Unruhe im DRV: Klagen und Hilferufe
Geschrieben von TotalRugby Team   
Donnerstag, 15. April 2021

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Matthias Entenmann (rechts im Bild) wandte sich in einem Brief an die Rugby-Vereine der Republik.

Ein Brief des DRV-Vizepräsidenten Entenmann offenbart: Hinter den Kulissen herrscht wieder Mal Unruhe in Rugby-Deutschland. Das Streitthema ist die im Juli letzten Jahres beschlossene Sonderumlage zur Finanzierung des Verbands. Die vor neun Monaten beschlossene Zahlung wird von einigen Vereinen vor dem Schiedsgericht angefochten - Ausgang aktuell unklar.

 

Eigentlich schienen die Wogen geglättet und der DRV in ruhigerem Fahrwasser: Im Juli letzten Jahres war auf dem ADRT in Heusenstamm ein Kompromiss zur künftigen Finanzierung des Deutschen Rugby-Verbands, der zuvor in erheblichen Finanzschwierigkeiten war, gefunden worden.

Der sogenannte Augsburger Kompromiss, damals vom dort ansässigen Verein auf der Sitzung in Heusenstamm eingebracht, lautete: Die vom DRV angestrebte Erhöhung der Mitgliedsbeiträge wird durch eine Sonderumlage ersetzt, um den Verband durch finanziell schwierige Gewässer zu bringen - die langfristige Finanzierung und die Ermittlung der Mitgliedsbeiträge könne man nach der Corona-Krise regeln.

Damit war das größte Unheil abgewendet und so konnte auch das Flagschiff des Verbands, die schwarzen Adler, wieder mit einer besseren finanziellen Ausstattung rechnen. Die Teilnahme der Frauen- und Nachwuchs-Teams an EM-Wettbewerben war gesichert, Get into Rugby feierte ein Comeback, sowie die Stelle einer Jugendreferentin. Doch so breit die Mehrheit auch gewesen sein mag, herrschte doch nicht überall Zufriedenheit mit diesem gefundenen Kompromiss.

Brief des DRV-Vizes zeigt die dramatische Lage

Das zeigt ein Brief, den DRV-Vize und Finanzexperte Mathias Entenmann Anfang der Woche an die Vereine verschickte. Darin lässt der ehemalige Nationalspieler, Unternehmensberater und Oktoberfest-7s-Initiator durchblicken, was die Verbandsführung gerade am meisten beschäftigt. Eine am 25.02. eingereichte Feststellungsklage einiger Vereine hat das Ziel, die getroffenen Beschlüsse rückgängig zu machen.

Wer diese Vereine sind, erwähnt Entenmann freilich nicht. Laut TR-Informationen handelt es sich bei dem knappen halben Dutzend Klubs aber durchaus um etablierte Vereine, zum Teil auch mit vermeintlich guter Finanzausstattung aus den deutschen Hochburgen. Denn in erster Linie geht es natürlich ums liebe Geld - während über 90% der Klubs die Sonderumlage bereits klaglos entrichtet haben, sind es noch lange nicht alle.

Sollte die Feststellungsklage, die Unregelmäßigkeiten beim Vorgehen auf dem ADRT als Begründung anführt, Erfolg haben, drohen laut Entenmann eine Reihe von Konsequenzen. Unter anderem bestünde erneut eine „Existenzgefährdung“ für den Verband insgesamt - denn dann wäre der DRV verpflichtet, die Mittel zurückzuzahlen. Allein deswegen sei nun wieder Kostendisziplin nötig.

Rugby-Deutschland ist erneut gespalten, die Fronten sind aber unklar

Beim damaligen ADRT-Gastgeber in Heusenstamm sieht man die Lage eindeutig: „Ohne Mucken und Murren haben wir die Sonderumlage gezahlt. Es geht um die Existenz des Dachverbandes“, so RKH-Vorstand Erik Schulze gegenüber TR. Der 2. Vorsitzende der Füchse betont weiterhin, dass man selbst dann zahlen solle, wenn das Schiedsgericht den Beschluss des ADRT kassiert - „Miteinander und füreinander, wie im Rugby üblich“, so die Sicht beim RK Heusenstamm.

