DRV-XV-Stars drohen mit Boykott des Chile-Spiels
Geschrieben von TotalRugby Team   
Dienstag, 21. November 2017

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Sean Armstrong droht mit Boykott des Länderspiels am Samstag in Offenbach.

Seit Monaten schwelte der Konflikt zwischen dem ehemaligen Hauptsponsor des DRV, der vom Capri-Sun-Milliardär Dr. Hans-Peter Wild finanzierten Wild Rugby Akademie, und dem Deutschen Rugby-Verband selbst im Verborgenen. Nun wird der Konflikt plötzlich offen und wohl auch zu Lasten der deutschen Fans ausgetragen - der Co-Kapitän der DRV XV Sean Armstrong sendete am heutigen Nachmittag eine Pressemitteilung in seinem und Michael Poppmeiers Namen aus, in der offen mit dem Boykott des DRV-XV-Spiels gegen Chile in Offenbach am Samstag gedroht wird.

Noch am vergangenen Samstag hatten Armstrong und Michael Poppmeier ihrem Ärger ob der Nicht-Verlängerung des Sponsoren-Vertrages mit der WRA gegenüber der versammelten Presse geäußert. Im Anschluss an die Pressekonferenz hatten die beiden bei der WRA-Angestellten DRV-XV-Routiniers unter anderem bemängelt, dass der DRV-Vorstand sich zu wenig für die Mannschaft einsetze und darüber hinaus ihre „große Angst“ geäußert angesichts der künftigen Weichenstellungen im deutschen Rugby. Auf Nachfrage eines Radio-Journalisten hatten Armstrong und Poppmeier jedoch einen Boykott ausgeschlossen und betont welche Ehre es sei für Deutschland aufzulaufen.

Scheinbar steht diese Zusage nun, 70 Stunden nach der denkwürdigen Pressekonferenz von Wiesbaden, jedoch nicht mehr. In besagter Pressemitteilung wird unter anderem die mangelnde Kommunikation und Unterstützung durch den DRV-Vorstand kritisiert und dazu werden folgende Forderungen gestellt:

„Wir fordern, dass sich der Verband nachhaltig ändert und bis Samstag erste richtungsweisende Ӓnderungen vollzieht . Die Verantwortlichen müssen für die Zukunftssicherung der 15er Nationalmannschaft auf dem aktuell hohen Niveau entsprechende Maβnahmen vorlegen oder Ӓnderungen im Vorstand vollziehen, damit diese Programme geschaffen werden “

Das kommt nur 96 Stunden vor dem Chile-Spiel einem Ultimatum gleich. Welche Änderungen genau gemeint sind, ob inhaltlicher oder personeller Natur, bleibt zunächst unklar - doch steht scheinbar schon so oder so fest: „Um ein Zeichen in der Öffentlichkeit zu stellen werden sie am nächsten Samstag beim Spiel gegen Chile dem Verband nicht zur Verfügung stehen.“

Weiterhin werden Poppmeier und Armstrong mit folgenden Worten zitiert: „Dieser Schritt erfolgt zum jetzigen Zeitpunkt, weil wir die sportlichen Ziele nicht gefährden wollen. I n den nächsten Spielen im Februar und März 2018 geht es um die EM - und WM - Qualifikation. Dort wollen wir uns mit gesammelten Kräften beweisen."

Ob es jedoch dazu kommen würde bleibt ebenso fraglich. Denn sollte die deutsche Mannschaft am Samstag in Offenbach nicht oder nicht in voller Stärke antreten, dürfte dies schwerwiegende Konsequenzen von World-Rugby-Seite her haben. Das mittlerweile sehr gute Verhältnis mit dem Weltverband hatte zuletzt deutlich verbesserte Fördersummen durch WR zur Folge. Weiterhin finden die November- und Juni-Länderspiele mit WR-Unterstützung statt - diese dürfte nach einer eventuellen Absage definitiv wegfallen.

