Erst die Corona-Infektion, nun das Debüt - unser TR-Interview mit Julius Nostadt
Geschrieben von TotalRugby Team   
Montag, 26. Oktober 2020

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Freitag war es für Julius Nostadt endlcih soweit - 12 Jahre Rugby in Frankreich und nun ist der Heidelberger in der Top 14 angekommen (TR berichtete). In unserem TR-Interview sprechen wir mit dem Heidelberger Julius Nostadt ausführlich über seine persönliche Corona-Achterbahn in den letzten Wochen, sein Debüt im Trikot von Castres Olympique gegen das Star-Ensemble von Toulon und seine eigene Corona-Infektion.

TotalRugby: Knapp 24 Stunden nach deinem ersten Spiel in Toulon, was macht der Körper, halten sich die Schrammen in Grenzen?

Julius Nostadt: Es tut schon alles ein wenig weh, aber es ist ok, nichts Schlimmes. 

TR: Die letzten Wochen waren für dich ja sicherlich eine emotionale Achterbahn, seitdem du Mitte September eigentlich hättest gegen den englischen Rekordmeister Leicester Tigers starten sollen.

JN: Der ganze Saisonbeginn war ein wenig kompliziert. Wir haben ja unsere Testspiele gespielt, das lief soweit ganz gut, dann hatte ich aber genau zu Beginn der Saison einen Wundinfektion (Staphylokokken) am Oberarm. Das hat bei mir Fieber ausgelöst und da dachte direkt jeder, das ist Corona, schlussendlich war es aber die Wunde.

Deshalb war ich eine gute Woche raus, dann wäre das Leicester-Spiel gewesen, was ja abgesagt wurde, dann Montpellier, was ebenso abgesagt wurde, dann wäre Brive gewesen, da hatte ich dann Corona - sagen wir so, es waren nicht die besten Umstände. Insgesamt hatten wir rund 20 Fälle bei Castres.


TR: Wie es in den Kader reingekommen ist, wisst ihr nicht, oder?

JN: Einer unserer Spieler hat es sich eingefangen, die Woche darauf waren es schon vier und dann haben sich richtig viele infiziert.

TR: Wie lauten die Regeln bei euch? Auch mit Blick auf die Absage des Barbarians-Spiel dieses Wochenende, nachdem ein paar Spieler Abends im Pub waren. Müsst ihr euch bei sowas zurückhalten, oder dürft ihr überhaupt noch rausgehen?

JN: An sich ist es uns nicht verboten rauszugehen, aber Castres ist jetzt nicht so groß…

TR: …es würde also auffallen?

JN: Ja, es macht ja sowieso alles um zehn zu und weggehen, in den Pub gehen, das wäre zur Zeit einfach nicht angebracht. Wir sind sowieso angehalten, soziale Kontakte soweit wie möglich zu vermeiden. Das ist für diejenigen schwierig, die Familie und kleine Kinder haben, welche vielleicht schon in der Schule sind.

TR: Wie verlief die Infektion bei dir selbst?

JN: Etwa vier Tage ging es mir richtig schlecht, wie bei einer sehr starken Grippe, anfangs hatte ich auch Fieber, das hat dann nachgelassen, dazu der Geschmacks- und Geruchsverlust. Was mir meisten aufgefallen ist, waren die Gelenks- und Gliederschmerzen. Ich war dermaßen müde die ganze Zeit und dachte mir „beweg dich doch Mal ein bisschen“, aber allein schon bei mir die Treppen runter zu gehen hat mich ziemlich fertig gemacht.

Wie ein Lauffeuer breitete sich das Coronavirus im Castres-Kader aus

TR: Wie lange hat es gedauert, bis du wieder soweit warst, dass du trainieren konntest?

JN: Wir durften nach acht Tagen, also alle diejenigen, die es in der Welle hatten, jeweils Abends abgesondert einen Wiedereinstieg machen. Wir haben in einem getrennten Raum trainiert, der danach auch wieder desinfiziert wurde. Die Liga hat ein Protokoll zum Wiedereinstieg, man musste quasi dieses spezielle Training eine Woche symptomfrei überstehen.

