2 Jahre bis zum Rugby World Cup in Japan - Quo vadis Wallabies & Pumas?
Geschrieben von TotalRugby Team   
Mittwoch, 11. Oktober 2017

Beim Start-XV-Debüt gegen die Springboks nicht zu stoppen: Ex-League-Spieler Koroibete
Beim Start-XV-Debüt gegen die Springboks nicht zu stoppen: Ex-League-Spieler Koroibete

Im zweiten Teil unserer Serie zum Abschluss der Rugby Championship nehmen wir die Wallabies und Pumas genauer unter die Lupe. Während sich die Jungs aus Down Under wieder gefangen zu haben scheinen und die Championship als Zweiter abgeschlossen haben, geht die Entwicklung der Pumas in die Gegenteilige Richtung.

Wallabies - Australien auf dem Weg zu alter Größe?

Wenn man sich die Leistungskurve der Wallabies in den letzten Jahren anschaut ist es für den neutralen Beobachter schwer von Konstanz zu reden. Im Ranking des Weltverbands World Rugby schwankt Australien zwischen dem zweiten und sechsten Rang - blamablen Vorstellungen, wie der Niederlage auf heimischen Boden in Sydney gegen Schottland, der Demütigung durch die All Blacks in der ersten Halbzeit von Bledisloe I, folgten großartige Spiele, wie das zweite diesjährige nur unglücklich verlorene Duell mit dem Weltmeister im neuseeländischen Dunedin. Nur ein einziges Mal hat sich Nationaltrainer Michael Cheika, der nun in sein viertes Jahr als Wallabies-Coach geht, zwei Mal in Folge für die gleiche Aufstellung entschieden. Die Tatsache, dass er bis zum 41. Spiel seiner Amtszeit als Wallabies-Coach wartete, um die gleichen 15 aus der Vorwoche auf den Platz zu schicken, spricht Bände.

Doch dem 50-jährigen Australien-Coach mit libanesischen Wurzeln blieben nach zahlreichen Abgängen, wegen Verletzungen und Formtiefs etwaiger Akteure oftmals wenig Alternativen: Zum einen kann Australien nicht die unendlichen Spieler-Reserven vorweisen, wie das die Neuseeländer auf der anderen Seite der tasmanischen See können. Außerdem zieht es weiterhin viele wichtige Spieler ins Ausland - neben Veteranen wie Scott Fardy, James Horwill, aber auch Liam Gill, die für den Sturm der Wallabies in den letzten Jahren wichtig waren, sind vor allem Cheikas Optionen auf der Dreiviertelreihe durch Abgänge stark eingeschränkt. Mit Nic White, Matt Giteau, Matt Toomua, Adam Ashley Cooper, Rob Horne, Digby Ioane und Joe Tomane könnte man beispielsweise gleich eine komplette Dreiviertelreihe aufstellen, die gegen die Wallabies vom vergangenen Wochenende sicherlich Chancen gehabt hätte.

Zumal wenn man den absoluten Super-Star David Pocock noch dazu nehmen würde - doch dieser wird nach einer halbjährigen Auszeit und nach der gerade begonnenen Saison in Japans Top League im nächsten Jahr bereits wieder in Brumbies- und Australien-Farben auflaufen. Für Coach Cheika ist der wohl beste Ruck-Spieler der Welt ein zentraler Pfeiler in seinen Plänen. Während der erfolgreichen WM 2015, bei dem die Australier Gastgeber England aus dem Wettbewerb kegeln und selbst bis ins Finale vordringen konnten, war Pocock zentraler Baustein in Cheikas Defensiv-Konzept. Denn neben der traditionell starken Offensive der Australier, war die größte Sorge des zweimaligen Weltmeisters die eigene Verteidigung. Kein Spieler ist derartig in der Lage gegnerische Angriffe eigenhändig zu beenden und zwar in den offenen Gedrängen. Beim letzten World Cup führte er die Statistik der gewonnen Bälle mit 17 an, deutlich vor Thierry Dusautoir und François Louw mit neun respektive acht Turnvovern und das obwohl er zwei Spiele aussetzen musste.

 

Fehlt den Wallabies momentan aufgrund eines Sabbaticals - bald aber zurück im Gold Australiens, David Pocock



Marika Koroibete - der kommende Superstar nach dem Vorbild Folaus?

Zwei Spieler, die perfekt Australiens Offensivstärke und gleichwohl Defensivschwäche verkörpern, sind Israel Folau und Marika Koroibete. Ersterer ist seit seinem Wechsel zum Rugby im Jahr 2013 zum absoluten Poster-Boy des australischen Rugby geworden und hat auch die diesjährige Rugby Championship als bester Try-Scorer abgeschlossen. Dennoch zeigte der aus dem Rugby League stammende Folau auch nach vier Jahren, dass er die Verteidigungs-Systeme im Union noch nicht absolut verinnerlicht hat. Im ersten Spiel gegen die All Blacks verursachte er einen Versuch, da er sich nicht entscheiden konnte, ob schnelles Rausrücken, oder in der Linie bleiben die bessere Option ist. So hatte All-Blacks-Außen Ioane leichtes Spiel und ließ Folau mächtig alt aussehen.

