Tag der Entscheidung: Wer holt sich den 6-Nations-Titel am Super Saturday
Geschrieben von TotalRugby Team   
Freitag, 15. März 2019

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Wird morgen der große Tag für Wales? Die Chancen auf den Grand Slam stehen gut.

Ein spannenderes Finish beim ältesten Rugby-Turnier der Welt gab es lange nicht: Noch drei Teams können sich morgen den Six-Nations-Titel sichern. Wales hat es in der Hand und kann sich mit einem Sieg in der Festung Cardiff den Grand Slam sichern. Sollten Wales allerdings gegen Irland stolpern, wird es kompliziert - England allerdings, hätte dann die beste Ausgangslage.

Italien - Frankreich
Samstag 16. März 13:30 Uhr, Stadio Olimpico Rom

Der Super-Samstag beginnt bereits am frühen Nachmittag mit dem schlussendlich bedeutungslosen Gastspiel der Franzosen in Rom. Zwar können sich les Bleus noch Rang vier in der Endabrechnung sichern und an Schottland vorbeiziehen - doch schon heute steht fest: Dieses Six-Nations-Jahr war für Frankreich erneut eine Enttäuschung. Gemessen an Frankreichs Möglichkeiten, dem Talent-Pool und dem riesigen Budget des Verbands, muss es eigentlich Jahr für Jahr um den Titel gehen.

Stattdessen besteht zum Abschluss der Six Nations morgen in Rom großes Stolperpotenzial. Beide Teams wurden am vergangenen Wochenende auswärts dominiert - doch während dies bei Italien in London erwartet wurde, war die französische Hilflosigkeit gegen das irische Power-Spiel in Dublin für Fans von les Bleus eine Tragödie. Das 14:26 aus französischer Sicht ist dabei unglaublich schmeichelnd, nicht nur durch die beiden bedeutungslosen Last-Minute Tries der Franzosen, sondern auch, weil Frankreich über 90% des Spiels keine Antwort auf Irlands Takte hatte. Hätten die Iren ein wenig effektiver gespielt, wäre Frankreich in Dublin wohl untergegangen.

Wie soll es dem zweifachen Vizeweltmeister so im Herbst bei der WM gelingen ein Wörtchen um den Titelgewinn mitzureden? Immerhin ist das der Anspruch der Franzosen. Für das Spiel in Rom rotiert Coach Brunels daher Mal wieder in großem Stil - Kontinuität ist bei der XV de France weiter ein Fremdwort. Die Rückkehr von Wesley Fofana nach verletzungsbedingter Pause im Mittelfeld allerdings ist vielversprechend: Der trickreiche und spielstarke Innen wird an der Seite von Mathieu Bastareaud auflaufen. Immerhin ist beim Spielmacher-Duo der Franzosen so etwas wie Konstanz eingekehrt: Das blutjunge Pärchen Dupont/Ntamack wird das Spiel der Gäste am Samstag ankurbeln wollen.

Insgesamt muss aus französischer Sicht in Rom schlicht ein Sieg her - zwar sind les Bleus an gleicher Stelle in diesem Jahrzehnt (2011 und 2013) schon zwei Mal gescheitert, doch zuletzt ging die Schere zwischen beiden Teams wieder auseinander und Frankreich konnte jeweils klar gegen die Azzurri gewinnen.

Für die Gastgeber wird dieses Spiel die beste Chance im diesjährigen Turnier sein, nach nunmehr 21 Pleiten in Folge endlich Mal wieder einen Sieg bei den Six Nations einzufahren und die Diskussionen um den Platz der Italiener im Turnier verstummen zu lassen. Gegen verunsicherte Franzosen mit dem eigenen Publikum im Rücken - zwar wird Italien das Turnier so oder so auf dem letzten Platz abschließen, aber ein Sieg wäre ein Ausrufezeichen für die Azzurri. Zumal zuletzt auch die Zuschauerzahlen in der großen Römer Schüssel merklich zurückgegangen waren.