Darauf folgte ein Belastungs-EKG, sowie ein Kardiogramm - man wurde wirklich genau durchgecheckt, um sicherzustellen, dass das Herz nicht betroffen ist. Dann folgte noch ein Lungentest und wenn das alles bestanden war und keine Abweichungen zum Ausgangstest Anfang der Saison bestanden, haben wir das grüne Licht bekommen. Alles in allem hat es über zwei Wochen gedauert.

TR: Haben im Castres-Kader irgendwelche Spieler eigentlich die Infektion vermieden, also hat das abgetrennte Training funktioniert?

JN: Ein paar Spieler haben es tatsächlich nicht bekommen. Unsere Corona-Gruppe hat in einem Raum trainiert, der sonst nicht genutzt wird. Dieser wurde dann so modifiziert, dass die Gruppe richtig trainieren konnte.

TR: Da steckte ja schon ein ausgefeilter Plan dahinter, du hattest also nicht das Gefühl, zu früh wieder reingeschmissen zu werden?

JN: Das nicht, der Wiedereinstieg war trotzdem hart. Ich hatte gehofft, dass es fitnessmäßig schneller wieder besser wird. Nach einer Krankheit ist der Einstieg nie sonderlich schön, aber normalerweise geht das nach zwei oder spätestens drei Tagen wieder. Ich merke jetzt, dass ich noch immer angeschlagen bin. Ich hatte auch schon Mal nach einer Grippe wieder angefangen und damit ist es nicht vergleichbar, es fällt mir deutlich schwerer.

Es hat eigentlich fast unseren gesamten Sturm erwischt, alle Erste- und Zweite-Reihe-Stürmer…

TR: Dementsprechend sah es dann gegen La Rochelle aus…(das erste Spiel nach der Corona-Zwangspause ging für Castres mit 3:62 verloren)

JN: An dem Spieltag letzte Woche haben uns noch 15 Spieler wegen Corona gefehlt. Aber wir mussten antreten, sobald man offiziell eine erste Reihe stellen kann und ein spielfähiges Team hat, ist das laut Regularien so.

Am Ende stand für Nostadt Castres eine 6-19 Niederlage unter dem Strich

TR: Zu deinem Debüt gegen Toulon selbst - wann war klar, dass du spielen würdest?

JN: Man soll ja nie so viel aus dem Training rückschließen, wer welche Leibchen an hat, aber ich dachte die Woche über schon, dass ich auf der Bank sitzen würde - oder vielleicht habe ich das auch nur gehofft. Am Mittwoch wurde uns das Team verkündet, da war klar ich würde starten.

TR: Hast du dann 48 Stunden lang gebetet, dass es auch dieses Mal wirklich stattfindet?

JN: Eigentlich nicht, wir hatten ja keine Coronafälle mehr und Toulon auch nicht. Von daher schien es sehr sicher zu sein.

TR: Dann am Freitag endlich dein erstes Spiel im Stade Mayol, es gibt sicherlich schlimmere Orte für ein Debüt.

JN: Klar, aber es durften halt nur 5.000 Zuschauer rein. Aber auch mit 5.000 war da ganz gut Stimmung. Ausverkauft wäre das schon noch Mal eine andere Sache gewesen - die sind da unten schon ein wenig verrückter.

Die sind da unten schon ein wenig verrückter: Die Fans des RC Toulon haben den Ruf besonders leidenschaftlich zu sein

TR: Dann direkt im ersten Gedränge nach nicht Mal zwei Minuten der Straftritt gegen dich, aber das war ein wenig unglücklich, ihr seid ja beide weggerutscht.

JN: Der Platz war nicht so. Es war ein wenig regnerisch, der Rasen war nicht fest und die obere Schicht ist mit weggerutscht. Ich hätte aber auch meine Bindung höher halten müssen, dann wäre das Gedränge vielleicht wiederholt worden. Sagen wir so, ich kann mich über den Straftritt nicht beschweren.

TR: Wo siehst du nach deinem Debüt die größten Unterschiede zur Pro D2?

JN: Die Kollisionen sind schon härter und es wird deutlich schneller gespielt. Vielleicht hängt mein Eindruck auch damit zusammen, dass ich überhaupt keine Rhythmus hatte - da war der Sprung aus der Pro D2 zu Toulon direkt nach Corona schon ein wenig krass. Deshalb war ich schon froh, dass wir die Spielzeit aufgeteilt haben (Anmerkung der Redaktion: Nostadt spielte von Beginn bis zur 33. Minute und dann von der 62. bis zum Ende durch). Als die erste halbe Stunde rum war und ich auf die Uhr geschaut haben, dachte ich mir „du kannst jetzt nicht mehr rennen“.

