Ovale Helden in der Pandemie
Geschrieben von TotalRugby Team   
Montag, 4. Mai 2020

Ed Jackson steht im Expeditions-Outfit auf der Treppe und zieht sich hoch.
Vier Tage lang quälte sich der querschnittsgelähmte Jackson die Treppe des Elternhauses hoch und sammelte so 60.000 Pfund an Spenden. Foto (c) Wings for Life

Ein Großteil der Nachrichten, die uns dieser Tage erreichen, sind negativ - selbst im Rugby-Bereich dominieren Absagen und Verschiebungen. In derart deprimierenden Zeiten versuchen wir von TR euch regelmäßig auch die ovalen Lichtblicke zu bieten - Geschichten von inspirierenden Menschen im Rugby-Universum. Heute dabei: Ein Wales-Star, der für den britischen Gesundheitsdienst Nachtschichten schiebt und ein Querschnitssgelähmter, der sich für eine Spenden-Aktion tagelang gequält hat.

Schon vor einigen Wochen hatten wir über Maxime Mbanda berichtet - der Italien-Flanker hatte sich in seiner Heimatstadt Parma, in einer der am schwersten von der Corona-Pandemie betroffenen Regionen, als Freiwilliger gemeldet und hilft seitdem schwer erkrankte Patienten zu transportieren. Freiwilligendienst statt Six-Nations-Rugby - aber Mbanda ist aber nicht der einzige ovale Held dieser Tage.

Ed Jackson wird wegen seiner Zeit als Rugby-Profi nicht unbedingt jedem ein Begriff sein. Der ehemalige Wasps- und Bath-Profi war einst Kapitän der englischen U-18-Nationalmannschaft, schaffte es aber nie in die Senioren-Nationalmannschaft des Rugby-Mutterlandes. Sein abruptes Karriere-Ende erfolgte im Jahr 2017, als der Dritte-Reihe-Stürmer auf einer Poolparty im elterlichen Haus am falschen da flachen Ende des Pools mit dem Kopf zuerst hineinsprang.

Jackson brach sich die Wirbelsäule (C6/C7) direkt am Halsansatz, musste am gleichen Abend mehrfach wiederbelebt und operiert werden und war fortan querschnittsgelähmt. Jackson verbrachte Monate im Krankenhaus und erkämpfte sich seitdem in jahrelanger harter Arbeit mit eisernem Willen zumindest eine eingeschränkte Mobilität zurück. Noch immer fühlt der Dritte-Reihe-Stürmer in seinen Extremitäten auf der rechten Seite nichts und sein Gang ist von einem starken Hinken geprägt.

 

Aus dem Rollstuhl auf den Everest: Jacksons Weg ist inspirierend

Das hält Jackson aber nicht davon ab, als Vorbild zu fungieren. Seit seiner Verletzung sammelt der Engländer Spenden für die weitere Erforschung von Wirbelsäulenverletzungen. Als vor gut zwei Wochen der einhundertjährige britische Weltkriegsveteran Captain Tom Moore mit seiner Spendenaktion die Herzen der Briten eroberte - Moore war mit seinem Rollator tagelang seinen Garten hoch und runtergelaufen und hatte mit der Aufmerksamkeit der nationalen Medien über 30 Millionen Pfund für das britische Gesundheitssystem an Spenden eingesammelt - fühlte sich Jackson inspiriert. 

Der noch immer als querschnittsgelähmt geltende Ex-Rugby-Profi hatte schon gut ein Jahr nach seinem Unfall unter größter Anstrengung den höchsten Berg von Wales bestiegen, den Snowdon. Angetrieben von der Langeweile, wie Jackson nun selbst erklärte, realisierte er sich letzte Woche vorzeitig einen großen Traum: Den Mount Everest zu besteigen. Jedoch auf etwas andere Art und Weise.

Die steile Treppe des Elternhauses als "persönlicher Everest"

Er begann die Treppe seines Elternhauses, in den ersten Monaten nach der Rückkehr aus dem Krankenhaus eine Art persönlicher Everest für den sich erholenden Jackson, immer wieder hinaufzusteigen. Genau 2783 Mal, so Jacksons Berechnung, entsprächen dem Aufstieg von der Seehöhe bis auf den höchsten Berg der Welt. Schon für einen sportlichen Menschen ohne Handicap eine große Herausforderung, mehr noch für den immer noch stark gehbehinderten Ex-Profi.

Jackson informierte die Lokalpresse und fing an seinen „Aufstieg“ zu filmen und in den sozialen Medien zu übertragen - immer mit den Hinweis, dass er sich von den Zuschauern karitative Spenden wünscht. Ehemalige Weggefährten wie James Haskell feuerten ihn dabei an und spendeten selbst. Nach Tag eins und gut 800 Läufen die Treppe hinauf wurde ihm klar, welche Herausforderung er da vor sich habe.

12 Stunden am Tag, vier Tage lang und über 90.000 Stufen erkämpfte sich Jackson immer wieder den Weg die steile Treppe hinauf - das linke Bein dabei lediglich nachziehend und indem er sich am Geländer mit viel Krafteinsatz hochzog. Schon nach Tag eins bluteten ihm die Hände vom engen Griff am Handlauf und am Ende der viertätigen Expedition waren auf dem gesamten Handlauf und der weißen Wand Blutspuren von Jackson zu finden.

Doch die Aktion war ein Erfolg, so Jackson zur britischen BBC - er notierte seinen Fortschritt penibel an einer aufgestellten Tafel und wurde von der Frau und den Eltern angefeuert. Über 60.000 Pfund an Spenden brachten ihn die vier Tage körperliche Anstrengung ein, die er tagsüber stilecht im Expeditions-Outfit und Nachts im Zelt vor der Treppe schlafend verbrachte.

 

Wales-Gedrängehalb näht Nachts Schutzkleidung

Nicht unweit von Jacksons „Everest-Besteigung“ trägt Wales-Gedrängehalb Rhys Webb seinen Teil dazu bei die Corona-Krise zu bewältigen. Wie alle Rugby-Spieler in Großbritannien ist auch Bath-Profi von der aktuellen Zwangspause betroffen. Als er vor wenigen Wochen von einem Bekannten gefragt wurde, ob er sich vorstellen könne bei der Produktion von Schutzbekleidung für Gesundheitsmitarbeiter des National Health Service zu helfen, war das für ihn kein Thema.

Im Betrieb dieses Freundes werden aktuell Sonderschichten gefahren, da in Großbritannien selbst für das medizinische Personal nicht genügend Masken und Kittel zur Verfügung stehen. So kam es, dass Webb, der noch bis vor kurzen beim französischen Star-Ensemble Toulon unter Vertrag stand, Nachschichten arbeitet. Der 33-fache walisische Nationalspieler hilft mit seinen zwölfstündigen Schichten von Abends um acht bis morgens um acht den Mangel im Gesundheitswesen zu beheben.

Bis zu 3.500 Schutzmasken kämen in einer Nacht zusammen, wie Webb der BBC erläutert. Seine besondere Motivation: Webbs Schwester arbeitet als Krankenschwester in der Klinik von Bridgend und hatte ihm persönlich von der schwierigen Situation erklärt. Unter den knapp 30.000 Opfern des Coronavirus im Vereinigten Königreich sind unter anderem wegen der mangelnden Schutzkleidung über 100 Ärzte und Pfleger.

So kennt man den gefährlichen Gedrängehalb: Rhys Webb mit einem Versuch gegen England

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