Walisisches Rugby vor dem Super-GAU
Geschrieben von TotalRugby Team   
Dienstag, 21. Februar 2023

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England gegen Wales ist eines der größten Duelle im Rugby überhaupt. Foto (c) Kessler

Samstag steht für Wales das wichtigste Spiel eines jeden Six-Nations-Turniers an. Der Erzrivale England kommt nach Cardiff und sportlich steht das Team mit dem Rücken zur Wand. Doch die größte Gefahr ist nun nicht eine weitere Schmach, ausgerechnet gegen den Erzfeind - schlimmer noch: Das Spiel könnte gar nicht erst stattfinden.

Eigentlich sollte diese Woche für walisische Fans eine Festwoche sein. Samstag-Abend kommt Erzrivale England in den Rugby-Tempel von Cardiff, was ein unfassbar stimmungsgeladenes Spiel verspricht. Aber anstelle von gespannter Vorfreude herrscht in und um Cardiff nun apokalyptische Endzeitstimmung. Dies hat jedoch nichts mit den beiden Niederlagen des Nationalteams zum Auftakt der Six Nations zu tun.

Vielmehr steht bis heute nicht fest, ob Wales am Samstag wirklich gegen England spielen wird. Der Grund ist ein angedrohter Streik der walisischen Spieler, welcher sich in eine Reihe von Katastrophen im walisischen Rugby eingefügt - zuletzt hatte ein Sexismus- und Missbrauchs-Skandal, sowie der Fall von Nationalheld Gareth Thomas, welcher sich vor Gericht zu verantworten hatte, die Rugby-Community des Landes erschüttert.

Die Androhung des Streiks wird von den verantwortlichen des Verbands dermaßen ernst genommen, dass die Pressekonferenz mit Trainer Gatland samt Teamvorstellung, sowie die heutige Trainingseinheit des Teams abgesagt wurde. Aber warum drohen die Spieler von Wales eigentlich zu streiken? Es geht um die Vertragssituation und auch um das leidige Thema Geld, sowie die Arbeitsbedingungen der Profis.

Die Folgen der Pandemie und der grassierenden Inflation haben auch bei Wales riesige Löcher in den Kassen hinterlassen. Dazu krankt das System der vier Regionen (Ospreys, Dragons, Scarlets und Blues) seit Jahren - Zuschauerinteresse und sportlicher Erfolg bleiben vollends aus, was die Bezahlung der Profis in Wales umso schwieriger macht. Die Verhandlung der Abseitsbedingungen für die kommenden sechs Jahre zwischen Spieler und Verband ziehen sich seit Monaten in die Länge und drohen nun gar zu platzen.

Wenn England in Cardiff antritt - wie hier 2019 - herrscht in Wales Ausnahmezustand

Konkret sollen die vom Verband angestellten Spieler eine 20-prozentige Kürzung ihrer Bezüge hinnehmen und obendrein sollen die verbleibenden 80% variabler vom Erfolg abhängig gestaltet werden. Es drohen also tiefe finanzielle Einschnitte, doch das ist nicht das einzige Streitthema. Weiterhin verlangt der Verband, künftig Profis ohne deren Einverständnis von einer der vier Regionen zu anderen transferieren zu können, wie es beispielsweise im US-Profisport üblich ist.

Die Spieler wiederum fordern, auch angesichts schlechterer Gehaltsperspektiven, die Abschaffung der sogenannten Gatland-Regel. In der ersten Amtszeit des wieder eingesetzten Trainers hatte der Verband festgelegt, dass nur Spieler mit mehr als 60 für Wales absolvierten Länderspielen im Ausland beschäftigt sein können und dennoch für ihr Heimatland auflaufen dürfen.

Ohne die Gatland-Regel wäre es für Waliser möglich schon früh nach England, oder Frankreich zu wechseln und weiterhin für ihr Land aufzulaufen. So ist es zum Beispiel bei den Schotten üblich. England und Irland dagegen pochen darauf, dass ihre Spieler in den heimischen Ligen auflaufen. Beim walisischen Verband wittert man einen möglichen Wettbewerbsnachteil und tut alles, um dies zu verhindern.

Sollte das England-Spiel allerdings abgesagt werden, droht ein Verlust von über zehn Millionen Pfund. Neben den Ausfallen bei den Tickets und TV-Einnahmen wäre der Reputationsverlust enorm. Dennoch halten einige Experten eine Absage für möglichst auch weil die wochenlangen Verhandlungen bisher nur wenige Annäherungen gebracht haben. Im schlimmsten Falle gäbe es dann noch weniger Geld, was unter den Profi-Spielern von Wales verteilt werden kann.

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