Gruß von der Insel (6) |
Geschrieben von TotalRugby Team | |||||||||||||||||||||||||||||||||||
Mittwoch, 20. November 2013 | |||||||||||||||||||||||||||||||||||
Nackte Zahlen Zu Beginn eine kurze Quizfrage. Mannschaft A spielt 80 Minuten Rugby gegen Mannschaft B. Nach dem Spiel lautet die Statistik wie folgt:
Die Frage: Welches Team verließ am Ende den Platz als Sieger? Richtig, Team B. Von den Zahlen her dürfte man annehmen, dass Mannschaft A in dieser Partie die Nase vorn hatte. Nun ist es aber oft so, dass zwischen nackten Zahlen und der Realität auf dem Platz Welten liegen. So war es auch Samstag. Team B waren in diesem Fall die All Blacks, die gegen mutig ankämpfende Engländer ihren 13. Sieg in diesem Jahr verbuchen konnten und mit einem weiteren Erfolg gegen Irland am kommenden Wochenende das erste Team in der Geschichte werden können, das ein gesamtes Kalenderjahr ungeschlagen bleibt. Unglaubliche 34 mal gewannen die Neuseeländer seit Ihrem erfolgreichen WM Finale im Jahre 2011 gegen Frankreich. Die einzige Mannschaft, die den seitdem schier übermächtigen Kiwis Paroli bieten konnten, waren tatsächlich die Engländer. Das liegt nun knapp ein Jahr zurück, damals gewann das Team um Stuart Lancaster 38-21, ebenfalls auf heimischen Boden. Es war der gerade einmal der siebte Sieg in insgesamt 36 Aufeinandertreffen für die Engländer. Video-Highlights
Das Spiel, was dann folgte, wurde von den Zeitungen hinterher unter anderem mit Begriffen wie „Schlacht“ umschrieben. Nun ist allgemein bekannt, dass englische Medien auch gerne zur Übertreibung neigen, aber in diesem Fall trifft der Ausdruck wirklich zu. Nicht nur an Chris Robshaws – der an diesem Tag wieder der Spieler mit den meisten Tacklings war – übergroßem blauen Auge war zu erkennen, dass es äußerst grob auf dem Platz zuging. Doch zunächst sollten vor allem die All Blacks beweisen, warum sie das zurzeit weltbeste Team sind, und mit Kieran Reid wahrscheinlich den besten Spieler auf dem Globus in ihren Reihen haben. Das Echo des Hakas, begleitet durch ein lautstarkes „Swing Low“ aus tausenden stolzen englischen Kehlen, war kaum verstummt, da zeigten die All Blacks durch Ihren Star-Winger Julian Savea nach nur 108 Sekunden und großartiger Vorarbeit von Reid, warum diese Mannschaft so gefürchtet ist. Als eine viertel Stunde später, der überagende Reid diesmal auf der rechten Seite auftauchte, um seinen insgesamt 15. Versuch für die All Blacks zu legen, schien es ein sehr langer und frustrierender Nachmittag für die englischen Fans zu werden. Reids Versuch stellte im Übrigen auch einen neuen Rekord auf; er ist nun der 8er mit den meisten Versuchen, bisheriger Rekordhalter war Zinzan Brooke. Aber die Engländer wollten sich so schnell nicht geschlagen geben, rappelten sich wieder auf und fanden ähnlich wie vor zwei Wochen gegen die Wallabies zurück ins Spiel. Allen voran erwischte Verbinder Owen Farrell einen guten Tag, vor allem was sein Kickspiel angeht. Mit sechs erfolgreichen Kicks vom Tee führte er sein Team immer wieder zurück in die Partie. Als der junge Zweite-Reihe-Spieler Joe Launchbury in der 24. Minute den einzigen Versuch für die Weißen an diesem Nachmittag legen konnte und Kieran Read in der 33. Minute für zehn Minuten auf die Strafbank musste, konnte England sogar in der zweiten Hälfte das Spiel phasenweise dominieren. Plötzlich wurden die 81739 Zuschauer zeugen eines sehr seltenen Phänomens. Die Kiwis mussten sich ungewöhnlich viel Druck aussetzen und gerieten teilweise sogar etwas in Panik. Das lag vielleicht auch daran, daß Starverbinder Dan Carter an diesem für ihn persönlich so wichtigen Tag bereits nach 26 Minuten verletzt das Feld verlassen musste. Für Carter kam Aaron Cruden, der schon bei der WM 2011 als äußerst wertvoller Ersatz diente und somit bestens vertraut ist mit brenzlichen Situationen. Zugegebenerweise war das Spiel der Engländer, wie auch in den vergangenen zwei Spielen gegen Australien und Argentinien nicht von sonderlicher Schönheit oder gar Kreativität geprägt, stattdessen probierte man mit konsequenter Härte, die schwarze Verteidigungsmauer zu durchbrechen. Aber die Bemühungen sollten am Ende nicht mit einem Sieg belohnt werden. Auch wenn man zwischendurch die Führung übernehmen konnte, blieb die Sensation aus. Denn wie es nun mal bei Spitzenteams üblich ist: Wenn man seine eigenen Chancen nicht nutzt, wird man bestraft. Im Falle der All Blacks fällt diese Bestrafung in der Regel ziemlich gnadenlos aus. Zum Beispiel durch Spieler wie Ma`a Nonu. Der bullige Center fand in der 64. Minute eine Lücke, durchbrach sie perfekt und konnte im Anschluss durch einen genialen Offload-Pass auf den freistehenden Savea zuspielen, der mit seinem zweiten Versuch an diesem Tag nicht nur den Sieg eintütete, sondern sich auch noch die „Man of the Match“-Trophäe schnappte. Savea hatte an diesem Tag zweimal die Chance zu punkten. Er nutzte beide. Wahrscheinlich ist es genau diese Effizienz, die Neuseeland zur weltbesten Rugbymannschaft macht. Sollte es am Samstag in Dublin nicht noch zum Supergau kommen und die Iren irgendeinen Weg finden, dieses Team zu stoppen, werden wohl die Rekordbücher um einen weiteren Eintrag reicher. In Zukunft, vor allem in Anbetracht der kommenden Weltmeisterschaft, wird wohl eine der spannendsten Fragen sein, wer diese All Blacks wann und wie stoppen soll. Die Engländer hatten ihre Chance. Die Betonung liegt auf „hatten“. Im nächsten Sommer wird England nach Neuseeland reisen, um gleich dreimal gegen die Kiwis anzutreten. Wir werden sehen, ob es eine erfolgreiche Reise wird und die Engländer nicht nur die Statistiken für sich entscheiden, sondern auch wieder einen Spielsieg erkämpfen. Best Wishes,
Max Lueck, 29, hat seine Rugbykarriere als Spieler in Brühl angefangen und zog 2007 nach England, um dort Coaching zu studieren. Mittlerweile hat er mit vielen Rugby-Vereinen und Athleten als Trainer und Manager gearbeitet. Derzeit baut er mit Leidenschaft und Ehrgeiz das Projekt 7 Bamboos Rugby auf und bloggt regelmäßig für diverse Plattformen und Online Magazine. Weitere Information unter www.7bamboosrugby.com. Kommentare (5)
Lars Schindewolf said:
Max Lueck said:
Lars Schindewolf said:
Arne Zielinski said:
Max Lueck said:
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