„Es ist der einzige Weg aus der Pandemie“ - Münchner Rugger & Arzt unter den ersten Geimpften
Geschrieben von TotalRugby Team   
Freitag, 8. Januar 2021

Henning Lange sitzt lächelnd in Arztkleidung auf einer Pritsche und ihm wird von der rechten Seite per Spritze der Impfstoff verabreicht.
Henning Lange wird in seinem Ingolstädter Krankenhaus der BioNTech-Impfstoff verabreicht.

Er ist 32, fit, Rugbyspieler in der zweiten Bundesliga, hat keinerlei Vorerkrankungen, wurde aber wegen seines Berufs als einer der allerersten in Deutschland gegen das neuartige Coronavirus geimpft. Henning Lange ist Rugger aus Leidenschaft und Arzt in einem bayerischen Klinikum. Wir haben uns mit dem Wahl-Münchner über seinen Berufsalltag während der Pandemie und die Impfung unterhalten, die Lange als den einzigen Ausweg aus der Pandemie sieht.

Henning Lange würde dieser Tage lieber für den Rückrunden-Start mit seinem Verein StuSta München trainieren. „Für jeden Rugbyspieler ist der Sport Lebensinhalt, da geht es mir nicht anders“, so Lange im ausführlichen Gespräch mit TR. Der 32-jährige großgewachsene Innen zählt zu den spielstärksten Dreiviertel-Spielern des ambitionierten bayerischen Zweitligisten. Doch wie fast jede Rugbyspielerin und jeder Rugbyspieler hierzulande, musste die Ausübung der ovalen Leidenschaft bei ihm zuletzt in den Hintergrund treten.

Seit Monaten ist für den werdenden Vater auch beruflich allenfalls bedingt an einen normalen Alltag zu denken. Lange ist Assistenzarzt im Klinikum Ingolstadt, steht kurz vor dem Abschluss seiner Facharztausbildung zum Chirurgen. Momentan ist er in der Unfallchirurgie beschäftigt, kommt also regelmäßig in den Kontakt mit Notfällen, die eingeliefert wurden, ohne vorher getestet worden zu sein. Schon mehrmals behandelte er seit Pandemie-Beginn Patienten, die sich im Nachhinein als Träger des Sars-CoV-2-Virus herausstellten.

Genau vor einer Woche wurde Lange als einer der Allerersten in Deutschland gegen das neuartige Coronavirus geimpft. Am 2. Januar wurde ihm der vom Mainzer Biotechnologieunternehmen BioNTech entwickelte Wirkstoff verabreicht, der in Großbritannien, den USA und in der EU jeweils der erste überhaupt zugelassene Impfstoff ist und eine Wirksamkeit von rund 95% aufweist. Der junge Arzt fühlt sich deshalb durchaus privilegiert, als einer der ersten 100.000 Menschen in Deutschland geimpft worden zu sein: „Ich habe Freudensprünge gemacht, als ich gehört habe, dass wir uns impfen lassen können.“ 

COVID bleibt eine hochgefährliche Krankheit, die potenziell tödlich enden kann

Denn Lange sieht selbst und hört von Kollegen alltäglich in seinem Klinikum, welche schweren Auswirkungen eine COVID-Erkrankung nach sich ziehen kann. Die Intensivstation des großen überregionalen Krankenhauses der Audi-Stadt ist seit Wochen nahez an der Kapazitätsgrenze - auch, weil die Ingolstädter ortsfremde Corona-Patienten aufgenommen haben, demnächst wohl sogar noch aus anderen Bundesländern, wie Thüringen. „Ich habe mich gestern mit einem auf der Intensivstation tätigen Anästhesisten unterhalten, der meinte wenn aktuell ein Bett frei wird, dann meist nicht, weil jemand geheilt wurde“.

Zuletzt ist ein 39-jähriger ohne wesentliche Vorerkrankungen in Ingolstadt nach mehrwöchigen Kampf mit dem Virus verstorben - trotz Behandlung mit künstlicher Beatmung und an der über 100.000 € teuren ECMO-Lungenmaschine. Aktuell gerät das Krankenhaus an seine Belastungsgrenze, sowohl personell, als auch materiell, wie Lange berichtet. Deshalb musste medizinisches Personal aus mehreren Abteilungen abgezogen und auf die Intensiv- und Isolierstation des Ingolstädter Hospitals umverteilt werden.