TR: Wer ist dir bei Toulon von deinen Gegenspielern besonders aufgefallen?

JN: Als wir vorm Reinlaufen im Gang standen, ist mir aufgefallen, wie groß die ganzen Menschen sind (lacht).

TR: Stimmt, Eben Etzebeth von den Springboks ist ja 2,03 m groß.

JN: Der andere Zweite-Reihe-Stürmer von denen (Anmerkung der Redaktion - Samoa-Nationalspieler Brian Alainu’uese, 2,02 m und 135 kg) ist physisch noch Mal imposanter, als Eben Etzebeth.

TR: Dann war da ja noch Sergio Parisse bei Toulon, der ja mittlerweile 37 ist. War der früher Mal ein Vorbild für dich?

JN: Ehrlich gesagt nicht. Tatsächlich habe ich nie dermaßen viel Rugby geschaut. Klar habe ich den bei den Six Nations Mal gesehen und dass er ein krasser Spieler ist, war mir klar - und auch in dem Alter ist er noch wirklich gut.

TR: Als du vor zwölf Jahren nach Colomiers gegangene bist, war das mit der Top 14 Mal irgendwann dein langfristiges Ziel?

JN: Das war schon immer irgendwo ein Wunsch. Dass das jetzt nach den Umwegen funktioniert hat, ist schon großartig. Ich bin ja nicht den typischen Weg gegangen, über Colomiers, Lyon, Chambéry, zurück nach Deutschland und dann schließlich über Aurillac hier hin.

TR: Bei Lyon warst du ja schon Mal im Nachwuchs-System eines größeren Klubs - wie weit warst du damals vom Kader entfernt?

JN: Sehr weit (lacht). Anfang der Saison damals hatte ich zwei drei Mal mit der ersten Mannschaft trainiert. Aber dann haben immer nur noch maximal zwei oder drei Spieler mit den Profis trainiert. Da war ich wirklich noch meilenweit entfernt.

TR: Von Chambéry aus der Fédérale 1 bist du dann wieder nach Deutschland, zu den Wild Titans, bzw. dem TSV Handschuhsheim. Wann war dir klar, dass es doch was werden könnte...

JN: Mir ist eher klar geworden, dass es nichts wird. Auf dem Papier war es ein schönes Projekt, aber zu realisieren war es eher nicht, leider. Als wir auswärts in Batumi (Georgien) im Challenge-Cup-Qualiturnier gespielt haben, hat mich ein Agent angerufen und gefragt, ob ich Zeit hätte mit dem Trainer und Manager von Aurillac zu sprechen. Daraufhin habe ich am nächsten Tag mit Kobus Potgieter geredet, der meinte er stünde mir nicht im Weg, aber fände es schade. So bin ich in Aurillac gelandet, zuerst als Medical Joker (Anmerkung der Redaktion: Transfer unter der Saison für einen verletzten Spieler), dann mit festem Vertrag und schließlich dann hier.

TR: Das Ziel Top 14 hast du jetzt endlich erreicht - was kannst du dir jetzt noch vornehmen?

JN: Ich kann mir noch viel vornehmen, ich habe erst ein Spiel gespielt!

TR: Wie wärs mit einem Bouclier de Brennus? Castres war ja zuletzt 2018 Meister.

JN: So ein Brennus wäre schon nicht schlecht. Aber das hängt von vielen Dingen ab. Wünschen tut es sich jeder. Aber ob man zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort ist, Mal schauen. Ich habe ja noch für drei Jahre Vertrag.

TR: Eine Frage noch zum Abschluss. Glaubst du, dass die Liga trotz der hohen Infektionszahlen in Frankreich weiterlaufen kann?

JN: Ehrlich gesagt nein. Ich glaube es wird einen zweiten richtigen Lockdown geben. Hier in Frankreich sind wir schon bei über 50.000 Neuinfektionen. Man wird es abwarten müssen, aber optimistisch bin ich dahingehend nicht.

 

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