Rassismus und Rugby: Südafrikas komplizierte Geschichte |
Geschrieben von TotalRugby Team | |||
Dienstag, 16. Juni 2020 | |||
Die Debatte um Rassismus dominiert seit über zwei Wochen den öffentlichen Diskurs in den USA, aber mehr und mehr auch in Deutschland. Wir bei TR wollen unseren Teil zu dieser Debatte beitragen und das Thema Rassismus und Rugby genauer beleuchten - in Deutschland wie international. Im ersten Teil unserer Reihe beschäftigen wir uns mit Südafrika und dessen lange wie ebenso komplizierte Geschichte in Sachen Rassismus und Rugby. Südafrikas komplizierte Geschichte ist ebenso faszinierend, wie ein mahnendes Beispiel dafür, wie institutionalisierter Rassismus auf staatlicher Ebene den Sport beeinflusst. Die Mär vom unpolitischen Sport stellt sich spätestens als solche heraus, wenn man sich genauer mit dem Rugby in Südafrika beschäftigt.
Siya Kolisi, Springbok-Kapitän, nach dem WM-Finale: Mehr als nur ein Rugbyspieler Doch all dies kann die jahrzehntelange systematische Unterdrückung, die auch im Rugby ihren Ausdruck fand, nicht einfach vergessen machen. Die britische Kolonialzeit an der Südspitze Afrikas endete formal 1934, als Südafrika Souveränität erlangte und 1961, als als das Land zur Republik wurde und sich damit vollends vom Commonwealth lossagte. Ein getrennter Verband - das South African Coloured Rugby Football Board - wurde eigens für nicht-weiße Südafrikaner gegründet. Rugby galt zwar vielen Farbigen und Schwarzen als Sport der Weißen - dennoch formierten sich schon Ende des 19. Jahrhunderts unter ihnen eigene Klubs. Doch bereits damals schlossen sich weiße Anti-Apartheid-Aktivisten diesen Klubs an, entgegen der Rassentrennungsregeln. Daniel „Cheeky“ Watson war einer von ihnen - er wurde 1976 als talentierter 22-jähriger Außendreiviertel zum Auswahltraining der Springboks eingeladen, lehnte aber dankend ab, um sich nicht den Regeln des Apartheid-Staates unterwerfen zu müssen. Stattdessen spielte Watson fortan für den Spring Rose Rugby Football Club, einem Verein in einem anderen schwarzen Township von Port Elizabeth. Bis zum Ende der Apartheid wurde Watson von Südafrikas weißer Bevölkerung angefeindet, sein Haus wurde zweimal niedergebrannt, aber seitdem für seine Rolle in der Überwindung der Rassentrennung von Südafrikas Präsident Ramaposa ausgezeichnet. Die Rolle der Rugby-Welt und die langsame Transformation Andere Verbände passten sich den südafrikanischen Gesetzen an: 1928 tourten die All Blacks in Südafrika und der neuseeländische Verband nominierte in vorauseilendem Gehorsam keinerlei Maori-stämmige Spieler. Dies sollte sich bis zur All-Blacks-Tour 1970 nicht ändern, als erstmals nicht-weiße Neuseeländer in Südafrika aufliefen - damals deklarierte die südafrikanische Regierung die Maori-Spieler als „honorary whites“, also Ehrenweiße, um ihnen die schlimmsten Apartheid-Maßnahmen zu ersparen. Schon damals formierte sich in Neuseeland Widerstand - „No Maoris, no tour“ war das Motto der Anfangs kleinen Protestbewegung. Die allerletzte Tour der Boks nach Neuseeland 1981 wurde schließlich zum Politikum - Tausende Neuseeländer demonstrierten gegen die Gäste und bewirkten fast eine Absage der Spiele. Doch Neuseelands Regierung unter Robert Muldoon bezog offiziell die Position man solle Sport und Politik nicht vermischen. Der internationale Druck nahm zu und nach 1981 sollte nichts mehr so sein, wie zuvor. International wurden die Boks mehr und mehr geächtet und durften folgerichtig 1987 und 1991 nicht an den ersten beiden Rugby World Cups teilnehmen. Das zeigte auch in Südafrika Wirkung - bereits zur Zeit der Tour 1981, als in Südafrika noch Rassentrennung per Gesetz herrschte, war ein Mann namens Errol Tobias im Kader. Die Apartheid war noch nicht abgeschafft, aber Errol Tobias punktete 1984 bereits im Boks-Trikot Er spielte im Jahr 81 schlussendlich nicht gegen die All Blacks und ging dennoch in die Geschichte ein. Er wurde kurz darauf der erste nicht-weiße Springbok - er hatte zuvor jahrelang im Trikot der getrennten farbigen Nationalmannschaft, genannt „Proteas“, brilliert. Im Trikot der Boks sollte er trotz seines Ausnahmetalents nur auf sechs Einsätze kommen, auch weil der damalige Team-Manager sich gegen den als Fremdkörper wahrgenommenen Tobias wehrte. Kommentare (1)
Frik Du Waal said:
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Letzte Aktualisierung ( Dienstag, 16. Juni 2020 ) |