Kein Verständnis für Corona-Leugner

Umso weniger Verständnis hat Lange für Corona-Leugnern und diejenigen, die die Erkrankung herunterspielen: „Ich finde es extrem schwierig. Es ist wahrscheinlich wie bei allen Dingen im Leben - wenn es einen nicht direkt betrifft und man keinen direkten Kontakt mit einem schweren Corona-Fall hatte, dann kann man sich das sicherlich alles schön reden. Aber wir sehen regelmäßig dramatische Fälle und mittlerweile vermehrt auch jüngere Patienten, die sehr schwere Verläufe durchmachen. Angesichts dessen, habe ich für die Leugner überhaupt kein Verständnis."

Schlussendlich sei niemand vor einem schweren Verlauf gefeit. Natürlich gebe es Faktoren, wie Alter und Vorerkrankungen, die eine schwere Erkrankung wahrscheinlicher machen würden, dennoch betont Lange: „Wenn man zwei Patienten mit dem exakt gleichen Profil vor sich hat, kann man trotzdem nicht vorhersagen, wer welchen Verlauf haben wird.“ Gerade deshalb sei die Impfung gegen das Virus dermaßen wichtig, um sich selbst und vor allem auch andere zu schützen: „Es ist der einzige Weg aus der Pandemie!“

Henning Lange beim Münchner Derby StuSta-MRFC im Jahr 2019

Die Studie zum BioNTech-Impfstoff ist Lange komplett durchgegangen und hat sich auch darüber hinaus intensiv mit dem Thema beschäftigt. Nebenwirkungen habe die Impfung bei ihm nicht hervorgerufen, lediglich minimaler Muskelkater rund um die Einstichstelle habe er am Tag danach verspürt. Unter den Zehntausenden, die bei der für die Zulassung relevanten Studie das Vakzin verabreicht bekommen haben, hatten nur wenige mit spürbareren Nebenwirkungen zu kämpfen. „Das bewegt sich im kleinststelligen Bereich“, so Lange.

Unter den Kollegen im Klinikum Ingolstadt habe es einige wenige mit leichten Gliederschmerzen und Müdigkeit gegeben, aber die Für-und-Wider-Abwägung kann in den Augen von Arzt Lange nur für die Impfung ausfallen. Grund dafür sind die Folgen einer COVID-Erkrankung, das erhebliche direkte Risiko und die möglichen und noch kaum erforschten Langzeitschäden.

Langes schwangere Frau kann den Wirkstoff (noch) nicht verabreicht bekommen, gleiches gilt in wenigen Wochen für sein erwartetes Kind, da bisher erst ab 16 Jahren geimpft werden darf - Zulassungsstudien für Kinder, Schwangere und weitere Risikogruppen laufen. Aktuell bleibt deshalb angesichts der mangelnden Behandlungsmöglichkeiten nur die Herdenimmunität über die Impfung, um Vulnerable, Schwangere, Kinder und Immungeschwächte zu schützen.

„Mit einer Impfung schütz man sich und andere“

Auch deswegen hofft Lange darauf, dass möglichst viele die Möglichkeit zur Impfung wahrnehmen, sobald sie in den kommenden Monaten besteht. Denn es sei trotz des noch nicht endgültig erbrachten Beweises hochwahrscheinlich, dass die Impfung eine asymptomatische Übertragung verhindert, so Langes Einschätzung. „Der Impfstoff ruft die körpereigene Produktion von neutralisierenden Antikörpern hervor, damit ist eine Übertragung sehr unwahrscheinlich.“

Bis jeder die Möglichkeit zur Impfung hat, ist sein zweiter Appel, sich an die Abstands- und Mundschutz-Regeln zu halten. Diese zu befolgen sei ein „kleines Opfer“, wenn man damit potenziell Leben retten könne. Auch bei der StuSta werde man sich erneut genau an die Regeln halten, sobald Rugby-Training wieder möglich ist. Lange hatte als studierter Mediziner die Rolle des Corona-Beauftragten beim Klub aus dem Münchner Norden übernommen und führt die Tatsache, dass man keinen einzigen Fall zu beklagen hatte, vor allem darauf zurück, dass sich alle an die Regeln gehalten haben.

„Was Colin Grzanna da auf die Beine gestellt hat, finde ich richtig gut“ so Lange mit Blick auf die  Empfehlungen und Regeln, die der DRV-Cheftrainer für Medizin in den letzten Monaten erstellt hat. Auch das lasse ihn positiv auf die kommenden Monate blicken. Um andere für eine Impfung zu motivieren teilte Lange, der sonst nicht sonderlich viel in den sozialen Medien postet, das Bild von der Impfung auf Facebook und Instagram. Er will als Mediziner Vorbild sein und dürfte dies damit als aktiver Rugbyspieler auch für die ovale Community in Deutschland sein.

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