Drei Thesen zur DRV-XV-Niederlage in Madrid
Geschrieben von TotalRugby Team   
Sonntag, 11. März 2018

Die deutschen Jungs traten heute vor großer Kulisse und gegen einen übermächtigen Gegner an.
Die deutschen Jungs traten heute vor großer Kulisse und gegen einen übermächtigen Gegner an.

Es war die vierte Niederlage im vierten Spiel. Gegen den fast schon sicheren WM-Teilnehmer Spanien sprach die Anzeigetafel am Ende eine eindeutige Sprache. Aus deutscher Sicht heißt es die Fehler zu analysieren und den Blick nach vorne zu werfen. Kommende Woche in Köln und noch viel wichtiger am 28. April stehen entscheidende Spiele fürs deutsche Rugby an. Wir analysieren das Geschehen in Madrid.

Spanien hat die Schwächen der DRV-Auswahl gnadenlos offengelegt

Spaniens Auswahl ist die erfahrenste dieser Rugby Europe Championship. Ein Großteil des Kaders ist über 30 Jahre alt und seit Jahren auf diesem Niveau unterwegs. Dass es gerade an dieser Erfahrung im deutschen Kader momentan mangelt, ist kein Geheimnis. Doch Spaniens Erfahrung mit seiner Mannschaft, die schon so manche Schlacht in Europa geschlagen hat, war nur einer von einer Reihe Aspekten, die den Klassenunterschied am heutigen Nachmittag manifestierten. Die technische Versiertheit des Leones-Kaders, mit seinem starken French Flair, ein weiterer. Die Offloads der spanischen Mannschaft fügten unserer Defensive ein ums andere Mal erheblichen Schaden zu und erzwangen ein Verteidigen im Rückwärtsgehen, ein Alptraum für jeden Rugby-Spieler.

Darüber hinaus war auch im vierten Spiel dieses Sechs-Nationen-Turniers die Koordination in Defensive, wie in der Offensive weiterhin ein Problem die. Spätestens nach zwei oder drei Phasen der Spanier über die Vorteilslinie klafften zu große Lücken im Defensiv-Verbund. Wobei die DRV-Spieler nach dem Abpfiff nicht müde wurden zu betonen, dass sich dies Woche für Woche verbessere. Außendreiviertel Pascal Fischer machte auch mangelnde Kondition als einen Faktor aus, der dem deutschen Team in den entscheidenden Momenten die wichtigen Schritte gekostet habe.

Nachdem ein Großteil des Kaders den Winter über ohne Spielpraxis verbracht hat, werden die nächsten Wochen entscheidend sein, um sich die nötige Kondition anzueignen. DRV-Prop Marcus Bender hatte schon direkt nach dem Abpfiff angemahnt, dass man sich nun für das Trikot zerreißen müsse und jede faktische freie Minute im Gym oder auf dem Platz verbringen müsse. Für diese Botschaft erntete er von seinen Team-Kollegen lautstarke Unterstützung - an Motivation und Leidenschaft fehlt es diesen Jungs auf keinen Fall. Der Glaube an sich und die Mitspieler dürfte gegen den Relegationsgegner, der eine Aufstiegssaison hinter sich hat und mit dementsprechend breiter Brust daherkommen wird, ein ebenso wichtiger Faktor sein.

Abgesehen von den konditionellen und körperlichen Problemen gegen die Spanier waren Abstimmungsschwierigkeiten noch immer zu sehen, auch wenn diese mittlerweile weniger zu werden scheinen. Die Probleme bei den Standards wurden zumindest weniger - Erste-Reihe-Brocken Matthias Schösser verlieh dem deutschen Gedränge wichtige Stabilität. Wenn Julius Nostadt wieder bei 100% ist, dürften er und Schösser zusammen aus dem „Sorgenkind“ Gedränge durchaus eine Waffe machen können. Die Gasse dagegen war auch heute wieder ein riesiges Problem - so wird es schwer werden sich in der gegnerischen Hälfte festzusetzen, wenn man den Ballbesitz nicht in den Gassen verteidigen kann.

