Englands 7s-Natiomalmannschaft in Gefahr: Kommt das Team GB und wird das Wolfpack Nutznießer?
Geschrieben von TotalRugby Team   
Mittwoch, 29. Juli 2020

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Englands Siebener-Stars droht nun, zumindest für einige Monate, Arbeitslosigkeit. Foto (c) Perlich

Olympische Goldmedaillen gelten im Sport als das höchste, was ein Athlet erreichen kann. Für Rugby gilt das freilich nur mit Abstrichen, angesichts der Tatsache, dass der ovale Ballsport knapp 100 Jahre lang nicht bei den Spielen vertreten war. Englands Siebener-Asse stehen aktuell vor einer unsicheren Zukunft, obwohl der neue Olympia-Termin für Tokio gerade Mal ein Jahr entfernt ist. Der in finanziellen Turbulenzen befindliche Verband RFU muss drastische Sparmaßnahmen implementieren - könnte das DRV-Wolfpack am Ende der Nutznießer sein?

Englands Rugby-Verband RFU gilt seit langer Zeit als der reichste Dachverband im Welt-Rugby. Mit dem Twickenham-Stadion und den hochprofitablen Six Nations hat die Rugby Football Union zwei Goldesel, die ihr verlässlich massive Gewinne einfahren - zumindest in normalen Zeiten. Doch das Jahr 2020 wird nicht unbedingt als normales Kalenderjahr in die Geschichte eingehen. Die Corona-Pandemie sorgt überall für Turbulenzen, auch und vor allem in der Sportwelt.

Dazu kommt im Falle der RFU ein Problem, welches bereits vor Corona bestand: Die Entscheider am Rugby HQ im Londoner Westen hatten sich mit einem Bauprojekt finanziell verhoben. Der Ausbau der Twickenham-Osttribüne im Nationalstadion, der zwar keine zusätzliche Zuschauerkapazität, aber dafür bessere Einnahmen im VIP-Bereich versprach, wurde finanziell zum schwarzen Loch.

Eigentlich war das Bauprojekt, welches von 2016 bis 2018 durchgeführt wurde, mit 50 Millionen Pfund budgetiert, was sich aber schlussendlich als viel zu optimistisch herausstellte. Unter dem Strich kostete das Vorhaben 40% mehr als prognostiziert - die RFU blieb auf Mehrkosten von über 30 Millionen Pfund sitzen. Die kleine RFU-Finanzkrise begann damit schon vor zwei Jahren und wurde nun mit der historischen Corona-Krise um ein Vielfaches verschärft.

Laut neuesten Prognosen von RFU-Boss Sweeney droht dem Verband des Rugby-Mutterlandes im laufenden Jahr ein Minus von über 100 Millionen Pfund. Noch 2015 konnten dank der Weltmeisterschaft Einnahmen von über 400 Millionen Pfund registriert werden, in durchschnittlichen Jahren sind knapp über 200 Millionen die Norm - nun der massive Einbruch. Fehlende Ticket-Einnahmen in Twickenham, der Ausfall von Sponsorengeldern, Unsicherheit bei den TV-Geldern - das Gesamtbild ist aktuell düster beim ältesten Rugby-Verband der Welt. 

Werden Englands Siebener-Stars zu Opfern des Sparkurses?

Schon Anfang des Monats wurde 139 Mitarbeitern in der RFU-Administration mitgeteilt, dass ihre Dienste nicht weiter benötigt werden. Das entspricht über einem Viertel der fest angestellten Kräfte der RFU. Die verbliebenen Mitarbeiter müssen mit substanziellen Gehaltseinbußen und Kurzarbeit leben. Nun steht nur wenige Wochen später eine weitere Kürzungsrunde an. Wie der Londoner Telegraph berichtet, werden die im August auslaufenden Verträge der Siebener-Nationalspieler erst zum 1.1.2021 verlängert.

Die England-Stars um Dan Norton könnten zum Opfer der RFU-Finanzkrise werden

Anders als bei den Fünfzehner-Nationalspielern, die von den Vereinen bezahlt werden und für ihre Spiele im England-Trikot lediglich Auflaufprämien erhalten (welche ebenso zusammengestrichen werden), ist der gesamte Kader von Englands Siebener-Team fest beim Verband angestellt. In diesem Jahr wird nach der heutigen Absage der Dubai und Kapstadt 7s kein Turnier der World Rugby Sevens Series mehr ausgetragen - unter anderem, da mit Südafrika, Argentinien und Kenia kommen gleich drei der Nationalteams aus Ländern, die weiterhin einen starken Anstieg der Fälle des neuen Coronavirus verzeichnen. 

