Ein Frankfurter Jung und sein Traum von den All Blacks
Geschrieben von TotalRugby Team   
Donnerstag, 4. Oktober 2018

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Ein Frankfurter Jung Down Under: Anton Segner nach seinem NZ-Schools-Debüt gegen Tonga letzte Woche.

Er lebt gerade den Traum eines jeden jungen Neuseeländers. Anton Segner gilt als eines der größten Rugby-Talente Neuseelands und das als junger Deutscher, der erst vor nicht allzu langer Zeit nach Neuseeland gezogen ist. In Neuseelands Schul-Auswahl, der als Kinderstube der All Blacks bekannten U-18 des Landes, wird Segner morgen das Spiel seiner bisherigen Karriere absolvieren. Der 17-jährige Frankfurter wird vor Tausenden Zuschauern, live im neuseeländischen TV übertragen, gegen Australiens Auswahl antreten. Sein Weg aus Frankfurts hervorragender Jugendabteilung in das beste Rugby-Team der Welt scheint vorgezeichnet.

Als Anton Segner vor nicht einmal zwei Jahren aus seiner Heimatstadt Frankfurt die lange Reise ans andere Ende der Welt antrat, hat er sicher nur davon träumen können, an diesem Samstag im Ballymore Stadion von Brisbane vor tausenden Zuschauern im berühmten Schwarz Neuseelands den Haka zu vollführen. Das 17-jährige deutsche Supertalent hat es in der Heimat des Weltmeisters in nicht einmal zwei vollen Spielzeiten in die neuseeländische Schul-Auswahl geschafft.

Was sich für Laien erst einmal nicht unbedingt leicht einschätzen lässt, ist eine unglaubliche Leistung, zumal für einen jungen Deutschen, der erst viel später als seine Teamkollegen in den Kontakt mit dem ovalen Leder kam. Auf der Homepage der All Blacks wird das "Schools Team“ als erste Stufe auf der Leiter der neuseeländischen High Performance Teams“ beschrieben - de facto ist diese Auswahl die U-18 Nationalmannschaft der rugbyverrücktesten Nation auf dem Planeten.

All-Blacks-Kinderstube und Sprungbrett „NZ Schools“

Das Schools Team ist das Sprungbrett ins Profi-Rugby, wie ein Blick in die Kader der vergangenen Jahre zeigt: Die aktuellen All Blacks Damien McKenzie, Ardie Savea, Sam Kane, Julien Savea und nicht zuletzt Rieko Ioane sind alle jeweils in den letzten Jahren durch das Tor „NZ Schools“ ins Profi-Rugby und schlussendlich zum Weltmeister-Team gekommen. Wobei zwischen Rieko Ioanes Einsatz in der Schülerauswahl und seinem All-Blacks-Debüt gegen die British & Irish Lions im ausverkauften Eden Park nicht einmal zwei Jahre lagen.

Segner selbst sieht im Duell am Samstag gegen Australiens Auswahl das größte Spiel seiner bisherigen Karriere, wie er im ausführlichen Gespräch mit TR erklärt. In der alten Heimat der Queensland Reds werden bis zu 10.000 Zuschauer erwartet und sowohl im australischen, als auch im neuseeländischen TV wird dieses Traditions-Duell live zu sehen sein. Im Warm-Up-Spiel am letzten Donnerstag gegen Tonga feierte Segner, der noch zum jüngeren der beiden spielberechtigten Jahrgänge des diesjährigen Schools Teams zählt, sein Debüt und wurde dabei direkt zum Man of the Match gewählt. Mit zahlreichen Turnovers, tollen Läufen und einem großartigen Versuch bewies Segner seine Extraklasse.

Das Debüt gegen Tonga mit einem Versuch gekrönt

Als Siebener sieht Segner seine Vorbilder in den Crusaders- und All-Blacks-Teams der letzten Jahre. Richie McCaw sei während seiner aktiven Karriere ein großes Vorbild gewesen und mittlerweile sei dies Sam Cane. Der aktuelle Openside Flanker Neuseelands zeichnet sich für den jungen Deutschen vor allem durch seine unermüdliche Arbeitsmoral aus, seine Bereitschaft die Drecksarbeit zu erledigen. Davon will sich auch Anton Segner inspirieren lassen und beschreibt sein Motto wie folgt: „Harte Arbeit besiegt das Talent!“