Was weitere Verwirrung stiftet, ist die Tatsache, dass die WRA sich bereits Stunden vor dem Spieler-Ultimatum an den DRV-Vorstand gewendet hatte und - so berichtet uns eine gut informierte Quelle - die Aufkündigung der Freistellungs-Vereinbarung für diese Woche angekündigt hatte. Anfang des Monats hatten sich DRV und WRA geeinigt, dass Spieler und Trainer der WRA im November für Deutschland auflaufen und der DRV im Gegenzug Trainer und Betreuer dafür bezahlt. Die Spieler mussten sich bei ihrem Arbeitgeber Sonderurlaub sichern, um überhaupt mit dem Adler auf der Brust auflaufen zu dürfen.

Wie nun weiter verfahren wird ist zunächst völlig unklar, genauso welche Spieler sich dem Boykott anschließen werden. Wir haben uns an beide Seiten mit Rückfragen gewendet, jedoch noch keine offiziellen Antworten erhalten. Sobald wir mehr wissen, werden wir euch informieren.

Update: In einer Pressemitteilung mit dem Titel „Erfreuliche Spiele mit bitterem Beigeschmack“ wird WRA-Geldgeber Wild wie folgt zitiert: „Ich bin sehr zufrieden mit den Leistungen der von der GFR (WRA Tochter; Anm. der Redaktion) bezahlten Nationalspieler und dem von der GFR bezahlten Trainer und Betreuerstab. Allerdings steht das GFR-Personal dem DRV ab sofort nicht mehr zur Verfügung. Die Grundhaltung, dass ich bezahlen soll und die Funktionäre kassieren ist für mich nicht akzeptabel.“ Was er mit "kassieren" meint, ist angesichts der Tatsache, dass der DRV-Vorstand ehrenamtlich tätig ist, unklar.

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Kommentare (18)add comment

Walter-Holger Gebhardt said:

3931
Frage zum Artikel
Kann bitte der Link zu der o.a. Pressemitteilung veröffentlicht werden?
November 21, 2017

Matthias Hase said:

381
...
Gibt keinen Link, da die Verfasser die beiden PM im elektronischen Netz (noch) nicht veröffentlicht haben
November 21, 2017

Matthias Hase said:

381
...
Hier die PM der Spieler im Wortlaut auf meinsportradio.de: https://meinsportradio.de/2017/11/21/rugby-nationalteam-im-streik/

Ihr Arbeitgeber hat seine PM noch nicht veröffentlicht.
November 21, 2017

Ole Zimmer said:

4013
Wem nutzt es?
Unser kleiner Verband ist traditionell unprofessionell. Das ist ärgerlich und auf lange Sicht keine Lösung. Aber: Dieser Streik ist eine Schande und nichts weiter als ein Erpressungsversuch. Bei allen berechtigten Anliegen der Mannschaft – hier versuchen die Angestellten der Wild Titans, die Forderungen ihres Arbeitgebers durchzusetzen. Das ist schäbig.

Die Kommunikation mit einem sicher an vielen Stellen unprofessionellen Verband ist zäh und frustrierend und für professionell arbeitende Sportler schwierig. Dieser angedrohte Streik jedoch ist für das Anliegen der Mannschaft, für den Verband und für den deutschen Rugbysport insgesamt kontraproduktiv.

Es wird immer so getan, als ginge es Dr. Wild ausschließlich um die Zukunft des deutschen Rugby. Er ist aber vor allem Geschäftsmann. Das bedeutet, er möchte für sein Investment etwas zurück. In diesem Falle geht es unter anderem um die Vermarktungsrechte an der deutschen Rugby-Nationalmannschaft. Das ist erst einmal nicht verwerflich – so funktioniert die Wirtschaft. Wenn jedoch der Eindruck entsteht, die Nationalmannschaft werde für die Agenda von Dr. Wild eingespannt, hat das ein übles Geschmäckle.

