Rugby-Märchen in Cardiff: Platzwart darf gegen Weltspieler antreten
Geschrieben von TotalRugby Team   
Dienstag, 14. Dezember 2021

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Von der Aufgabe als Platzwart befreit, spielte Jenkins plötzlich gegen Weltspieler Dupont.

Ein ganz besonderes Rugby-Märchen gab es am Wochenende in Wales Hauptstadt Cardiff zu bewundern. Das dortige Rugby-Team trat im Europacup gegen Titelverteidiger Toulouse an, so weit, so normal. Doch wegen ganz besonderer Umstände war es kein normales Cardiff-Team, das da gegen den französischen Rekordmeister antrat - es war ein mit Amateuren gespicktes Not-Team. Darunter war auch ein Platzwart, der plötzlich gegen den Weltspieler des Jahres antreten durfte.

Als Rowan Jenkins am Montag letzter Woche in seine Wochen-Routine startete, war er noch davon ausgegangen, dass er am Samstag in seinem Heimatort für den Aberavon RFC auflaufen würde und sich vorher um das Grün des Klubs kümmern würde. Denn Prop Jenkins ist hauptamtlich der Platzwart des Vereins und läuft dazu noch für den Verein als Erste-Reihe-Stürmer auf.

Zugegebenermaßen: Jenkins spielt in der ersten walisischen Liga, die semiprofessionell ist. Ein durchschnittlicher Rugbyspieler vom Klub um die Ecke ist er nicht. Jedoch auch kein Profi und üblicherweise spielt Jenkins seine Spiele mit Aberavon vor einigen hundert Zuschauern, nicht vor über 10.000 lautstarken Zuschauern im traditionsreichen Arms Park von Cardiff.

Plötzlich vor mehr als 10.000 Zuschauern im Arms Park

Doch genau dies geschah dem Jenkins und einer Reihe weiterer Amateure am letzten Samstag. Dazu durften die ambitionierten Freizeit-Rugger ganz nebenbei noch gegen den Weltspieler des Jahres Antoine Dupont auflaufen. Doch wie war es dazu gekommen?

Cardiff war eines der Teams, die von der Einreisesperre des Vereinigten Königreichs für Südafrika wegen der Omikron-Variante des Coronavirus betroffen waren (TR berichtete). Doch anders als die Nachbarn Scarlets, die ihr Champions-Cup-Spiel gegen Bristol aus genau denselben Gründen absagten, trug Cardiff das Spiel aus.

Jedoch fehlten gleich 42 Spieler, die teils noch in Südafrika feststeckten, oder sich weiterhin in Quarantäne befanden. Sechs Wales-Stars, die die Reise nach Südafrika nach den November-Länderspielen gar nicht erst angetreten hatte, sowie Spieler aus dem Cardiff-Nachwuchs liefen deshalb gemeinsam mit Platzwart Jenkins, sowie einem Grundschullehrer, einem Headhunter, einem Buchalter ergänzt auf, um überhaupt einen vollen Kader zu haben.

Europacup statt Aberavon RFC: Prop Rowan Jenkins (rechts im Bild)

Das ist überhaupt nur deshalb möglich, weil die vier walisischen Teams in der Ultimate Rugby Championship (früher Pro 14) keine Vereinsmannschaften im klassischen Sinne sind. Vielmehr sind Cardiff, sowie die Ospreys, Dragons und Scarlets Regionalauswahlen, die zwischen dem Vereins-Rugby und dem internationalen Level stehen.

Deshalb ist es Spielern erlaubt, zwischen den Teams im walisischen Liga-System und dem professionellen URC-Rugby hin und herzuwechseln. So wurde für Jenkins und Co. ein Traum Realität. Auf der Suche nach einem Prop wurde den Coaches von Cardiff der 30 Minuten entfernt spielende Jenkins empfohlen.

Plötzlich trainierte dieser dann letzten Dienstag in Cardiffs Farben und lief er an der Seite von Wales Top-Tryscorer Josh Adams und Nationalmannschafts-Neuner Tomos Williams auf. Dass gegen Titelverteidiger Toulouse so nicht viel zu holen war, dürfte allen Beteiligten klar gewesen sein. Dennoch stand Wales geschlossen hinter dem Not-Team.

Die Atmosphäre war die wohl beste im Arms Park seit langem, so die Lokalzeitungen. Denn jeder Ballgewinn, jedes Tackle und erst recht der Versuch von Wales-Winger Josh Adams wurden lautstark bejubelt. Das änderte natürlich nichts am Kräfteverhältnis beider Teams.

Der französische Meister und amtierende Europapokalsieger gewann am Ende deutlich mit 39:7. Doch die Leistung von Cardiff und seiner Amateure war aller Ehren wert. Jenkins selbst fasste sein Erlebnis in einem Podcast wie folgt zusammen: „Es ist unfassbar, wie schnell die Jungs auf dem Platz unterwegs sind, vor allem auch gedanklich. Aber davor und danach sind es normale Jungs, richtig symphatisch!“

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