Mentor Manawatu als entscheidender Einfluß auf Segners Entwicklung

Dabei attestiert Tilo Barz, Jugendkoordinator bei Anton Segners Heimatklub Frankfurt 1880, seinem ehemaligen Schützling „besonderes Talent“, sowie eine „unglaublich disziplinierte Haltung“. Segner hatte im Alter von neun Jahren, nachdem er erst mit Fußball und Eishockey experimentiert hatte, inspiriert von englischen Schulfreunden, mit dem Rugbysport angefangen. Schon von früh an spielte der für sein damaliges Alter große und schwere Segner im Sturm, wo er heute mit 1,92 m und über 100 kg noch immer für sein physisch hartes Spiel bekannt ist.

Von Beginn an nahmen Frankfurts neuseeländische Trainer den jungen Blondschopf unter ihre Fittiche und infizierten Segner dabei auch mit dem All-Blacks-Virus. „Mir wurde von Tim Manawatu und den anderen Trainern schon in Frankfurt erzählt, wie rugbyverrückt Neuseeland ist, dass man an jeder Ecke Malstangen und Jungs mit einem Rugbyball unter dem Arm sieht, genau so ist es auch und genau das wollte ich immer“, wie Segner erklärt. Aber auch in der spielerischen Entwicklung des jungen Stürmers waren die 1880-Trainer, allen voran Tim Manawatu, von entscheidender Bedeutung wie Segner weiter erläutert: „Sie haben mir schon früh gesagt woran ich arbeiten muss, um auch hier in Neuseeland mithalten zu können.“

Tim Manawatu, der in den frühen 2000er-Jahren als Profi für Hawkes Bay (Ex-Provinz von Deutschlands ehemaligem Siebener-Nationaltrainer Chad Shepherd) und der Heimat-Provinz von Jonah Lomu, Counties Manukau, in Neuseelands Provincial Championship (dem Level unter Super Rugby, aus Sponsoring-Gründen aktuell Mitre 10 Cup, vorher Air New Zealand Cup und ITM Cup) als Profi unterwegs war, bevor er über Italien bei Frankfurt 1880 landete, entwickelte sich früh zu einer Art Mentor von Anton Segner.

Tim Manawatu über seinen Schützling: "Antons Rugby-Geschichte ist eine Inspiration, von Anfang bis Ende. Ich war dabei als sie begann und habe das Privileg seine Entwicklung hier weiter verfolgen zu können. Er arbeitet kontinuierlich an seinen Rugby-Qualitäten. Seine Trainer hier in Neuseeland sprechen nur in den höchsten Tönen von ihm, von seiner Professionalität und der Art und Weise wie er sich auf und neben dem Rugbyplatz verhält. Er hatte das Glück am Anfang die 1880-Familie um sich zu haben und diese kann nun stolz darauf sein, wie er den Klub hier repräsentiert."

Ex-1880-Spieler Tim Manawatu ermöglichte Segner den Sprung nach Neuseeland

Als eben jener Tim Manawatu vor drei Jahren die Rückkehr in die neuseeländische Heimat antrat, um als Nachwuchs-Koordinator der Tasman Makos (einem weiteren Provinz-Team im Mitre 10 Cup) zu arbeiten, ergaben sich für den ehemaligen Schluss und sein Ziehtalent neue Möglichkeiten. Er verhalf Segner zu einem Rugby-Stipendium am Nelson College, einer Traditions-Schule in der nördlichsten Stadt der neuseeländischen Südinsel. An dieser Schule wurde einst im Jahr 1870 das allererste Rugby-Spiel auf neuseeländischem Boden überhaupt abgehalten.

Segners Schule hatte 2016 zuletzt den landesweit wichtigsten Schul-Titel Moascar Cup gewonnen und zählt zu den wichtigsten Rugby-Brutstätten des Landes. Ganze 18 All Blacks haben ihre Rugby-Ausbildung am Nelson College genossen. Um zu verstehen welchen Stellenwert die Schul-Rugby-Wettbewerbe in Neuseeland haben, muss man nur regelmäßig beim neuseeländischen TV-Sportsender Sky reinzappen. Wöchentlich werden mehrere Spiele zwischen den großen Rugby-Schulen des Landes übertragen, und dazu gibt es eine Highlight-Sendung, die von Land Rover gesponsert wird.