Unbestritten ist, dass Dr. Wild in den vergangenen Jahren enorme Summen in den Sport investiert hat. Allerdings nach seinen Regeln und zu seinen Bedingungen. Das Ergebnis ist zum einen ein Ungleichgeweicht in der Bundesliga, das unserem Sport nicht gut tut und die Liga langweilig macht. Zum anderen sehen wir, dank der Wild Academy und der Wild Titans, rund um die Nationalmannschaft für einige wenige Spieler professionelle Strukturen. Das hat den Sport insgesamt allerdings nicht vorangebracht; in der Spitze fehlt die Breite, und das auch auf lange Sicht.

Ich hoffe, die Spieler und Trainer besinnen sich auf die sportlichen Aufgaben und stellen sich den kommenden Aufgaben, auch im Interesse der Fans und Zuschauer.
Möge der Verband ein Ohr für die Fragen und Anliegen ihrer Top-Athleten haben und als Partner agieren.
Und vielleicht stellt sich Dr. Wild zur Wahl als DRV-Präsident, macht öffentlich, was er vorhat und sucht sich für seine Pläne Mehrheiten, Übernimmt echte Verantwortung. Das Motto „Wer zahlt schafft an“ funktioniert in einem demokratisch verfassten Verband auf Dauer nicht.
oz
November 21, 2017

Walter Sill said:

334
...
Es wäre ja auch zu schön gewesen: Rugby auf dem Vormarsch ohne Streit...
hier ein Link zum Telegraph: http://www.telegraph.co.uk/rug...reaten-go/
Es geht wohl um die Verteilung der Einnahmen... ich hoffe man findet einen Kompromiss, sonst ist m.E. die Zukunft zappenduster.
November 22, 2017

Robert Martin said:

143
...
Das Kind ist im Brunnen und so wie es leider aussieht äußert sich der Verband erst beim nächsten ordentlichen Rugbytag. Es muss wohl kurzfristig eine saubere Trennung zwischen 7er und 15er sowie Leistungs- und Amateurrugby in Deutschland geben.
November 22, 2017

Walter Sill said:

334
...
Es ist nur die Frage, ob die WRA so lange wartet, die kann auch ohne DRV weiterarbeiten.
November 22, 2017

Walter Sill said:

334
...
Nun ist die Lage leider weiter eskaliert. Beide Seiten haben ihre unterschiedlichen Standpunkte auf den jeweiligen Web-Seiten veröffentlicht.
Wenn beide Seiten sich festgelegt haben, gäbe es einen geeigneten Mediator und wen?
November 22, 2017

Nils Zurawski said:

2065
...
je mehr jetzt jeder mit Aussagen Fakten schafft, desto fester wird die Situation. Aber vielleicht ist es noch nicht schlimm genug, um jetzt schon einen Mediator hinzuzuziehen. Ich würde mich zur Verfügung stellen, bin Mediator, kenne aber auch genügend andere, die auch in Frage kämen für so eine Aufgabe...
Aber wie gesagt, ist vielleicht noch nicht an der Zeit...
November 22, 2017

Walter Sill said:

334
...
Ich habe für mich und meine gesamte Familie Karten für Samstag gekauft. Ich überlege mir, ob ich die aus Protest und als Aufforderung an beide Seiten zu verhandeln, verfallen lassen soll.
November 22, 2017

Ralf Schindler said:

866
Kann mir jemand mal das folgende Zitat aus der WRA-Presseerklärung erklären:
"Die Grundhaltung des DRV, dass ich bezahlen soll und die Funktionäre kassieren, ist für mich nicht akzeptabel. Hier ist ein Ende mit Schrecken besser als ein Schrecken und Ärger ohne Ende."
Hat sich da jemand ungerechtfertigt bereichert oder ist mit anvertrautem Geld nicht sauber umgegangen?
November 22, 2017

tim spengler said:

2957
...
naja, so wie ich das verstehe, bezahlt dr. wild viele der spieler, trainer, lehrgänge, reisen etc. und auf den werbebannern steht dann dhl, drv usw. und nicht capri sonne/wra...
November 22, 2017

Robert Martin said:

