Nach Spieltag zwei der Six Nations: Irland ganz oben, England zurück in die Zukunft mit Borthwick
Geschrieben von TotalRugby Team   
Montag, 13. Februar 2023

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Irland schaffte es den französischen Angriff über weite Strecken zu neutralisieren.

Der zweite Spieltag der Six Nations ist Geschichte. Das Geschehen in Dublin, Edinburgh und London bot unglaublich viele Highlights und darüber hinaus auch wichtige Erkenntnisse. Wir blicken auf den zweiten Spieltag zurück, unter anderem mit dem Highlight-Spiel des Jahres bisher.


Zurück in die Zukunft mit Steve Borthwick

Am Ende gab es für England das gewünschte Ergebnis. Der Vizeweltmeister siegte und sicherte sich beim 31-14 auch noch den Offensiv-Bonus. Dennoch waren nicht alle zufrieden, auch nicht im Rugby-HQ Twickenham. Denn England berief sich auf seine alten Tugenden und spielte mit Owen Farrell auf der Verbinderposition ein Spiel, das der eine oder andere als „old school“ bezeichnen würde.

Weniger diplomatisch war Ex-Irland-Nationalstürmer Robin Copeland, der das Spiel des Mutterlands „vorhersehbar und langweilig“ bezeichnete. So vorhersehbar das Spiel der Engländer mit vielen Kicks und ganz wenig Risiko war, so selten fanden die Italiener ein Mittel dagegen. England erdrückte Italien geradezu mit seinem schweren Sturm.

Inspirierend mag das kaum jemand finden, doch der Erfolg gab Trainer Steve Borthwick recht. Von England werden in erster Linie Siege erwartet, erst danach geht es derzeit um die B-Note. Immerhin sind wir in einem WM-Jahr. Ob diese Taktik allerdings gegen die kommenden Gegner ebenso fruchten wird, ist fraglich.

Die erste Feuerprobe folgt in zwei Wochen. Zwar mag Wales in der derzeitigen Form niemanden besondere Angst einjagen. Jedoch wird das sowieso schon stimmungsvolle Millennium Stadium in Cardiff zum wahrhaftigen Hexenkessel wenn der Erzrivale England zu Gast ist. Vor diesem Duell kann man noch wenig Rückschlüsse darüber ziehen, wie stark England dieses Jahr wirklich ist.

Kein Klassiker, aber England gelang es Italien mit den althergebrachten Tugenden in Schach zu halten

Frankreich ist verwundbar, Irland ist im WM-Jahr in Topform

Frankreich schien auf dem Weg den Rekord von 18 Siegen im internationalen Spitzen-Rugby zu egalisieren, wenn les Bleus den Grand Slam erneut geholt hätten. Diesen Rekord teilen sich Neuseeland und England - deren Siegesserien endeten gegen, man könnte es fast erraten, Irland. Am Samstag lieferten sich Irland und Frankreich ein großartiges Duell.

Oftmals spielen Top-Teams im Spitzenrugby in solchen Duellen zurückhaltend und taktierend - auf Fehler des Gegners lauernd. Dieses Spitzenspiel war jedoch das genaue Gegenteil. Beide Kontrahenten trauten sich was und das Resultat war ein Spiel, an das man sich noch lange erinnern wird.

Dieser einstudierte Spielzug sorgte für einen großartigen ersten irischen Versuch am Samstag

Genauso wie Duhan van der Merwes Versuch in der ersten Hälfte in vielen Highlight-Clips auftauchen wird, dürfte man die Versuche von Penaud und Keenan aus der ersten Hälfte noch jahrelang in YouTube-Compilations und World-Rugby-Promomaterial sehen.

Doch was sind die Erkenntnisse dieses Spiels, das zwei große Kontroversen hatte. Zunächst war James Lowes Fuß bei seinem Versuch in der ersten Hälfte klar im Aus - doch die irische Regie spielte die aufschlussreichen Bilder erst in der Pause ein - ein Schelm, wer Böses denkt.

Dazu forderten die Iren einen Platzverweis von Frankreich-Prop Atonio, der mit einem krachenden Hit Irlands-Hakler Herring erwischte. Der 140-kg-Mann war aufgerückt und nicht traf den Iren sehr aufrecht, was sicherlich auch an der mangelnden Beweglichkeit des Riesens lag. Das Resultat war ein Tackle, bei der die Schulter und eine Millisekunde später den Kopf erwischte und mit Gelb davonkam.

Aus irischer Sicht viel wichtiger: Nachdem die Iren in den vorherigen beiden WM-Zyklen ausgerechnet im WM-Jahr ihren Durchhänger hatten, scheint dies 2023 nicht der Fall zu sein. Irland war defensiv unfassbar stabil und ließ sich nur einmal durch einen 85-Meter-Konter der Franzosen überrumpeln.

Dazu schaffte es Ersatz-Verbinder Ross Byrne in den letzten 30 Minuten das Spiel zu kontrollieren und den Sieg einzufahren, was für die Iren extrem wichtig sein wird. Denn bisher gilt Johnny Sexton, der deutlich näher an seinem 50. Geburtstag, als an seinem 20. ist, als unersetzlich.

Jouez, jouez! Tief aus der eigenen 22 lancierte Frankreich einen großartigen Konter bis ins irische Malfeld

Frankreich wiederum muss nun erstmals seit dem Sommer 2021 seine Wunden lecken, als man in Australien zwei Niederlagen einstecken musste. Les Bleus sind nicht unverwundbar und können nicht alle Ausfälle kompensieren. Dazu hat auch Verbinder Ntamack mal einen schlechten Tag. Nur ein einziges Mal, beim Versuch von Penaud, ließen les Bleus all ihre spielerische Klasse aufblitzen.

All dies ändert aber nichts daran, dass les Bleus im Herbst zumindest als Mitfavorit an den Start gehen. Sollten die Gastgeber ihre Gruppe gewinnen und es zum vierten Mal in das Endspiel eines Rugby World Cup schaffen, hieße ein möglicher Gegner Irland - es wäre ein würdiges Endspiel um die wichtigste Trophäe im Welt-Rugby.

 

Schottland wird zum Königsmacher und eventuell selbst Chancen auf den Titel

Zwei Spiele, zwei Siege mit Bonuspunkt, den Erzrivalen England in Twickenham geschlagen und selbst Angstgegner Wales konnte den Schotten überhaupt nichts anhaben. Schottland wirkt derzeit so spielstark und stabil, wie lange nicht mehr. Vergessen sind die Querelen um Finn Russel, selbst die Ausfälle von Topstars wie Hamish Watson und Darcy Graham machen dem Team derzeit nichts aus.

Ist Schottland reif für den ersten Titel im Turnier seit 1999? Die Chancen stehen gar nicht mal so schlecht, aber dafür müssen die Schotten mindestens eines der beiden Top-Teams schlagen, gegen die es nun nacheinander geht. In zwei Wochen müssen die Männer von Trainer Townsend in Paris bestehen und am vorletzten Spieltag kommen die Iren nach Edinburgh.

Noch nie konnte Schottland Wales so deutlich bezwingen - auch dank dieses Sahne-Offloads von Finn Russell

Angesichts der derzeitigen Form des Teams würde es keinen überraschen, wenn Frankreich, oder Irland über die Schotten stolpern. Sollte dies der Fall sein, dann gibt es die Entscheidung um den Six-Nations-Titel erst am Super Saturday, dem 18. März. Dann spielen alle Teams am selben Tag und die Schotten könnten daheim gegen Italien vorlegen. Was will man als Rugby-Fan mehr?

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