Deutsches Rugby: Ein Gespräch mit Thomas Schmidt
Geschrieben von Max Joachim   
Donnerstag, 29. Januar 2009

In unserer heutigen Ausgabe der Reihe “Deutsches Rugby” haben wir wieder mal einen weiteren bekannten Namen der deutschen Rugby-Szene befragt: Thomas Schmidt. Der ehemalige Vorsitzende der Niedersächsischen Rugby-Jugend (NRJ) leitet jetzt die Nachwuchsabteilung des DRC Hannover und ist einer der Macher in dem traditionsreichen Bundesliga-Klub.

Hallo Thomas. Als wie wichtig siehst du organisierte Jugendarbeit an?
Das ist eine der Säulen, die das deutsche Rugby tragen, allerdings neigen wir meines Erachtens zum überorganisieren. Deutsche Meisterschaften in den kleinen Schülerklassen und ausserordentliche Rugbytage zur Klärung einer altersklassengerechten Spielfeldgröße halte ich für kontraproduktiv.

Was muss in Deutschland getan werden, damit wir im Nachwuchsbereich noch mehr bewegen können?
Es wird definitiv zuwenig gespielt. In Niedersachen haben die Clubs in der Altersklasse U 16/U18 in der Hinserie 2008/2009 2 Punktspiele gemacht, wegen Terminschwierigkeiten, das ist eigentlich kaum begreifbar.
Der Ansatz von Uli Byszio hat mir gefallen: steckt Kinder in Trikots, gebt den Teams Namen und lasst sie spielen.

Wenn wir das im Hinterkopf behalten, denkst du, dass es kontraproduktiv ist, ausländische Spieler zu verpflichten oder kann dies auch Vorteile bringen?
Rugby-Deutschland ist keine Insel. Wir können und sollten uns der “Globalisierung” unseres Sportes nicht verschließen.
Sowohl wir beim DRC, aber auch der DRV, haben von Spielern, wie Jaques Lemmer, Michael Poppmeier oder unserer Kiwi-Fraktion profitiert. Insbesondere von deren Einstellung zum Sport können unsere eigenen Spieler lernen, denn da klafft oft eine Lücke zwischen Anspruch und Leistungsbereitschaft. Das gestiegene Niveau unserer Bundesligen macht es allerdings schwieriger, mit kleinen finanziellen Mitteln echte Verstärkungen zu verpflichten. Ein Spieler aus einem südafrikanischen Dorfverein bereichert unsere Clubs nicht mehr.
Hier ist von den verantwortlichen Managern Kreativität gefragt.

Wo siehst du die 15er-Nationalmannschaft in 6 Jahren?
Bei der jetzigen Struktur und den (nicht) vorhandenen finanziellen Mitteln sind wir am Limit. Das kann trotz allem Engagement nur abwärts gehen. Wenn ein 125%iger wie Maggi Walger aufhört, weil die Belastung einfach zu hoch ist, ist es fünf vor 12.
Es muss dringend etwas an dem Status der Spieler verbessert werden. Das bisher Erreichte ging nur, weil alle Beteiligten, insbesondere Spieler und Trainer, “für die Nationalmannschaft leben”. Das kann man nicht unbegrenzt lange tun.

Wie wichtig ist 7er-Rugby, um Rugby in Deutschland bekannter zu machen?
Mein Herz schlägt für das 15er, aber das 7er ist gerade für Außenstehende sehr einfach zu verstehen und somit ein idealer Einstieg in die Sportart Rugby. Ausserdem sind dort pressewirksame Erfolge wohl warhrscheinlicher als beim 15er und Präsenz in den Medien ist heute alles.

Warst du bei den Hannover Sevens 2008? Wie hat es dir gefallen?
Natürlich war ich da! Es war eine grossartige Veranstaltung, die viel dazu beiträgt, uns von dem Randsportimage weg zu bringen.

Vielen Dank!

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Kommentare (2)add comment

Plato said:

709
...
Nur wer gut organisierte Strukturen hat, kann auch qualitativ gute Jugendarbeit leisten. Dazu gehören vor allem kompetente Trainer und Betreuer. Wer die Rahmenbedingungen nicht einhält versinkt kurzerhand im Chaos.

Was die Spieltermine und Absagen angeht, darüber haben wir bereits vor 10 und mehr Jahren gesprochen, aber leider ist seither immer noch nicht mehr passiert.
Zum Einen liegt es an den Clubs, die zuwenig Leute für die Vielzahl der Termine haben und zum anderen an den Schülern, die nicht immer alle greifbar sind. Mir fallen da auf Anhieb zwei, drei Clubs ein, wo das desöfteren zu Problemen führt, wenn kurzfristig eine Terminansetzung ansteht! ;-))
Wenn wir es hinkriegen lokale "Helden" zu produzieren, die man kennt und auch sieht, dann hilft das dem eigenen Nachwuchs mehr als die Zugereisten, die irgendwann wieder weg sind. Heroes fallen nicht aus dem Flieger!
Das gestiegene Niveau ist sicher eine Folge der immensen Ausgaben einiger Vereine, bringt dem deutschen Rugby ausser regionaler Publicity aber nichts ein, wenn denn die eigenen Spieler nicht dazu aufschliessen und interessant für die Nationalmannschaft oder BL werden. Kreativität vermissen wir schon länger in der ehemaligen Rugbyhochburg, da helfen auch keine Fidschis oder andere Tricks.
Es geht nur über die konsequente Ausbildung der Jugend und das dauert eben seine Zeit, aber auch dafür muß Geld da sein oder besorgt werden.
Es gibt genügend Beispiele der letzten Jahrzehnte, wo das den späteren Erfolg sicher gestellt hat und wo dann auch das Gegenteil eingetreten ist, als nur noch auf die Erste gesetzt wurde.
Es kann nur mit einer Elite von Spielern versucht werden Erfolge zu erreichen, für mehr ist kein Geld da und auch nicht wirklich nötig, denn die Anreize sind entscheidend. Spitzenförderung für die Nationalspieler, sowie Absicherung für den Fall von Krankheit oder Verletzung.

Alles hängt an Olympia beim 7s, wenn die Vorbereitung sicher gestellt ist, dann sind auch größere Erfolge möglich und somit auf nationaler Ebene eine bessere Vermarktung.
Hoffen wir auf das Einsehen der Verantwortlichen beim IOC.


smilies/smiley.gif
Januar 29, 2009

papaheuss said:

210
...
Goldene Worte von Plato, mehr wert als die ganze Interview-Inflation.
Januar 30, 2009

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Letzte Aktualisierung ( Donnerstag, 29. Januar 2009 )