Etwas ambivalenter sieht dies der Vorsitzende des FC St. Pauli, Nils Zurawski. Er betont in seiner Funktion als Pauli-Chef selbstverständlich gezahlt zu haben, allerdings auch Verständnis für die Klagenden zu hegen. Natürlich müsse man als Verein die eigenen Interessen vertreten, da seien manche nun Mal störrisch. Vom DRV wünscht sich Zurawski, der auch Vorsitzende des Hamburger Rugby-Verbands ist, mehr Konzepte und Visionen.

Nur so könne man langfristig aus dem Dauerkrisenmodus herauskommen. Außerdem sei das Verfahren auf dem ADRT im letzten Sommer durchaus chaotisch gewesen - gegen die Beschlüsse zu klagen sei das gute Recht der Beschwerdeführer.

Davon, wie diese Streitigkeit ausgeht, hängt relativ viel - unter anderem das sportliche Programm der DRV-Auswahlteams. Ob der Verband erneut in finanzielle Turbulenzen gerät, klärt sich in den nächsten Wochen.

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Kommentare (2)add comment

Denis McGee said:

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Irritation bei zahlreichen Vereinen
Ich - und damit stehe ich sicher nicht alleine - bin über den Brief von Matthias Entenmann und den hier veröffentlichten Artikel mehr als irritiert, da ein falsches Bild gezeichnet wird. Im Januar haben 16 große und kleine Vereine aus ganz Deutschland einen Brief an den DRV geschrieben und den Dialog gesucht. In einer Videokonferenz mit dem DRV Ende Januar wurde gemeinsam die Entscheidung getroffen, das Schiedsgericht anzurufen. Präsident Hees hatte die Vereine förmlich dazu aufgefordert. Der Einfachheit halber veröffentliche ich den Brief der Vereine. Es gäbe noch viel mehr dazu zu sagen, aber das würde den Rahmen sprengen.

Sehr geehrtes Präsidium, sehr geehrter Vorstand,

mit diesem Brief möchten wir einen Dialog darüber anstoßen, inwiefern Regeln, Verlässlichkeit und Fairness in unserem Verein, dem Deutschen Rugby-Verband, eine Rolle spielen und welche Priorität sie genießen. Ursache sind die Beschlüsse des ADRT in Heusenstamm und die Tatsache, dass nicht alle Vereine die dort beschlossene Sonderumlage gezahlt haben. Beim ADRT sind zahlreiche Rechtsfehler begangen worden, die uns in unseren elementaren mitgliedschaftlichen Rechten verletzen, sodass die Beschlüsse und somit auch die Sonderumlage unserer Auffassung nach nichtig sind. Diese Gefahr wurde von mehreren Teilnehmern beim ADRT und von einem Großteil der Landesverbände vor dem ADRT kommuniziert. Die Auffassung über die Unrechtmäßigkeit der Beschlüsse wird jetzt im Nachhinein unter anderem vom Badischen Sportbund Nord und von mehreren Vereinsrechtlern gestützt.

Als Vorstand und Abteilungsleiter unserer Vereine sind wir unseren Mitgliedern verpflichtet, verantwortungsvoll mit ihren Beiträgen umzugehen. Wir können zur Rechenschaft gezogen werden und sind im konkreten Fall sogar Haftungsrisiken ausgesetzt, wenn wir einer finanziellen Forderung ohne Rechtsgrundlage nachkommen. Die Vereine, die die Sonderumlage nicht gezahlt haben, werden dies erst tun, wenn geklärt ist, ob ein rechtmäßiger Zahlungsanspruch entstanden ist. Vereine, die bereits bezahlt haben, und um die Problematik wissen, könnten sich gezwungen sehen, die Sonderumlage zurückzufordern.

