Six Nations Review: Frankreich schlägt England überzeugend, Irland mit knappem Sieg
Geschrieben von TotalRugby Team   
Sonntag, 2. Februar 2020

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Lediglich Frankreich konnte am heutigen Sonntag jubeln.

Frankreich war vor dem Beginn der Six Nations die größte Wundertüte: Ein runderneuertes und radikal verjüngtes Team, das von einem neuen Trainer zur Heim-WM 2023 geführt werden soll. Spätestens seit dem heutigen Sieg sollten die Franzosen zu den Turnierfavoriten gehören. Wie die Mannschaft England über fast das gesamte Spiel dominierte, war beeindruckend. Lediglich zwei Geniestreiche von Johnny May brachten den Vizeweltmeister am Ende noch zum Defensiv-Bonus. Wales hatte gestern bereits mit einem souveränen Sieg über Italien vorgelegt und Irland daheim Schottland niedergerungen.

Frankreich 24:17 England

„Generation Gänsehaut“ titelte Frankreichs Rugby-Bibel Midi Olympique diese Woche vor dem Auftakt in die diesjährigen Six Nations. Und tatsächlich: Mit zwei U-20-Weltmeisterteams zuletzt, von dem mehr und mehr Spieler in das Herrenteam aufrücken, haben die Franzosen mittlerweile eine Hintermannschaft, die zaubern kann. Die neuen Stars der Franzosen, Ntamack, Dupont und Penaud, allesamt Anfang 20, stehen für Tempo und Spielfreude. Was den Franzosen aber beispielsweise zuletzt noch bei der WM fehlte, war die nötige Härte in der Defensive.

Die Verpflichtung des Engländers Shaun Edwards sollte dies ändern. Edwards hatte jahrelang als Co-Trainer von Warren Gatland die Waliser zum besten Defensiv-Team gemacht und wer die Leistung der Franzosen am heutigen Sonntag sah, konnte den Einfluss des Defensiv-Gurus spüren. Die im traditionellen Blau spielenden Franzosen ließen sich von der angekündigten Brutalität von England-Coach Eddie Jones nicht im geringsten beeindrucken.

Ein ums andere Mal wurden Englands schwere Ballträger zu Fall gebracht. Dazu war die Geschwindigkeit, mit der die Frankreich-Defensive aufrückte, derart hoch, dass Englands Angriff nahezu erstickt wurde. Phase um Phase schaffte es England nicht über die Vorteilslinie zu gelangen und wurde meist von den Franzosen zurückgedrängt.

Dazu zauberten die Franzosen gerade im ersten Durchgang im leichten Nieselregen von Paris, trotz glitschigen Spielgeräts. Dritte-Reihe-Stürmer Aldritt und Außen Teddy Thomas brachten die XV de France tief in die 22 der Engländer, wo Spielmacher Ntamack Außen Rattez per Innenball durch die letzte Defensiv-Reihe brachte.

Keine 20 Minuten waren gespielt, da konnte Frankreich durch einen zweiten Versuch erhöhen: Englands Lawes konnte einen Boxkick von Frankreich-Neuner Dupont nicht kontrollieren und das Leder landete in den Armen des blitzschnellen Außen Rattez, der im richtigen Moment auf seinen Kapitän Charles Ollivon ablegte, der es mit dem Ball bis ins Malfeld sprinten konnte.

17:0 zur Pause, was sicherlich noch nicht alle Fans im mit über 80.000 Zuschauern ausverkauften Stade de France beruhigt haben dürfte - immerhin hatte Frankreich im letzten Jahr eine 16:0 Führung gegen Wales noch hergeschenkt und mit 19:24 verloren. Doch spätestens in Minute 55 dürften sich die meisten Franzosen in Paris auf der Siegerstraße gesehen haben.

Neuner Antoine Dupont, einer von einer Reihe von überragenden Spielern der Gastgeber, tanzte nach einer unsauberen Gasse einmal quer durch den England Sturm und bediente seinen Kapitän Ollivon, der zu seinem zweiten Versuch einlaufen konnte. England hing in den Seilen und es drohte eine richtige Packung zu geben, doch genau dann sorgte Außen Jonny May mit einem Geniestreich für Englands erste Punkte.

Nur 120 Sekunden nach dem dritten Frankreich-Versuch brach der Engländer Außen nach einem schnellen Wechsel auf die kurze Seite durch und überkickte seinen Gegenüber und war vor dem von der Seite kommenden Teddy Thomas zum Versuch am Ball. Plötzlich waren die Gäste im Spiel: Mit dem Wechsel der gesamten ersten Reihe war der Vizeweltmeister im Gedränge dominant und der Ersatz-Neuner Willy Heinz trieb das Spiel weitaus besser an.

Ein zweiter Versuch von May, nachdem die Engländer mit schnellen Händen an der Blitz Defence der Franzosen vorbei waren, brachte beim Stand von 24:14 und noch 15 Minuten auf der Uhr noch Mal so etwas wie Spannung rein. Doch Frankreichs neugefundene Defensiv-Stärke hielt an und bescherte der XV de France schlussendlich den Sieg.

Ärgerlich aus Sicht der Franzosen: Neuner Dupont, der zuvor einen sicheren Versuch mit einem Tackle in höchster Not verhindert hatte, kickte den Ball 40 Sekunden zu früh ins Aus. Die Engländer konnten das Spiel zwar nicht mehr gewinnen, sich aber mit einem Straftritt immerhin noch den Defensiv-Bonus sichern, der Mitte März in der Endabrechnung noch wichtig sein könnte.

