Drei TR-Thesen zum EM-Heimspiel gegen Spanien
Geschrieben von TotalRugby Team   
Sonntag, 12. Februar 2023

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Adler-Achter Stein zählte zu einem deutschen Sturm, der den Spaniern ebenbürtig war. Foto (c) Perlich

Die deutsche Rugby-Nationalmanschaft hat das erste EM-Heimspiel in Heidelberg gegen den Favoriten Spanien verloren. Doch die Leistung des deutschen Teams war nicht nur couragiert, sondern über weite Teile stark. Vor dem Niederlande-Spiel kommende Woche kann man auf diese Perfornance aufbauen.

Die Adler sind auf dem REC-Niveau angekommen

Der haushohe Favorit Spanien gewann in Heidelberg mit 32-14 und sicherte sich mit dem Schlusspfiff sogar noch den Offensiv-Bonus. Doch was sich in den 80 Minuten zuvor auf dem ramponierten Rasen des Rugby-Wohnzimmers abspielte, kam für einige unerwartet - allen voran für die Gäste selbst. Spaniens Man of the Match, Matthew Foulds, erklärte nach dem Abpfiff im Gespräch mit TR: „Ehrlich gesagt haben wir die Deutschen nicht dermaßen stark erwartet nach dem Georgien-Spiel.“

Dabei startete die Partie wie viele es erwartet hätten: In den ersten Minuten hatte Spanien zwei viel zu einfache Versuche erzielt - bei beiden hatte der pfeilschnelle Schluss John Bell massiven Anteil daran. Manch einer im Rugby-Wohnzimmer, das bei sonnigem Wetter gut gefüllt war, hätte zu diesem Zeitpunkt wohl mit einer Klatsche gerechnet. Doch unsere Adler kämpften sich in dieses Spiel und dominierten die Spanier anschließend phasenweise sogar.

In beiden Halbzeiten hatte das deutsche Team mehr Ballvorträge als die Spanier und verbrachte mehr Zeit in der gegnerischen 22. Wären da diese verflixten ersten zehn Minuten nicht gewesen, wäre an diesem Rugby-Sonntag weitaus mehr drin gewesen. Aber auch mit dem frühen 0:14 Rückstand und der schwierigen Vorbereitung mit der chaotischen Rückreise aus Georgien zeigte sich das deutsche Team wettbewerbsfähig.

Drei Mal landete man mit Ball im Malfeld, jedoch zählte unter dem Strich nur der Versuch von Oliver Paine im ersten Durchgang. Nach tollem Lauf von Zinzan Hees, der genauso wie die beiden Außen Lammers und Soteras Merz viele Meter mit dem Ball machte, musste der erfahrene Neuner kurz vor der Linie nur noch abstauben.

Spanien, immerhin im Vorjahr EM-Zweiter und sportlich für die letzten beiden World Cups qualifiziert, war vor allem kaltschnäuziger und weitaus effektiver. Auch Nationaltrainer Mark Kuhlmann unterstrich nach dem Spiel, dass man nicht weit vom Niveau der Top-Teams entfernt sei.

Der Aufstieg in die Rugby Europe Championship mag glücklich gewesen sein. Doch das deutsche Team konnte heute unter Beweis stellen, dass man auf diesem Niveau nicht fehl am Platz ist. Mitaufsteiger Belgien kam derweil gestern daheim mit 5:56 gegen die Rumänen unter die Räder und auch Polen scheint nach der heutigen Leistung schlagbar.

Vielleicht können sich unsere Adler dieses Mal in der Rugby Europe Championship etablieren. Das zumindest sieht Juan Carlos Martín so - der Verbandspräsident der Spanier betonte nach dem Spiel, dass sich unsere Adler zu einem REC-Top-Team entwickeln können, wenn sie die Entwicklung so fortsetzen.

Die Stimmen aus dem deutschen Team nach dem Abpfiff

Die Mankos: Chancenverwertung, Disziplin und Abgebrühtheit

Am Kampf hat es keinesfalls gelegen, auch nicht an der Einstellung, oder der taktischen Einstellung. Selbst die vermeintlich höhere individuelle Klasse dieses spanischen Teams hat heute nicht den Unterschied gemacht. Es waren drei Faktoren: Die Chancenverwertung unserer Adler, die Abgebrühtheit und die Disziplin.

Kurz vor dem Pausenpfiff hatte Justin Renc unsere Adler auf 18-19 herangebracht - aber nur vermeintlich. Denn das Schiedsrichtergespann um die Italienerin Clara Munarini wertete das Ablegen des Balles des SCN-Flankers als zweite Bewegung. Ein aus deutscher Sicht zumindest eine unglückliche Entscheidung. Jedoch war dies bei weitem nicht die einzige vergebene Chance auf einen Versuch.

Mehrere Durchbrüche durch die laufstarken Außen und Schluss Zinzan Hees konnte man am Ende nicht verwerten. Sei es wegen Flüchtigkeitsfehlern, oder weil das Team in der 22 nicht die nötige Ruhe zeigte. Ein überhasteter Cross-Kick wäre im ersten Durchgang fast zum 90-Meter-Bumerang geworden, als Spanien zum Konter ansetzte.

Los Leones ließen sich derweil nicht zwei Mal bitten und nutzte ihre Chancen gnadenlos. Dazu hatten die Spanier das Gespür, wann es sich lohnt den Graubereich der Regeln zu nutzen und die deutschen Rucks langsam zu machen. Eine 40-Meter-Lauf von Sebastian Ferreira tief in die Hälfte Spaniens wurde mit einem offensichtlichen Ruck-Vergehen der Gäste beendet.

Mehrmals schrammten die Spanier, die von der Unparteiischen zwei Mal final gewarnt wurden, an der vermeintlich fälligen Gelben vorbei. Auch das ist eine Kunst auf diesem Niveau. Derweil kassierte das deutsche Team derer drei. Sich den Linie der Referees besser anzupassen wird für das deutsche Team kommende Woche extrem wichtig.

Die Mannschaft wächst zusammen - auf und neben dem Platz

Das erste Spiel unserer Adler gegen Georgien war für den Großteil des Kaders ein absoluter Kaltstart. Nach Monaten ohne Wettkampf und mit begrenzter gemeinsamer Vorbereitungszeit erwartete unsere Jungs im Kaukasus eine knüppelharte Aufgabe. Gegen das harte, direkte und unglaublich schnelle Spiel der Georgier haperte es, wenig verwunderlich, auch und vor allem an der defensiven Abstimmung.

Das zog sich auch in der Anfangsphase gegen Spanien fort. Man hatte zunächst mit einem sehr breiten Angriff der Iberer gerechnet und dem erfahrenen Gästeteam so Lücken in der Feldmitte angeboten, die diese zwei Mal nutzten. Danach blieb die deutsche Defensive 70 Minuten lang stabil - auch weil das Team auf und neben dem Team zu einer Einheit wird.

Zunächst ohne Druck gegen Georgien und Spanien gespielt zu haben, kann sich im Nachhinein als Glücksfall herausstellen. Im deutschen Team glaubt man an die eigene Chance und bereits mit einem Sieg gegen die Niederländer könnte man einen wichtigen Schritt Richtung Klassenerhalt machen. Danach warten noch zwei Ausscheidungsspiele - sollte das deutsche Team bis dahin von Verletzungen verschont bleiben, scheint eine weitere Leistungssteigerung wahrscheinlich.

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