143
...
Ich denke das ist wohl eine etwas unglückliche Formulierung und soll wohl eher für das kassieren von Lorbeeren und Ruhm durch den DRV stehen, der erst durch die Investitionen von Dr.Wild möglich wurde. Nehme ich an.
November 22, 2017

Christian Roth said:

2025
Mannschaft nominiert
Ist Manuel Wilhelm auch für 15er Rugby verantwortlich? Dachte die Strukturen wären klar getrennt?

http://www.rugby-verband.de/?p=12977
November 22, 2017

Matthias Hase said:

381
...
Als die WRA noch Sponsor war, prangten die entsprechenden Logos auf den Plakaten. Jetzt ist sie es nicht mehr und nun zieren andere Logos die Plakate. Normaler Vorgang, über den man nicht spekulieren muss. Ebenso wenig, was Wild nun wie gemeint haben könnte. Er meint es so, wie es dort steht: Dass die DRV-Verantwortlichen die Taschen voll gemacht haben. In meinen Augen ehrenrührig.

Und ja, Wilhelm ist als DRV-Sportdirektor auch für die DRV XV verantwortlich.
November 22, 2017

Axel Dahlem said:

4015
Jetzt erst recht
Jetzt heisst es erst recht am Samstag ins Stadion zu kommen und unsere junge XV anzufeuern. Mal sehen wie ich das ganze meinem 6-jährigen Rugbybegeisterten und -spielenden Sohn erkläre bei seinem vierten Länderspielbesuch.
Ansonsten schliesse ich mich dem Kommentar von Ole Zimmer an.
November 22, 2017

Denis McGee said:

2963
Einfach nur schäbig
Ich finde es einfach nur schäbig, die Spieler, die (hoffentlich) gerne in der DRV XV spielen, so zu missbrauchen...
November 22, 2017

Mahmud Marachi said:

652
Eine kleine Geschichte
Als mein Sohn geboren wurde, da konnte er nichts anderes als schreien und die Windeln füllen.

ICH habe ihn sprechen gelehrt.
ICH habe ihn laufen gelehrt.
ICH habe ihn zur Schule geschickt und dafür gesorgt, dass er ein gutes Abi macht.
ICH habe ihm das Studium finanziert, inklusive Auslandssemester und Praktika.

Jetzt ist er fertig und sucht WOANDERS einen Job! Für das Geld, was er da verdient, muss er in einer Studentenbude hausen, mit dem Bus fahren, Urlaub bedeutet Zelten im Bayrischen Wald.
Was verspricht er sich davon? Eigenes Geld zu verdienen, beruflich aufzusteigen, damit er sich irgendwann einmal ein eigenes Haus leisten kann, ein eigenes Auto, gelegentlich mal eine Fernreise?

Soweit kommt’s noch!
Wofür braucht er ein eigenes Haus? Er kann doch bei mir wohnen. Die Wohnung ist groß, schön, die Möbel sind vom Feinsten, die habe ich selber ausgesucht.
Wofür braucht er ein eigenes Auto? In der Garage stehen genug davon und alle gefallen mir.
Wofür will er selber reisen? Wann immer ich irgendwohin fliege, kann er mitkommen.

Woanders arbeiten, so ein undankbarer Kerl. Der soll bei MIR arbeiten, und wenn er wirklich gut ist, dann bringt er mir eine Menge Kohle. Es soll sein Schaden nicht sein, über sein Taschengeld können wir jederzeit sprechen und wenn es mir gefällt, dann erhöhe ich es auch.

Woanders arbeiten – ohne mich. Jetzt wechsele ich erst mal die Schlösser an meiner Wohnung und dann rufe ich seinen Chef an und versaue ihm den neuen Job. Soll er mal sehen, wo er bleibt.

Die Geschichte ist natürlich frei erfunden. Ich habe keinen Sohn. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen oder Institutionen sind nicht beabsichtigt und wären rein zufällig …
November 22, 2017

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Letzte Aktualisierung ( Mittwoch, 22. November 2017 )