Koroibete wiederum hat einen ähnlichen Werdegang hinter sich, denn noch im Oktober des Vorjahres bestritt der Außendreiviertel mit den Melbourne Storm das Grand Final der NRL - Australiens alles überstrahlender League-Wettbewerb. Nur Wochen später befand er sich bereits im Flugzeug mit den Wallabies zur November-Tour nach Europa. Zwar spielte der gebürtige Fidschianer nicht eine Minute im berühmten Gold des zweimaligen Weltmeisters, konnte sich aber im Training mit den Besten seiner neuen Heimat aber wieder an den Sport seiner Jugend gewöhnen.

Denn im Gegensatz zu Folau hatte Koroibete vor seiner 4-jährigen Zeit in der NRL in seiner fidschianischen Heimat Union gespielt. Mit seinem neuen Vereinsteam im Super Rugby, den Melbourne Rebels, konnte sich Koroibete dann in der vergangenen Saison so langsam an das internationale Niveau im Union herantasten, nachdem er im League bereits absoluten Superstar-Status inne hatte. Seit seinem Debüt von der Bank in Argentinien vor wenigen Wochen konnte Koroibete nun auch im goldenen Wallabies-Trikot brillieren. Sein Start-XV-Debüt zelebrierte der pfeilschnelle Winger mit einem Doppelpack gegen die Springboks und legte am vergangenen Wochenende einen weiteren Versuch gegen Argentinien nach. Gleichzeitig bewies der nur 1,80 m große Außen auch, dass er noch viel Arbeit vor sich hat - an einem der Pumas-Versuche hatte er entscheidenden Anteil, als er einen Dummy von Santiago Iglesias viel zu einfach abkaufte.

 

Trotz seiner 1,80 ist Koroibete unglaublich physisch und dennoch pfeilschnell



2019 WM-Kader: Die erste XV kann es mit dem Weltmeister aufnehmen

Die Entwicklung des Wallabies-Kaders seit den letzten Weltmeisterschaften war turbulent. Doch auch durch die Abgänge war Coach Cheika gezwungen eine Verjüngungs-Rosskur durchzuziehen. Mit Rory Arnold und Adam Coleman wurde eine Zweite-Reihe-Kombination mit zwei Hünen deutlich jenseits der zwei Meter gefunden. Reece Hodge, der auf der Dreiviertelreihe universell einsetzbare Spieler bekannt für seine 60 m Straftritte, hat sich mit seinen 23 im Team etabliert. Micheal Cheika hat kürzlich gegenüber den australischen Medien herausposaunt, dass er sein Spieler-Casting nun abgeschlossen habe und in den kommenden 23 Monaten vor der WM in Japan nur noch seine optimale 22 aus einem 30er-Kader herausfiltern werden.

Wo man aber am ehesten Probleme erwarten dürfte, ist in der ersten Sturmreihe. Tighthead-Prop Sekope Kepu wurde überhastet aus Bordeaux zurückgeholt und ist mit seinen 31 Jahren nahezu unersetzlich. Ersatz Allan Alaalatoa feierte in diesem Jahr zahlreiche Einsätze, gilt jedoch noch als deutlich zu schwach um der Anker des Wallabies-Sturm zu sein. Noch düsterer sieht es auf der Hakler-Position aus, wo weiterhin der 32-jährige Tatafu Polota-Nau und der 34-jährige Stephen Moore die einzigen Optionen sind. Ersterer ist nicht unbedingt der beste Einwerfer in die Gasse, tacklet kompromisslos und hart, hat aber deswegen des öfteren mit Gehirnerschütterungen zu kämpfen hat. Der blutjunge Jordan Uelese ist noch keine Alternative, muss es aber bis zur WM werden, denn Moores abfallende Formkurve und sein fortgeschrittenes Alter lassen nichts Gutes erahnen für die Wallabies.


Los Pumas - ein Schritt nach vorne, zwei zurück?

Es war die schlechteste Rugby Championship von Los Pumas seit 2013. Nicht ein einziger Sieg wollten den Südamerikanern gelingen im Wettbewerb der Südhemisphären-Großmächte, während sie in den vergangenen Jahren zumindest ein Spiel gegen Australien oder Südafrika gewinnen konnten. In den letzten 19 Spielen kassierten die Pumas gleich 16 Niederlagen - dabei hatten die Argentinier noch bei der letzten Weltmeisterschaft das Halbfinale erreicht. Doch wo liegt die Wurzel des Übels, wie kann so eine großartige Mannschaft in nur so kurzer Zeit zerfallen? Im vorigen Jahr trat mit den Jaguares erstmals ein argentinisches Team im Super-Rugby-Wettbewerb an. Ein Schritt, der der langfristigen Entwicklung der Mannschaft zu Gute kommen soll und irgendwann auch sicherlich wird.

