Rugby mit Flüchtlings-Kids: „Rugby United“ mit dem Kölner Sportpreis ausgezeichnet
Geschrieben von TotalRugby Team   
Mittwoch, 29. März 2017

Die Kids von \

Es ist Dienstag Nachmittag im Kölner Südwesten. Auf dem Gelände des ASV Köln trainiert eine Gruppe von etwa 20 Kindern und Jugendlichen bei strahlendem Frühlings-Sonnenschein - auf den ersten Blick nichts ungewöhnliches. Doch auf den zweiten Blick sind hier nicht die üblichen Vorstadt-Kids versammelt, die unter den wachsamen Augen ihrer Eltern dem Rugby-Ei hinterherjagen. Es sind 20 Kinder und Jugendliche aus den Flüchtlingsheimen der Domstadt, die unter der Anleitung von drei weiblichen Trainern des ASV durch die 90-minütige Einheit geleitet werden.


Es war im vergangenen Jahr, als sich Johanna Metternich, Lynn Schüller und Lisa Naumann - allesamt Spielerinnen beim ASV Köln - überlegten, wie sie ihren Teil zur Bewältigung der Flüchtlingskrise beitragen könnten. Die öffentliche Diskussion hatte sich seit den Vorfällen in der Neujahrsnacht 2015/2016 auf der Kölner Domplatte bereits um 180° weg von der Willkommenskultur und hin zu Skepsis und Misstrauen gegenüber Flüchtlingen gedreht. Doch das schreckte die drei jungen Kölner Ruggerinnen nicht ab, sich für den Nachwuchs unter den 12.000 in der Domstadt angekommenen Flüchtlinge zu engagieren.

Über Monate hinweg traten die Gründerinnen des „Rugby United“ Projekts in intensiven Kontakt mit den zahlreichen Flüchtlingsheimen, die quer über die größte Stadt NRWs verteilt sind. Die Resonanz war dabei recht unterschiedlich, aber schlussendlich trafen die drei Spielerinnen auf genug engagierte und aufgeschlossene Partner unter den Betreuern in den jeweiligen Heimen, um das Projekt ins Leben rufen zu können. Diese sind seitdem zu wichtigen Partnern geworden, wenn es um allerlei praktische Fragen geht. Angefangen vom Zeit-Management bis zur Frage wer unter den Jugendlichen überhaupt für ein solches Training in Frage kommt.

 

 

 



Die Resonanz war Anfangs moderat, aber nach unzähligen Telefonaten, E-Mails an Heim-Verantwortliche, sowie Zetteln an schwarzen Brettern der Heime war es im vergangenen September schließlich soweit. Seitdem findet nun im Kölner Rugby Park ein wöchentliches spielerisches Rugby-Training speziell für Kinder und Jugendliche aus den Flüchtlingsheimen statt. Doch der damit verbundene Aufwand ist für die Involvierten, im Vergleich mit dem normalen Jugend-Training, ungleich höher.

Die meisten unter teilnehmenden Kids brauchen Unterstützung, um überhaupt zum Platz am südwestlichen Stadtrand zu gelangen. Denn ein Großteil der teilnehmenden Flüchtlingskinder ist im größten Heim der Stadt, im zwölf Kilometer entfernten Stadtteil Mülheim, untergebracht. Deshalb fährt Woche für Woche ein Bully des Vereins, um den Kids die Teilnahme überhaupt erst zu ermöglichen. Unter ihnen kann sich nämlich niemand auf den hierzulande verbreiteten elterlichen Chauffeur-Service verlassen.

Ebensowenig sind die Familien der teilnehmenden Kinder mit genug finanziellen Mitteln gesegnet, um ihren Kindern eine neue Rugby-Ausrüstung spendieren zu können. So sammeln die Gründerinnen des Projekts im Verein und dessen Umfeld Sachspenden, um den Kindern eine Ausrüstung bieten zu können. Weiterhin wird den Teilnehmern nach jeder einzelnen Einheit eine gemeinsame Mahlzeit angeboten, was den Zusammenhalt und die soziale Bindung zwischen den Kids, aber auch mit den Trainerinnen steigert.