Eine Mammutaufgabe wird auf Innen Marco Zanon zukommen, der es bei seinem Six-Nations-Debüt mit dem hocherfahrenen Duo Bastareaud-Fofana zu tun bekommt. Ebenso noch sehr jung, aber weitaus erfahrener ist Gloucester-Flanker Jake Polledri - er ist einer der absoluten Italien-Leistungsträger und kehrt nun in die Azzuri-Aufstellung zurück. Der hochtalentierte 23-jährige wird die französischen Angriffe in den Rucks verlangsamen müssen und selbst so oft wie möglich über die Vorteilslinie. Sonst hat Italien selbst gegen formschwache Franzosen keine Chance.

Italiens Coach Conor O’Shea sieht sein Team „auf dem Weg auf ein höheres Level“ - Italien mag spielerisch durchaus Fortschritte unter dem ehemaligen Irland-Schluss gemacht haben. Doch so langsam muss sich das auch in den Resultaten widerspiegeln.

TotalRugby-Prognose: Italien konnte daheim gegen ein nicht in Bestbesetzung antretendes Wales durchaus lange mithalten. Sollte es den Azzurri gelingen Frankreich zu frustrieren und das Spiel lange offen zu halten, hätte Italien sogar eine Chance. Aber in Sachen individueller Klasse ist Frankreich einfach zu gut, um in Rom zu verlieren. Selbst wenn die Einstellung der Gäste wieder Mal nicht zu 100% stimmen sollte - Frankreich gewinnt mit +12 Punkten.

Wales - Irland
Samstag 16. März 15:45 Uhr, Principality Stadium Cardiff (Live auf DAZN)

Das Spiel der Spiele, der entscheidenden Showdown. Beide Teams gehen mit Titelchancen in diese Partie, wobei die Rechnung für die gastgebenden Waliser ganz einfach ist: Ein Heimsieg gegen Irland ist gleichbedeutend mit dem Grand Slam. Es wäre der krönende Abschluss der Ära Gatland, denn der Wales-Trainer beendet nach dem zwölften Amtsjahr nach der WM sein Engagement bei den Walisern. Spätestens mit dem morgen möglichen dritten Grand Slam würde Gatland in die Geschichte als einer der größten Trainer der Waliser aller Zeiten eingehen.

Seit Tagen gibt es in Wales kein anderes Thema, als dieses Spiel zwischen dem Titelverteidiger und dem Herausforderer. Tickets für dieses Spiel waren auf bekannten Internet-Plattformen erst ab 300 Pfund zu haben und zum Teil wurden online vierstellige Preise erzielt. Die gut drei Millionen Waliser sind mehr denn je im Rugby-Fieber und die Hauptstadt Cardiff wird morgen vor Fans platzen. Es werden über 250.000 auswärtige Rugby-Fans in Cardiff erwartet und die Pubs der Stadt versorgen sich seit Tagen mit genügend Bier. Der Großteil der Viertel-Million Fans wird die Stadt im scharlachrot des Nationaltrikots erstrahlen lassen - insofern die Fans dem starken Regen trotzen und nicht auf Regenjacken zurückgreifen. Die Vorhersage für morgen in Cardiff ist grausam Dauerregen und starke Winde, dennoch wird das Dach des Cardiffer Nationalstadions geschlossen bleiben.

Dahinter stecken die ersten Psychospielchen - Irland darf als Gast entscheiden wie verfahren wird und Joe Schmidt begründete seine Entscheidung mit dem letzten Gastspiel seiner Iren in Wales. 2017 hätte Wales den Platz bei geschlossenem Dach so stark gewässert, dass man gleich hätte bei offenem Dach spielen können. Dem Spiel wird ein tiefer Platz und ein glitschiger Ball sicher nicht zuträglich sein, doch Irlands Coach weiß auch: Bei geschlossenem Dach ist die sowieso schon imposante Atmosphäre in Cardiff noch ein Mal ein paar Prozentpunkte einschüchternder.

Doch abseits aller Psychospielchen stehen sich morgen nachmittag vor allem zwei großartige Rugby-Teams gegenüber. Wales mit vier Siegen und dem Heimvorteil im Rücken dürfte sicherlich leicht favorisiert sein - die Waliser haben mit ihrem roten Bollwerk bei den diesjährigen Six Nations bis jetzt jeden Gegner unter Kontrolle gehabt. Das Manko war eher die Offensive - mit nur neun Versuchen im bisherigen Turnierverlauf stehen die Waliser gleichauf mit Italien. Doch in den entscheidenden Momenten hatte Wales immer das richtige Mittel parat, wie beim genialen Cross-Kick von Dan Biggar gegen England zum entscheidenden zweiten Versuch.

