es bisher keine großen Überraschungen auf dem Feld gab. Rugby ist grundsätzlich kein Spiel, bei dem Underdog-Siege an der Tagesordnung sind. Doch sie sind auch möglich, siehe der überragende Sieg der Japaner gegen Südafrika 2015. Bisher sind sie ausgeblieben, Georgien hatte gegen Wales keine Chance, Russland gegen Japan nicht und auch die hochgehandelten Fidschianer gegen Australien nicht - aus neutraler Sicht wäre die eine oder andere Sensation das Salz in der Suppe einer WM.

Die Chance

Für uns als deutsche Rugby-Community sind die Wochen bis zum Finale Anfang November eine riesige Chance - mehr Menschen kommen sonst nur über Olympia mit Rugby in Berührung. Für Vereine von Flensburg bis Bad Reichenhall sollte dies ein Weckruf sein - meldet euch beim lokalen Radiosender, oder der Lokalzeitung. Selbst in den Sportredaktionen des Landes besteht Lust auf Abwechslung vom sonstigen Einheitsbrei. Ladet die Redakteure bei euch im Training ein. Nicht jeder Versuch wird erfolgreich sein, doch eine bessere Chance gibt es nicht alle Tage.

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Kommentare (7)add comment

Dragos Florescu said:

1820
Keine großen Überraschungen??
Das mit der großen Überraschung hast sich heute erledigt. 5 zu 3 Versuche zu legen und trotzdem das Spiel zu verlieren, das kann nur Fiji!
September 25, 2019

Tobias Quick said:

2769
Die chance
Ja, das ist eine Gelegenheit. Davon wird aber Rugby nicht wirklich wachsen. Höhere Aufmerksamkeit und größere öffentliche Wahrnehmung kann leider nicht die eigentlichen Faktoren ersetzen, die wir für eine langfristige positive Entwicklung in der Breite und Leistungsspitze brauchen.Ohne die Vereine geht es nicht und die machen ihre Arbeit unabhängig von der RWC sowieso. Und es fehlt eine Deutsche XV beim RWC. Gerne kann ja mal beim Deutschen Handball und erfragt werden, wie nachhaltig die vergangenen WMs waren.
September 25, 2019

Sabine Hangel-Stein said:

3711
Rugby Laune
Stimme dem Artikel zu – die Spiele zu kucken macht wirklich Spaß, speziell das von heute Morgen. Und die Stimmung in Japan erscheint auf allen Medien großartig.
Kleine Anekdote am Rande: Die Ticketinhaber wurden nach dem Eröffnungs-Wochenende angeschrieben, dass man sich sein eigenes Essen mit ins Stadion bringen darf. Die Japaner waren wohl nicht ganz darauf eingestellt wieviel Rugby-Fans so essen…..
September 25, 2019

Alexander Kühn said:

401
...
@Tobias - Wir sind aber nicht beim World Cup und das völlig zurecht. Das Team ist mit viel Glück nach Marseilles gekommen (wir haben uns nach dem tollen Sieg gegen Rumänien in der Folge riesige Klatschen gegen Georgien und Russland eingehandelt, das wird häufig vergessen) und hat es dort trotz Investitionen von mehr als einer halben Million Euro (in Trainer, Vorbereitung, etc.) nicht geschafft sich auf dem Feld zu qualifizieren. Zudem waren ca. 75% der Mannschaft lediglich Rugby-Deutsche und keine Spieler die in Deutschland ihr Handwerk gelernt haben (im krassen Gegensatz zu beispielsweise Uruguay bei denen 100% der Spieler aus Uruguay kommen und dort mit dem Rugby begonnen haben). Der Großteil unserer Spieler war nicht einmal der deutschen Sprache mächtig. Es war nur eine Frage der Zeit, bis dieses Kunstprodukt kollabiert. Aus diesem Grund ist mir auch nicht ganz klar, weshalb Du immer wieder versuchst auf diesem Thema rumzureiten, das zieht sich ja wirklich wie ein roter Faden durch Deine Beiträge.