Mit Blick auf die Relegation am 28.4. wird Verstärkung wird nötig sein

Natürlich wird ein potenzieller Relegationsgegner, aller Voraussicht nach Portugal, niemals die Stärke, Erfahrung und Eingespieltheit haben, wie das der kommende WM-Teilnehmer Spanien an den Tag gelegt hat. Dennoch wird die deutsche Mannschaft auch Verstärkungen gebrauchen können. Zum einen erfahrene Spieler, die in brenzligen Momenten einen kühlen Kopf bewahren und ihre Mitspieler auf das wesentliche einschwören. Zum anderen ein Spieler mit X-Faktor - in den Momenten in denen Deutschland heute in die Nähe der spanischen Linie gekommen ist, fehlte jeweils ein ganz kleines bisschen. Sei es der kräftige Run eines überragenden Ballträgers, der Step eines flinken Innen oder die clevere Finte eines Spielers direkt am Ruck. Mit viel Herz hatte sich die deutsche Mannschaft gegen Ende des ersten Durchgangs bis an das spanische Mal herangekämpft aber selbst nach 5 Minuten Dauerbelagerung der Linie wollte nichts rausspringen.

Dem Team-Management muss es, wie den Belgiern vorige Woch, gelingen zum entscheidenden Zeitpunkt alle Ressourcen zu bündeln. Tim Menzel und Christopher Hilsenbeck haben am Freitag Abend ihren RC Vannes in Frankreichs zweiter Liga zum 36:13 Erfolg über Mont de Marsan geführt. Sie würden dem deutschen Team einen riesigen Schub geben, zumal die beiden nun Woche für Woche wie eins bei Colomiers und Handschuhsheim zusammenspielen. Julius Nostadt hatte sich nach dem Rumänien Spiel im Trikot von Aurillac eine gebrochene Nase sowie eine Gehirnerschütterung zugezogen, doch bis zum Relegations-Termin am 28. April dürfte der Erste-Reihe-Riese wieder fit sein. Dieses Trio von ihren sicherlich nicht allzu erfreuten Vereinen loszueisen wird jetzt die oberste Priorität sein.

Außerdem wird die Siebener-Nationalmannschaft ihr Saison-Highlight, Hong Kong Sevens, bereits hinter sich haben. Zwar steht die weiterhin wichtige EM an, doch diese beginnt erst am vorletzten Mai-Wochenende in Moskau. Ein wenig Speed und Handlungsschnelligkeit aus dem Siebener-Kader würde der DRV XV in jedem Fall gut tun. Schon im Dezember hatten die Siebener-Spieler extrem kurzfristig ausgeholfen, als der DRV vor dem Chile-Spiel ohne Mannschaft dastand. Damals hatten sie nur eine gemeinsame Einheit - dieses Mal dürften es einige mehr sein und der Platz zudem deutlich schneller, als das am letzten November-Wochenende in Offenbach der Fall war.

Spanien hat sich das Japan-Ticket redlich verdient

Wer Russland in Krasnodar und Rumänien daheim schlägt, hat sich das WM-Ticket mit Sicherheit sportlich verdient. Jetzt mag so mancher unken, dass diese spanische Mannschaft eher einer B-Mannschaft des großen Nachbarn Frankreichs gleichkommt. Und während diese Mannschaft tatsächlich einen starken französischen Einfluß hat, kann man die Spanier wegen ihrer engen Verflochtenheit mit der Grande Nation über das Baskenland und Katalonien kaum verdammen. Die 16.000 Zuschauer heute in Madrid bildeten eine wunderbare Kulisse und es waren tatsächlich Spieler und Fans von Klubs aus ganz Spanien vertreten. Vereins-Farben von Almeria bis À Coruna waren heute in Madrid zu sehe. Das spanische öffentlich-rechtliche Fernsehen übertrug live und etwa 500.000 schauten zu, das Staats-Oberhaupt war zu Gegen und so scheint Spaniens Rugby eine Bedeutung wie nie zuvor im Land von Real Madrid und dem FC Barcelona zu haben.