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die schier endlose Siegesserie der Waliser. Nach mittlerweile 13 Siegen in Folge lehnte sich Wales-Coach Gatland zuletzt weit aus dem Fenster und verkündete: „Dieses Team hat es verlernt zu verlieren!“ Die letzte Niederlage der Waliser hat ihnen aber ausgerechnet Irland zugefügt vor ziemlich genau einem Jahr.

2009 sicherte sich Irland an gleicher Stelle per O'Gara Dropgoal den Grand Slam, ist nun Wales an der Reihe?

Genau daran wollen die Gäste auch morgen anknüpfen und sich so zumindest die theoretische Chance auf die Titelverteidigung wahren. Der neuseeländische Coach der Iren, Joe Schmidt, konnte mit Flanker Sean O’Brien, Zweite-Reihe-Stürmer Tadhg Beirne, sowie Rob Kearney drei erfahrene Stützen des Teams zurückberufen. Die Iren werden, wie bereits gegen Frankreich, versuchen ihr dominantes Ballbesitz-lastiges Spiel aufzuziehen und so den walisischen Riegel zu knacken. Doch nicht nur hat Wales die wohl beste Defensive, sondern gilt auch als das fitteste Team der Six Nations. Darauf zu warten, dass Wales gegen Ende die Puste ausgeht, dürfte vergeblich sein.

Für Irland geht es aber neben der Titelchance vor allem um eines: Zu unterstreichen, dass man nicht zu früh auf dem Leistungszenit war, nachdem es im Herbst noch hieß Irland sei das beste Team der Welt. Denn sowohl im WM-Jahr 2015, als auch bereits 2007 war die gängige Meinung Irland sei schon über den Zenit hinaus, als die Boys in Green mit viel Vorschusslorbeeren und vermeintlichen Titelchancen in den Rugby World Cup gegangen waren, nur um dann viel zu früh zu scheitern. Nach der Niederlage gegen England zum Auftakt der Six Nations wurden in den irischen Medien bereits wieder Stimmen laut: Nicht schon wieder! Dass man mit einem Sieg am morgigen Samstag höchstwahrscheinlich dem Erzfeind England helfen wird - geschenkt. Der Webb Ellis Cup im kommenden Oktober ist das eigentliche Ziel der Iren.

TotalRugby-Prognose: Es wird eine Regenschlacht um den Titel werden in Cardiff - zwischen diesen beiden perfekt funktionierenden Teams. Sowohl die Iren, als auch die Waliser haben eine ganze Reihe von Weltklasse-Spielern in ihren Reihen. Beide Teams haben ihre Spielweise perfektioniert und leisten sich ganz selten Fehler. Was wird das Spiel also entscheiden? Wer mit den Bedingungen besser umgeht? Sicherlich, aber viel mehr gilt es Fehler komplett zu vermeiden, denn am Ende trennt kaum etwas beide Teams. Wales ist in den Jahren unter Gatland nie am Druck und der großen Bühne gescheitert - auch morgen sollte Wales wenig Probleme haben, zumal der Großteil der 75.000 in Cardiff hinter dem Heimteam ist. In Irland hatte man zuletzt keine guten Erinnerungen an die Ausflüge nach Cardiff - die letzten beiden Six-Nations-Duelle dort gingen verloren. Doch ist es genau zehn Jahre her, dass die Iren hier mit Ronan O’Garas Dropgoal ihrerseits den Grand Slam holten. Wir von TR jedoch sehen Wales morgen siegreich vom Platz ziehen - zu konstant waren die Männer von Warren Gatland in den letzten Wochen, Wales gewinnt mit +4 Zählern.

