TR-Update International: Blitzboks mit Klasse-Comeback in LA, Six Nations bald nur noch im Pay-TV?
Geschrieben von TotalRugby Team   
Montag, 2. März 2020

Image
Südafrika gewinnt das allererste World-Series-Turnier in Los Angeles. Foto (c) Perlich

Six-Nations-Pause? Kein Problem, das wichtigste Rugby-Turnier der Welt abseits der WM bleibt in aller Munde, jedoch nicht wegen sportlicher Themen. Das Turnier droht im Mutterland im Pay-TV landen und damit ein Stück weit auch aus dem Auge der Öffentlichkeit zu rücken. Trotz eines Aufschreis in der Rugby-Community scheint Sky der Favorit in Sachen Übertragungsrechte zu sein. Derweil wurde in Los Angeles am Wochenende im olympischen Siebener gespielt - das aus Las Vegas verlegte Turnier wurde von den Blitzboks entschieden, die ihre tolle Form diese Saison unter Beweis stellen und auch mit Blick auf Olympia in Tokio aussichtsreich dastehen.

Das Finale der LA Sevens war Werbung für das Siebener-Rugby. Olympiasieger Fidschi hatte sich im ersten Durchgang eine 19:0 Führung herausgespielt und wähnte sich auf der Siegerstraße. Doch die Boks ließen sich nicht hängen und starteten das beeindruckendste Final-Comeback seit langem. Zwei Versuche vor und nach der Pause brachten die Südafrikaner in Reichweite, doch Fidschi schien mit drei Minuten auf der Uhr beim Stand von 24:12 alles klar gemacht zu haben.

Doch noch einmal raffte sich Südafrika beim eigenen Schopfe auf und schaffte mit nur 27 verbleibenden Sekunden durch Chris Dry den Anschluss. Tief in der Nachspielzeit durch Branco du Preez der Versuch zum 22:24 sowie die schwierige Erhöhung zum 24:24, so dass die Entscheidung in der Nachspielzeit fallen musste. Drei Minuten und eine gelbe Karte für Fidschis Nacuqu bedurfte es, bis Südafrika mit dem dritten Versuch in Folge für die Entscheidung sorgte. Südafrika rückt damit knapp an die in der World Series führenden Neuseeländer heran, die sie im Halbfinale noch besiegt hatten.

Die Gastgeber dagegen konnten ihre beiden Heimsiege 2018 und 2019 in Las Vegas nicht wiederholen, am Ende reichte es trotz der Tatsache, dass Superstars Carlin Isles und Perry Baker über die historische Marke von 200 Versuchen auf der World Series kamen, nur zu Rang 5. Auch das Zuschauerinteresse in Los Angeles war trotz angenehmer Temperaturen noch nicht mit dem bisherigen Austragungsort Las Vegas zu vergleichen. Beim amerikanischen Verband sieht man jedoch künftig im moderneren Stadion von LA bessere Vermarktungsmöglichkeiten und ein größeres Zuschauerpotenzial. Zumindest die LA Times zeigte sich begeistert das schnelle Spektakel mit farbenfrohen Fans.

Die Six Nations vor der TV-Revolution?

Die Six Nations haben an diesem Wochenende zum zweiten Mal pausiert, bevor an den kommenden beiden Wochenenden die Titelentscheidung fällt (sofern Coronavirus-bedingte Absagen die Entscheidung nicht vertagen). Die Schlagzeilen der britischen Rugby-Medien werden aktuell wie üblich vom Frühjahrs-Klassiker dominiert, aber nicht aufgrund sportlicher Aspekte. Es könnten nämlich das vorletzte Mal sein, dass das Turnier frei empfangbar bei der britischen BBC und ITV zu sehen sind.

Das privat organisierte Turnier wird seit den 1950er-Jahren vom öffentlich rechtlichen Sender auf der Insel übertragen und bei Spitzenspielen schalten bis zu 10 Millionen Zuschauer ein, wenn auf der BBC im Februar und März um das ovale Leder gekämpft wird. Anfangs zahlte der TV-Sender dem Londoner Telegraph zufolge gar nichts für diese Übertragungen, in den 1970ern zunächst um die 5.000 Pfund pro Spiel. Auch wenn diese Summe mittlerweile um das eintausendfache gestiegen ist und die aktuellen Rechte-Inhaber BBC und ITV jeweils knapp fünf Millionen Pfund pro Spiel hinblättern, ist Six Nations Limited damit nicht zufrieden und strebt eine Verdoppelung der TV-Gelder an.

Eine im Januar angedachte künftige Rückrunde der Six Nations (TR berichtete) im Herbst ist wohl vorerst vom Tisch, jedoch wird man in der Dubliner Zentrale der Six Nations die TV-Rechte aller Teilnehmerländer wie angedacht für den Frühjahr und Herbst gemeinsam veräussern. Nun läuft laut übereinstimmenden Medienberichten in Großbritannien alles auf den Pay-TV-Anbieter Sky hinaus. Denn ein gemeinsames Angebot von BBC und ITV, wie im letzten Rechte-Zyklus von 2016 an, als beide Sender gemeinsame Sache machten, um das Turnier im Free TV zu halten, will man in Dublin nicht akzeptieren. 