Angesichts der dramatischen Finanzlage droht den englischen Siebener-Stars wie Dan Norton und Tom Mitchell nun entweder ein knappes halbes Jahr Arbeitslosigkeit, oder die Aussicht auf einen Teilzeit-Job, um die Ausfälle zu überbrücken. Damit trifft es die Topspieler im olympischen Siebener weniger hart, als die entlassenen RFU-Angestellten. Aber eine optimale Olympia-Vorbereitung sieht definitiv anders aus, zumal kein anderer Verband einen solchen Schritt veranlasst hat.

Nach 51 Jahren wurden die Dubai 7s heute erstmals abgesagt

Gerüchte über ein Team GB auf der World Series

Die Entwicklung beim englischen Verband befeuert nun erneut seit längerer Zeit schwelenden Gerüchte über eine Auflösung des Teams. Gemeinsam mit Wales und Schottland könnte, wie bei Olympia, auch auf der World Series das Team Großbritannien antreten. Das hätte zweierlei Vorteile: Eine bessere Vorbereitung auf Olympia und Einsparungen, da aus drei Trainerstäben und drei Kadern ein einziger werden würde. Ein Team GB auf der World Series würde dazu sportlich eine noch bessere Rolle spielen und die Platzhirsche Fidschi, Südafrika und Neuseeland herausfordern.

Noch vor gut einem Monat hatte Schottland Berichte über ein gemeinsames Team Großbritannien dementiert und betont, weiterhin sein Team auf der Series behalten zu wollen. Doch auch in Edinburgh bei der SRU werden die finanziellen Sorgen größer. Wales war indes in den letzten Jahren immer wieder am Tabellenende der Series zu finden, was viele zu Spekulationen verleitet, laut denen man in Cardiff einem Team GB zugeneigt sei.

Bald auch auf der World Series: Princess Anne gratuliert den Spielern des Team GB zu ihrem Olympia-Silber in Rio

Bei der RFU wird man indes im Nachhinein die freiwilligen Zuschauerbeschränkungen bei den London 7s bedauern. Das World-Series-Turnier in Twickenham hatte noch 2015 knapp 120.000 Zuschauer über zwei Tage angezogen. Aber nach Beschwerden von Anwohnern im wohlhabenden West-Londoner Stadtteil über zu viele betrunken Fans, hatte die RFU die Ticketverkäufe ab 2016 freiwillig auf die Hälfte der Stadionkapazität reduziert und den Bier-Ausschank zeitlich auf wenige Stunden am Nachmittag beschränkt.

Die große Rugby-Party mit Millionen-Einnahmen, die das englische Siebener-Programm fast allein finanzierte, war zu Ende. Die London 7s hatten ihre Magie verloren und zumindest damals war der Verband nicht auf die Einnahmen angewiesen. Man wollte es sich nicht mit den klagefreudigen Nachbarn in Twickenham verscherzen, die zukünftig einen weiteren Ausbau des Stadions verhindern könnten. Nun wird wohl Englands Siebener-Nationalteam darunter leiden.  

Könnte das DRV-Wolfpack zum lachenden Dritten werden?

Je nachdem wie der Weltverband World Rugby auf die mögliche Fusion der drei Nationalteams Großbritanniens zu einem Team GB reagiert, könnte das DRV-Wolfpack am Ende zum Profiteur werden. Eventuell könnten so zwei oder drei Teams neu auf der World Series landen. Mit unserem Nationalteam, Hongkong, Chile, Uruguay, Tonga und Portugal gäbe es zweifelsohne genug ambitionierte Interessenten, die auf die Series wollten.  

Ohne die bereits für die World Series qualifizierten Japaner würden unsere Jungs favorisiert in das wie auch immer gearteten Aufstiegsrennen gehen.

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Kommentare (1)add comment

Jörg Hackenbroich said:

2008
RFU-Sonderumlage 2020/2021 - 10,00 GBP je Verein/ Mitglied
Die RFU soll laut unbestätigten Gerüchten eine Sonderumlage für 2020 und 2021 von 10,00 GBP je Verein und Mitglied planen...!
Juli 29, 2020

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