Doch die Verbindung der neuen Ära mit dem Zwang Super Rugby (nicht unbedingt bei den Jaguares) zu spielen, um für die Pumas in Frage zu kommen, ging gewaltig nach hinten los. Denn so stolz die Argentinier auf ihre Mannschaft auch sein mögen - die Verlockung des Geldes und die Reichtümer in England und Frankreich sind zu verlockend. Nach der zweiten Niederlage gegen die Springboks ließ sich Pumas-Coach Daniel Hourcade zu einer Aussage hinreißen, die tief blicken lässt: „Ich wünschte Juan Figallo wäre hier.“ Noch bei der WM als einer der besten Props der Welt gefeiert, spielt Figallo neuerdings vor 10.000 Zuschauern beim durch einen Mäzen finanzierten Londoner Top-Klub Saracens, als für weniger Geld vor 50.000 fanatischen Pumas Anhängern im himmelblau Argentiniens. Schlimmer noch - mit Ramiro Herrera wird der zweite Weltklasse-Prop den gleichen Weg gehen und künftig für Stade Français Paris auflaufen. Der einst gefürchtete Pumas-Scrum ist längst nicht mehr eine solche Waffe, wie einst.

Doch damit ist bei weitem noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht - bereits im Frühjahr hatte sich der beste Pumas-Spieler der letzten WM und der darauffolgenden Saison, Facundo Isa, nach Toulon abgesetzt. Der beste Außen der vergangenen Jahre, Juan Imhoff, blieb gleich nach der WM in Europa und spielt bei Racing, einem der reichsten Vereine der Welt.

 

Facundo Isa, der beste Pumas-Spieler 2016 und nun bis zur nächsten WM in Toulon



Noch besorgniserregender ist die Situation auf der Verbinder-Position. Nach Verbinder Nicolas Sanchez galt eigentlich Patricio Fernandez als Kronprinz. Der erst 22-jährige hatte Erfahrungen im Siebener auf der World Series und bei den Jaguares gesammelt, hat sich nun aber für einen Vertrat beim französischen Spitzenklub Clermont entschieden. Als Sanchez ein paar schwächere Spiele in Folge hatte, blieb ihm nur noch eine Alternative: Der bereits 35-jährige Veteran Juan Martin Hernandez. Für Rugby-Nostalgiker ist el Mago, der Superstar der WM 2007, ein wohlklingender Name. Doch für die Aussichten der Pumas verheißt er nicht viel Gutes.

 

Hoffnung für den Pumas-Sturm: Veteran Ledesma kehrt als Coach zurück


Was allerdings durchaus als hoffnungsvolles Zeichen zu verstehen ist - mit Mario Ledesma kehrt ein ganz wichtiger Argentinier in die Heimat zurück. Ledesma spielt zwar bereits seit 2011 nicht mehr, doch in seiner fast 20-jährigen Karriere als Hakler und den letzten sechs Jahren als Sturm-Trainer hat sich Ledesma den Spitznamen „Scrum-Doktor“ erarbeite. Seit der Vorbereitung zur letzten WM hatte der Veteran mit 84 Argentinien-Caps den Sturm Australiens betreut. Das Resultat: Aus der Lachnummer des internationalen Rugbys wurde eines der besten Gedränge der Welt. Auch ohne Figallo und Herreira wird es Ledesma zuzutrauen sein, den Pumas-Scrum wieder zu alten Höhen zu führen. Denn während die Argentinier in den vergangenen Jahren mehr und mehr spielerisch brillieren können, liegt die traditionelle Stärke der Pumas im Sturm. Mit Agustin Creevy, dem 32-jährigen Hakler und Kapitän haben die Gauchos weiterhin einen absoluten Weltklasse-Mann in der ersten Reihe, der zusammen mit den gigantischen Zweite-Reihe-Stürmern Guido Petti und vor allem dem über 130 kg schweren Tomas Lavanini ist der Pumas-Sturm noch immer eine Hausnummer.

 

Vor Lavanini dürfte selbst Sonny Bill Williams mittlerweile Angst haben



Um tatsächlich aber bei den Titelkämpfen in Japan eine Rolle spielen zu können, müsste der Verband UAR die Regeln zur Nominierung von im Ausland tätigen Spielern lockern. Natürlich können sich die All Blacks eine derart strikte Haltung leisten, die Anziehungskraft des All Blacks Trikots alleine trägt dazu bei. Doch in Argentinien gab es bis 2015 keinen einzigen professionellen Klub und auch wenn in Argentinien mehr Menschen Rugby im Verein spielen als in Wales oder Australien, die Infrastruktur ist noch nicht vorhanden um mit diesen mitzuhalten. Es bleibt zu hoffen, dass die Entscheidungsträger in Buenos Aires eine sinnvolle Lösung finden werden - denn eine völlige Lockerung der Regelung könnte den Exodus an Top-Spielern noch verschlimmern.

Einst gefürchtet im mit Ledesma an Bord bald wieder? Argentiniens Scrum

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