Pay-TV-Anbieter Sky bietet dem Turnier-Organisator einen dreistelligen Millionen-Betrag jährlich. Eine exklusive Übertragung bei Sky wäre mit einem dramatischen Rückgang der Zuschauerzahlen verbunden. Zur Veranschaulichung: Die Rekord-Zuschauerzahl aus dem Jahr 2015, als knapp zehn Millionen Briten das Duell England-Frankreich bei der BBC verfolgten, übersteigt die aktuelle Abonnenten-Zahl von Sky in Großbritannien von gut acht Millionen Abonnenten deutlich. Wohlgemerkt, dabei werden auch Kunden gezählt, die kein Sport-Paket bestellt haben. Der bisherige Sky-Rekord in Sachen Rugby-Übertragungen liegt bei 1,5 Millionen Zuschauer für das November-Länderspiel England-Neuseeland aus dem Jahr 2018.

Doch warum will man bei den Six Nations wegen eines kurzfristigen Geldregens die Stellung als zweitwichtigster TV-Sport in Großbritannien aufgeben? Die Antwort hängt wohl mit einem anderen Deal zusammen, der gerade ausgehandelt wird. Risiko-Kapitalgeber CVC will für ein Siebtel der Anteile an den Six Nations 300 Millionen Pfund bezahlen. Gerade für den englischen Verband, der nach dem teuren Umbau des Twickenham-Stadions in Geldnöten ist, ein sehr verlockendes Angebot. Nachdem die Investment-Gesellschaft CVC schon Anteile an der englischen Premiership und der Pro 14 erworben hat, scheint das Investment bei den Six Nations der nächste logische Schritt.

Ex-England-Hakler Brian Moore übt scharfe Kritik an CVC

CVC besitzt die Anteile an den Six Nations zwar noch nicht, hat jedoch durch die Aussicht auf das millionenschwere Investment bereits jetzt großen Einfluss. Ex-England-Hakler Brian Moore, der aktuell auch für die BBC als Co-Kommentator tätig ist, übt in seiner Zeitungs-Kolumne scharfe Kritik an dem Vorgehen. Da CVC auch die Mehrheits-Anteile an Skys Tochtergesellschaft im Sportwettengeschäft halte, sei die Motivation klar - der Risiko-Kapitalgeber will Druck bei den Six Nations ausüben, um sein anderes Investment im Sportwettenbereich wertvoller zu machen.

Darüber hinaus verweist Moore auf CVCs magere Bilanz als ehemaliger Besitzer der Formel 1 und zitiert den ehemaligen Chef des Force-India-Rennstalls, Bob Fernley, der 2016 CVC eine „Vergewaltigung“ des Sports vorwarf und zu Protokoll gab: „Ihr gesamtes Handeln ist darauf ausgelegt, so viel Geld wie nur möglich aus dem Sport herauszuziehen und möglichst wenig zu investieren.“ 2014 hatte die Formel 1 rund 1,25 Milliarden Pfund Umsatz gemacht, etwas mehr als ein Viertel davon landete als Rendite beim Investor.

Zwar konnte CVC die Formel 1 nach zehn Jahren im Portfolio im Jahr 2017 für mehr als das dreifache verkaufen, den Wert des Wettbewerbs also auf dem Papier steigern, jedoch halbierte sich die globale TV-Zuschauerschaft im gleichen Zeitraum. Kritiker wie Moore befürchten ein ähnliches Schicksal im Rugby. Ein weiterer wichtiger Sport in England, Cricket, war vor über zehn Jahren einen ähnlichen Weg gegangen und nur noch im Pay-TV zu sehen. Die Folge: Der Verband hat mehr Geld denn je zur Verfügung, kämpft aber gleichwohl mit massiven Nachwuchsproblemen und mangelnder Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit.

Der Disput wird zum Politikum

„Es ist schon ironisch am St. Davids Day (dem inoffiziellen walisischen Nationalfeiertag) zu erfahren, dass wir uns bald unsere eigene Kultur nicht mehr leisten können", so Adam Price, der Parteivorsitzende von Plaid Cymru, einer walisischen Regionalpartei, die auch im britischen Parlament vertreten ist. Price spielt dabei auf die wichtige identitätsstiftende Bedeutung der Six Nations in Wales an. Ein Sky-Abonnement, das in Großbritannien kaum unter 50 Pfund im Monat zu haben ist, können sich viele Menschen im strukturschwachen Wales nicht leisten. So wird das TV-Rechte-Thema auch zum Politikum - Price war bei weitem nicht der einzige Politiker, der sich äußerte. Auch Labour-Abgeordnete aus dem Unterhaus prangerten den möglichen Schritt der Six-Nations-Organisatoren an. Das letzte Wort scheint noch nicht gesprochen, doch für den Rugbysport könnte es eine richtungsweisende Entscheidung sein.

Artikel empfehlen
Kommentare (0)add comment

Kommentar schreiben
Du mußt angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.

busy
Letzte Aktualisierung ( Montag, 2. März 2020 )