Seit über 100 Jahren werden landesweite Wettbewerbe abgehalten und die Traditionen der einzelnen Colleges hochgehalten. Angesprochen auf das Niveau der Schul-Liga im Vergleich mit der Bundesliga bei seinem Heimatklub 1880, erklärt Segner gegenüber TR: „Natürlich spielen in der Bundesliga Männer und dadurch ist es härter und aggressiver, aber hier ist das technische Niveau schon noch Mal höher als in der deutschen Bundesliga.“

In einem der auf Sky übertragenen Live-Spiele konnte der junge deutsche Segner mit einer „Man of the Match Performance“ mit gleich drei Versuchen landesweit von sich Reden machen. Segner wurde als Teil des jüngeren Jahrgangs in der abgelaufenen Saison zum Kapitän und kam dadurch auch in die Notizbücher der Crusaders Akademie. Das erfolgreichste aller Super-Rugby-Teams, aus dem die All-Blacks-Legenden Richie McCaw, Dan Carter und Justin Marshall hervorgingen, ist im neuseeländischen System der Catchment Areas (Einzugsgebiete) für Nelson zuständig. Segner wird mittlerweile vom Crusaders-Nachwuchs betreut und eines seiner vorrangigen Ziele ist es, in die Crusaders Senioren-Mannschaft zu kommen.

Von der Schule auf dem Weg zu den Crusaders

Doch zuerst hat der Dritte-Reihe-Stürmer noch eine ganze Saison Schul-Rugby vor sich und danach wäre der nächste logische Schritt ein Vertrag bei einem Mitre-10-Cup-Team, dem bereits professionellen Level unterhalb des Super-Rugby-Wettbewerbs. Die Tasman Makos haben bereits Segners Vorgänger als Nelson-College-Kapitän Leicester Faingaanuku unter Vertrag genommen und auch Segner strebt diesen nächsten Schritt an. Sollte Segner auch bei den Makos in seiner neuen Heimat Nelson brillieren, wäre der Crusaders Senioren-Kader die darauffolgende Sprosse in der neuseeländischen Rugby-Karriere-Leiter.
Die Crusaders setzen sich aus den beiden Mitre-10-Cup-Provinzen Tasman und Canterbury zusammen und diejenigen Crusaders-Spieler, die nicht bei den All Blacks involviert sind, spielen in der nach dem Super Rugby stattfindenden Mitre-10-Cup-Saison für ihr jeweiliges Provinz-Team. So dass beispielsweise auch im Makos-Team etliche Crusaders involviert sind.

Segners Traum von den All Blacks

Doch Segners Traum ist der vom mystischen Trikot der All Blacks. Die Frage ob er einmal, so denn er die Wahl habe, für Deutschland oder Neuseeland auflaufen werde, kennt der Frankfurter schon gut. Schon seine jetzigen Team-Kollegen in Neuseeland fragen ihn laut eigener Aussage ständig danach und Segner hat auch gegenüber TotalRugby eine klare Antwort parat: „Die All Blacks sind eines der besten, wenn nicht sogar das beste Sport-Team das es je gab - für mich ist es schon lange ein Traum für die All Blacks aufzulaufen.“

Dass Segner den Willen und das Talent dazu hat, bestätigen auch seine ehemaligen Coaches - auch wenn der Weg zu seinem ersten Spiel im All-Blacks-Trikot noch ein weiter sein dürfte, der mit viel Blut Schweiß und Tränen verbunden ist. Natürlich bedarf es auch ein wenig Glück, nicht zuletzt wenn es um Verletzungen geht. Doch der Weg dahin scheint für den jungen Frankfurter vorgezeichnet. Segner wäre der 19. All Black vom Nelson College, der 18. seit dem Beginn des Profi-Zeitalters, der nicht in Neuseeland geboren wurde und der allererste aus Deutschland.

Mit dem Haka und den neuseeländischen Gebräuche ist Segner jedenfalls bereits vertraut. Bereits an diesem Samstag um 9 Uhr morgens deutscher Zeit wird Segner wieder im Schwarz seiner Wahlheimat den so berühmten Kriegstanz vor den Augen seiner angereisten Eltern vollführen. Aber auch in Frankfurt schaut ihm dabei ein ganzer Verein mit Stolz zu.

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Kommentare (1)add comment

Andreas Hauer said:

2314
Kleine Korrektur
Die „Makos“ heißen seit diesem Jahr nur noch Mako (Plural).
Oktober 05, 2018

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Letzte Aktualisierung ( Freitag, 5. Oktober 2018 )