Dass die spanische Mannschaft heute den vorletzten Schritt nach Japan gemacht hat, ist eher eine Manifestation eines jahrelangen Aufwärtstrend, als ein mit Importspielern zusammengekaufter Erfolg. Das spanische Rugby insgesamt hat in den letzten Jahren einen großen Sprung gemacht und nicht die WM wird der Katalysator für die Entwicklung sein, sondern die bisherige gemeinsame Arbeit auf das große Ziel hin sorgte für die Fortschritte. Die Teilnahme im Jahr 1999, so hat man in Spanien schmerzlich erfahren müssen, war mehr oder weniger schnell verpufft. Vier Gruppenspiele mit reichlich hohen Niederlagen inspiriert niemanden sich vom Fußball umzuorientieren.

Heute steht Spanien umso stärker da und sollte es den Leones gelingen ihren Kader zu verjüngen und die vielen neuen Nachwuchsspieler gutem Coaching zuzuführen, wird sich Spanien noch deutlich weiter entwickeln. Schon vor einer Woche in Georgien, bei der Vorzeige-Mannschaft Europas hatten die Spanier bewiesen, auf welchem Niveau sie mittlerweile mithalten können. Spanien hatte die Lelos lange in Schach gehalten und erst mit der letzten Aktion hatte Georgien auf 23:10 davonziehen können. Bei der WM 2015 konnte Georgien zwei Siegen einfahren und sich als Gruppendritter direkt für das nächste Turnier qualifizieren - warum sollte das für Spanien unmöglich erscheinen?

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Kommentare (9)add comment

Christian Fischer said:

3424
...
Warum ist bei deutschen Heimländerspielen nicht so eine euphoristische Stimmung? Braucht das dt. Rugby bei Länderspielen eine Ultra-Support-Combo?
März 11, 2018

Benjamin Becker said:

4043
Termin Frage
was ist am 28.04.2018 für ein wichtiges Spiel?
Laut wikipedia ist das Relegationsspiel am 19.05. und auf der Rugby Europe Seite finde ich das Spiel leider gar nicht.
März 11, 2018

Tobias Quick said:

2769
These 4 fehlende breite Basis
Auch wenn seit einigen Jahren ein kontinuierlichen Wachstum gibt, so fehlt weiterhin eine breite Basis. Und dabei geht es sowohl um Nachwuchsspieler als auch um Zuschauer. Wir können ja nicht mal mit allen Vereinsmitglieder allein 16.000 Zuschauer in ein Stadion bekommen.
Es gibt zwei Wege in der Sportentwicklung, die zum Erfolg in einer Sportart führen können. Über den Breitensport oder die gezielte Elitenförderung.
Für Deutschland kann es nur über eine Kombination beider Wege gehen. Alles andere wird langfristig nicht zu einer nachhaltigen positiven Entwicklung führen. Und warum? Einerseits aufgrund der Größe Deutschlands und andererseits auf Grund der Größe des Verbandes.
März 12, 2018

Andreas Hauer said:

2314
Relegationsspiel
Am 28.04. ist auch Bundesliga-Spieltag.
Wird der jetzt komplett verschoben?

Und wo findet denn das Spiel statt?
März 12, 2018

Andreas Hauer said:

2314
Termin Relegationsspiel
Hier steht, dass das Spiel am 19.05. stattfinden soll:

http://www.rugbyeurope.eu/sites/default/files/document/171006_re_staff_planning_rugby_europe_competitions_17-18_v4.pdf
März 12, 2018

Werner Cromm said:

67
...
Das Dokument ist von Anfang Oktober 2017 und veraltet. Aktuell ist eine Version von Februar 2018.
März 12, 2018

Werner Cromm said:

67
...
Alle für den 28./29.04. geplanten Spiele der ersten Bundesliga wurden verschoben.
https://www.facebook.com/rugbybundesliga/
https://www.rugbyweb.de/index.php?league=BL1N&le2=BL1S
März 12, 2018

Boudewijn Vertonghen said:

3905
Spieler-Abstellungen
Hoffentlich haben die ausländischen Proficlubs unserer Nationalspieler Ende April nicht mehr mit Abstieg oder Aufstieg zu tun. Wenn es nicht mehr um so viel geht, würde es leichter fallen, Spieler für das Länderspiel freizustellen.

Ich fürchte aber: Ende April ist noch fast nichts entschieden :-(
März 12, 2018

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