„Es ist unglaublich schön zu sehen, wie sich die Kids jede Woche auf das gemeinsame Training freuen"

Für die drei Haupt-Organisatorinnen bedeutet das gesamte Projekt einen ungeheuren Aufwand, doch die Reaktion der teilnehmenden Kids ist für sie Lohn genug. Mitbegründerin Lisa Neumann: „Es ist unglaublich schön zu sehen, wie sich die Kids jede Woche auf das gemeinsame Training freuen. Schon während der Busfahrt zum Platz sind sie super aufgeregt. Auch die Resonanz der Flüchtlingsheime war gut und uns wurde bestätigt, wie sehr sich die Kinder auf das Training freuen.“

Für die Teilnehmer bedeutet das gemeinsame Training auch gewissermaßen eine Flucht aus dem tristen Heim-Alltag. Der 14-jährige Ahmed aus Aleppo wirkt im persönlichen Gespräch nach dem Training zwar unglaublich verschüchtert, zeigt aber dennoch seine Dankbarkeit ob dieser Möglichkeit. Er ist erst seit wenigen Wochen dabei und noch ist sein persönliches Highlight das Salami-Sandwich („Ich liebe Salami“) nach dem Training.

Der zehnjährige Meisam aus Afghanistan - wo seine Familie als Teil der schiitischen Hazāradschāt-Minderheit erheblichen Repressionen durch die sunnitische Mehrheitsbevölkerung und die radikal-sunnitischen Taliban ausgesetzt sein dürfte - ist dagegen schon seit den ersten Wochen des Projekts mit dabei und hat sich zu einem wirklichen Rugby-Enthusiasten entwickelt. Trotz seiner hageren Statur ist ihm nichts lieber, als die größeren Jungs zu tacklen. Außerdem spricht, sicher auch mit der Hilfe von Rugby-United, nach nur einem guten Jahr in Deutschland schon nahezu akzentfrei. Im Vergleich zu seinem Kumpel Ahmed ist er zudem deutlich aufgeschlossener, was sich in den letzten Monaten entwickelt hat.

 

 

 

Rechts Ahmed (14) aus Aleppo und links Meisam (10) aus Hazara/Afghanistan beim gemeinsamen Essen nach dem Training



Mittelfristig setzt sich Rugby United zum Ziel, die engagierten und willigen Kids in das reguläre Jugendtraining des ASV Köln zu integrieren. Das könnte in Sachen Integration Wunder bewirken, aber auch der Verein selbst dürfte davon profitieren. Denn ein Großteil der Kids steckt voller Energie: „Im Training zeigt sich, dass viele der Kids durch ihren monotonen Heim-Alltag nicht ausgelastet sind“ bestätigt Mitbegründerin und Trainerin Lisa Naumann.

Finanziell steht das Projekt durch die Unterstützung des Unternehmens Buderus mittlerweile auf soliden Beinen. Außerdem steigt mittlerweile auch die öffentliche Anerkennung für die Arbeit von Johanna Metternich, Lynn Schüller und Lisa Naumann, sowie ihren Helfern vom ASV Köln. Bei der Kölner Sportnacht am vergangenen Samstag wurde Mitbegründerin Lynn Schüller stellvertretend für „Rugby United“ von Bürgermeisterin Henriette Reker als „Person des Kölner Sports 2016“ ausgezeichnet.

Doch angesichts des erheblichen Zulaufs mit 20-30 Teilnehmern pro Woche sind Sachspenden laut der Aussage der Projektleitung immer willkommen. Nicht mehr benötigte Rugby-Trikots, Hosen oder Schuhe würden bei Rugby-United einen dankbaren Abnehmer finden. Wir von TotalRugby würden uns darüber freuen, wenn die Rugby-Community ihre Großzügigkeit zeigt und ihre Spenden an „Rugby Park Köln, Ecke Militärring/Luxemburgerstr., 50937 Köln-Klettenberg“ zu richten.

 

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