Auch wenn das der Ausnahmefall sein sollte: In Vereinen kann es immer zu Unstimmigkeiten, ja sogar Streitigkeiten, über den Umfang der Rechte und Pflichten in einem Verein kommen. Wo Menschen handeln, gibt es auch Konflikte. Wichtig ist, dass diese Konflikte nicht dazu führen, dass es Sieger und Verlierer gibt und sich Unmut breitmacht. Konflikte sollten möglichst lösungsorientiert und im Dialog ausgetragen werden. Dazu gehört aber auch, alle Seiten zu betrachten und sich in andere hineinzuversetzen. Niemand ist im alleinigen Besitz der Wahrheit. Bei dieser Entwicklung bedarf es einer demokratischen Diskussion in unserem Verband. Die Äußerungen des Vorstands und des Präsidiums im letzten Jahr lassen zurzeit leider eher darauf schließen, dass einzelne Personen und Vereine, die eine andere Meinung als die eure vertreten, schlicht nicht berücksichtigt oder gar diffamiert werden. Das kann nicht Teil einer offenen Debatte sein und wir weisen dieses Verhalten zurück. Wir erwarten, dass der DRV die Interessen aller Vereine vertritt und Präsidium und Vorstand den Verband wieder einen und nicht weiter spalten. Der Deutsche Olympische Sportbund weist nicht umsonst auf Folgendes hin: „Sportvereine werden getragen von Menschen, die sich engagieren. Vereine und Verbände sind auf rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen angewiesen, die ihnen erlauben, leistungs- und handlungsfähig zu bleiben, um so die Attraktivität des Vereinssports zu erhöhen.“ Der DOSB warnt allerdings auch: „Die Bedeutung der Satzung wird von vielen Vorständen verkannt. Dies kann zu erheblichen Problemen bis hin zur Unwirksamkeit gefasster Beschlüsse auf Mitgliederversammlungen führen.“ An diesem Punkt stehen wir jetzt. Ganz besonders vor dem Hintergrund, dass die aktuelle Satzung diverse Mängel aufweist.

Im Kern sollte es bei allen Diskussionen um eines gehen: Verlässlichkeit, Regeltreue und Fairness. Nicht zu vergessen ist der Respekt, der unsere Sportart auszeichnet und scheinbar abseits des Rugbyfeldes oft zu kurz kommt. Uns alle eint sicher der Wunsch, fair miteinander umzugehen. Dazu gehört auch, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen eingehalten, Beschlüsse rechtswirksam gefasst und alle Mitglieder einheitlich behandelt werden.

Wie kann hier eine Lösung aussehen? Wer kann in dieser Sache Schlichter sein? Wird dieser Konflikt nicht gelöst besteht die Gefahr, dass ein großer Schaden entsteht – auch finanzieller Natur. Größter Verlierer wäre das deutsche Rugby. Deshalb fordern wir euch auf, schnellstmöglich das Schiedsgericht anzurufen, um die Rechtmäßigkeit der Beschlüsse zu überprüfen und feststellen zu lassen, ob ein wirksamer Zahlungsanspruch entstanden ist. Das würde Rechtssicherheit herstellen und in jedem Fall eine Grundlage für eine weitere gemeinsame Zusammenarbeit im Sinne und zur Finanzierung unseres Verbandes bilden. Solltet ihr diesen Schritt nicht gehen, sehen wir, die betroffenen Vereine, uns gezwungen, das Schiedsgericht anzurufen und die Nichtigkeit der Beschlüsse feststellen zu lassen. Wie eingangs beschrieben gibt es nach Ansicht aller befragten Vereinsrechtler keinen Zweifel an der Nichtigkeit der Beschlüsse, die spätestens durch ein ordentliches Gericht festgestellt werden würde.

Wir sind uns sicher, dass wir alle das gleiche Ziel haben: Ein wachsender Rugby-Sport in Deutschland. Die Vereine als Motor und der Verband als Turbo. Dies gelingt jedoch nur, wenn wir Verlässlichkeit, Regeltreue und Fairness gelebt werden und wir an einem Strang ziehen. Wir freuen uns auf eure Antwort bis zum 22.1.2021.

Mit sportlichen Grüßen
April 15, 2021

Christian Roth said:

2025
...
Toller Artikel beim SWR über Rugby und die Machenschaften!
Verlässlichkeit, Fairness und so ...

Mai 14, 2021

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