Der DRT hat gezeigt. Die Stalker/Lees Führung war völlig planlos und hat das Geld mit vollen Händen rausgeschmissen (oder im Fall von Lees in die eigenen Taschen gewirtschaftet), daher ist der Verband pleite und Profi-15er-Rugby in Deutschland bis auf weiteres nicht möglich. Also sollten wir uns auf ordentliche Jugendarbeit besinnen (so wie Du sie in Deinem Verein ja leistest) und die Chance nutzen junge Deutsche Spieler in der Nationalmannschaft zu integrieren, um irgendwann eine Basis für ambitioniertere sportliche Zielsetzungen zu haben.

Wie erfolgreiches Sportmanagement nicht auszusehen hat, verrät übrigens ein Blick über die Grenze zu Stade Francais. Da hat Wild nun nach Robert Mohr auch den Präsidenten rausgeworfen und sich kurzerhand (als Hauptsponsor) selbst zum Präsidenten ernannt. Dennoch ist der Verein mit dem höchsten Budget aktuell in den unteren Regionen der Liga zu finden, nachdem in der Vorsaison der Abstieg nur um Haaresbreite verpasst wurde.

Der DRV - den ich ungern lobe - macht momentan das einzig richtige. Man gibt nur das aus was man hat, um das Überleben des Verbandes zu sichern, d.h. man muss eben aktuell beim 15er-Rugby Abstriche machen, auch wenn es wehtut.

Dies bedeutet aber nicht, dass man keine tollen Aktionen um den RWC starten kann. Die Möglichkeit das positive Image für die eigene Sache zu nutzen ist nicht nur abhängig vom Erfolg der Nationalmannschaft, das macht uns der American Football beispielsweise seit Jahren vor.
September 25, 2019

Tobias Quick said:

2769
...
@Alexander
Eigentlich sehe ich es nicht wirklich anders als du. Wenn die Strukturen nicht stimmen, bringt ein Zugpferd Nationalmannschaft nichts. Das sind dann nur verschwendete Ressourcen. Ich sehe auch nicht den DRV als einziger Akteur mit einer Bringschuld. Die LV und die Vereine sind genauso gefordert. Vor allem sollten wir alle zusammenarbeiten. Machen wir ja sowieso ständig auf dem Platz. Warum nicht vereinsübergreifend Ressourcen bündeln.
Wir sollten vorhandene Strukturen nutzen und neue Strukturen aufbauen, mit dem Ziel dass diese, von Einzelnen unabhängig, aufrechterhalten werden können.
September 25, 2019

Matthias Hase said:

381
...
Zum Glück hat die Großbuchstabenzeitung einen dpa-Text übernommen... ;-)
September 25, 2019

Giles Sims said:

4344
...
Meine Erachtens Rugby in Deutschland hat keine Regionale Struktur. Außerhalb von Heidelberg, Hannover und Berlin fehlt es an Koordination- nicht nur innerhalb der Region aber auch zwischen den Region und der DRV. Andere Verbände haben Regional Development Officers (RDO) deren Job ist es Talent auf zu suchen, Qualität abzusichern und den Sport auszubreiten. Wie wäre es mit vier RDOs (Nord, Süd, West und Ost) die Zentral bezahlt würde, und haben die Aufgabe (wie oben beschrieben) die Regionen voranzubringen.

Ein weitere Hilfe wäre Gewichtsklassen statt Altersklassen in Kinder und Jugend Rugby (wie in New Zealand) oder ausschließlich Touch Rugby bis zum U12 (wie im Wales). Unter die Jetzigen Regeln den großen Kids dominieren aber lernen nie den Ball zu passen und die kleine Kids lernen Tackles zu vortäuschen und oft einfach den Sport aufzugeben.
November 25, 2019

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Letzte Aktualisierung ( Mittwoch, 25. September 2019 )