 

England - Schottland
Samstag 16. März 18:00 Uhr, Twickenham Stadium London

Wenn im Twickenham Stadium um 17 Uhr Lokalzeit der Anpfiff erfolgt, werden die Gastgeber bereits wissen, ob es noch um den Titel geht. Denn ohne irische Schützenhilfe kann England den Titel nicht gewinnen, so viel steht fest. Doch England dürfte auch so mehr als genug Motivation haben - denn das Team von Eddie Jones ist der festen Überzeugung, etwas geraderücken zu müssen. Die schmerzliche 13:25 Pleite im Vorjahr im Murrayfield gegen Schottland hatte eine zehnjährige Dominanz, währenddessen England nicht ein einziges Mal gegen Schottland verloren hatte, beendet.

Doch das Schottland von 2019 ist nicht das Schottland von 2018 - neben den Verletzungen einiger Schlüsselspieler wie Huw Jones, Johnny Gray oder Stuart Hogg, fehlen dem schottischen Team die letzten paar Prozente. Während man im Vorjahr noch tolle Spielzüge am Fließband produzierte und einige davon erfolgreich abschloss, fehlt dem Team nun diese Finisher-Qualität. Verbinder Finn Russel findet die Balance zwischen Hurra-Stil und dem nötigen Game-Management nicht.

2018 war das Jahr der Schotten - doch wie hier gegen England läuft es derzeit nicht

Dazu muss Coach Townsend Woche für Woche rotieren und hat mitten im Turnier den Kapitän Greig Laidlaw entthront. In dieser Form nach Twickenham zu reisen, wo es vor zwei Jahren noch eine 21:61 Pleite setzte, kommt da ziemlich ungelegen. Schottlands Trainer Townsend jedenfalls will den Druck von seinen Jungs nehmen und betonte öffentlich: „Wir waren bisher nicht gut genug und das ist zum Teil auch meine Schuld.“ Morgen wird es für die Schotten vor allem darauf ankommen lange im Spiel zu bleiben und Englands schwere Ballträger unter Kontrolle zu bringen. Immerhin ist mit Ex-Siebener-Star Hamish Watson ein wichtiger Baustein wieder in der Start-XV. Der Flanker hatte von der Bank aus gegen Wales direkt viel Druck machen können.

Die Gastgeber nutzen das Spiel derweil um weitere Kombinationen auszuprobieren - Eddie Jones lässt Manu Tuilagi nun mit Henry Slade im Mittelfeld auflaufen nachdem zuvor zwei Mal Ben Te’o der Innen-Partner des zu alter Stärke zurückgefundenen Leicester-Mannes war. Auf Tuilagi und die anderen starken Ballträger, wie Billy Vunipola, Kyle Sinckler und George Kruis wird es bei ebenso schwierigen Bedingungen ankommen. Champagner-Rugby dürfte im Dauerregen von London nicht gefragt sein. Viel mehr öfter Mal den Kopf runter zu nehmen und Meter zu machen. Doch genau das und im richtigen Moment zu kicken war bisher Englands Stärke.

Für Eddie Jones wäre ein morgiger Sieg auch ein wenig persönliche Rache. Im Vorjahr hatte er den Rückweg aus Schottland erst am Tag nach dem Spiel per Zug angetreten. Dabei war der meinungsstarke englische Trainer von mehreren schottischen Fans im Zug belästigt, beleidigt und verhöhnt worden, die daraufhin eine Geldbuße zahlen mussten. Für Jones war es eine Demütigung, zumal diese Szene auch über die sozialen Medien mit Bildern an die Öffentlichkeit gelangt sind. Seinem Team hat er einfache Marschroute an die Hand gegeben: „Uns muss egal sein, was in Cardiff passiert, wir müssen gewinnen, ganz einfach!“ Und mit ein wenig Schützenhilfe könnte dies sogar zum Titel reichen.

TotalRugby-Prognose: Dauerregen in Twickenham, geschwächte Schotten und Engländer mit Wut im Bauch. Der Calcutta Cup, die Trophäe die zwischen diesen beiden Rugby-Urnationen ausgetragen wird, ist morgen Abend wieder in den Händen der Engländer. Schottland wird sich ohne Zweifel tapfer wehren, aber die Voraussetzungen könnten nicht besser sein für England. Mit den starken Ballträgern, dem Publikum im Rücken und den für das englische Kickspiel gemachten Bedingungen werden die Gastgeber morgen deutlich gewinnen. England geht mit +21 siegreich vom Feld.

 

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