Aber am Fazit änderte dies wenig. England war, mit Ausnahme der beiden brillanten Individual-Versuche durch May, die scheinbar aus dem Nichts kamen, ideenarm und mit Frankreichs knüppelharter Defensive über 80 Minuten überfordert. Frankreichs Hurra-Stil könnte das Team derweil noch sehr weit bringen, jedoch müssen dafür die Standards besser werden. Zwar zeigte sich Frankreichs Stur im offenen Spiel stark, jedoch gingen zu viele Gassen verloren und phasenweise dominierte England die Franzosen im Gedränge.

Wales 42:0 Italien

Bereits am Samstag eröffneten die Waliser die diesjährigen Six Nations mit dem erwarteten Kantersieg gegen die Italiener. Unter dem neuen Trainer Wayne Pivac wollen die Waliser offensiver zu Werke gehen und das Spiel gegen Italien war dahingehend die optimale Chance für den Titelverteidiger. Die Defensive der Gäste war für den WM-Halbfinalisten gerade nach der Pause zu leicht zu überwinden, speziell mit einem Josh Adams in Topform.

Außen Adams hatte schon bei der WM die Liste der Tryscorer angeführt und legte gegen überforderte Azzurri gleich drei Versuche. Den ersten legte er nach drei frühen Biggar-Straftritten, den zweiten mit der tatkräftigen Unterstützung des Wales-Verbinders. Dieser beförderte das ovale Leder spektakulär durch die eigenen Beine zu dem hinter ihm stehenden Adams, der zur 21:0 Halbzeitführung ablegte.

Nach der Pause kam dann der Auftritt von Nick Tompkins - der Engländer mit walisischen Großeltern war trotz guter Leistungen für Saracens von Eddie Jones übersehen worden. In Cardiff konnte der Innen nun seine Klasse unter Beweis stellen. Ein tolles Solo, nachdem die Wales-Stürmer mit einigen Offloads hinter die Linie gekommen waren, brachte Wales dritten Versuch ein. Ein zweiter Durchbruch von Tompkins führten zum vermeintlich nächsten Versuch, als der Saracens-Star genau im richtigen Moment auf George North ab, der nur noch ablegen musste. Doch der TMO hatte zuvor einen Vorball erspäht.

Doch der Bonus sollte auch so nur noch einen Formalität sein. In Stürmer-Manier holte sich North seinen Versuch und powerte sich aus kurzer Distanz durch, bevor es ihm Adams zum dritten eigenen Streich, Wales fünftem Versuch, nachmachte. Insgesamt ein souveräner Auftritt der Waliser, die damit die Six Nations nach einer Runde anführen. Der erste richtige Test steht aber dann erst nächste Woche an, wenn die Waliser in Dublin antreten müssen.

Irland 19-12 Schottland

Wieder einmal muss sich ein mit viel Ambitionen bei der WM gestartetes und schließlich gescheitertes irisches Team neu erfinden. Dabei war der neue Trainer Andy Farrell Teil des vorherigen Management-Teams von Joe Schmidt, der Gerüchten zufolge bald beim englischen Klub-Team Bath anheuern wird. Farrell hatte angekündigt seine Spieler vom taktischen Korsett Schmidts zumindest ein Stück weit zu befreien und mehr Freiheiten auf dem Feld zu geben.

Einen ersten Vorgeschmack auf das irische Spiel der Zukunft bekamen die Fans in der zehnten Minute des irischen Auftaktspiels gegen Schottland. Die Boys in Green hatten sich bis auf wenige Meter vor die Linie der Schotten gearbeitet. Aber anstatt Stumpf Pick&Go-Phase um Phase zu spielen, probierten es die Gastgeber mit einem einstudierten Spielzug.

Gedrängehalb Murray ließ sich zurückfallen und Zweite-Reihe-Stürmer James Ryan spielte kurz Prop Cian Healy an, vermeintlich für eine weitere Sturmphase, doch gerade als zwei schottische Stürmer auf Healy losstürmten ging der Ball von diesem nach hinten auf Conor Murray, der nun drei Anspielstationen hatte und die richtige wählte: Der Ball ging auf Sexton, der nun vorbei an der überforderten schottischen Defensive ins Malfeld einlaufen konnte, ohne von einem Verteidiger berührt worden zu sein.

Die Schotten konnten mit ihrem Angriffsspiel nur bedingt überzeugen. Die Abwesenheit von Star-Verbinder Finn Russel, der nach einem Trinkgelage unter der Woche aussortiert worden war, machte sich bemerkbar. So hielt sich das Team über Straftritte von Ersatz-Zehner Adam Hastings im Spiel. Am gefährlichsten wurden die Schotten kurz vor dem Pausenpfiff nach einem abgefangenen Pass von Innen Sam Johnson. Der 26-jährige Glasgow-Profi hatte niemanden mehr vor sich, aber auch nicht das nötige Tempo, um von der eigenen 22 bis unter die Stangen einzulaufen.

Stattdessen wurde Johnson von Irlands Außen Stockdale eingefangen. Der Angriff ging zwar in der irischen 22 weiter, doch CJ Stander holte schließlich einen Straftritt für Irland heraus. Halbzeit beim Stand von 10:6 für Irland. Nach der Pause dann ein weiterer Sexton-Straftritt zum 13:6, Irland spielte seinen Stiefel runter zu überzeugen. Schottland schoss sich dagegen selbst ins Knie, als Kapitän Stuart Hogg zum vermeintlich Versuch ablegte.

Nachdem der Ball schnell durch die Hände nach links wanderte musste der Schluss der Schotten das Leder nur noch ablegen, tat dies vermeintlich auch, wie über 50.000 an der Landsdowne Road dachten. Doch Hogg ließ das Leder ohne Gegner-Einwirkung auf den letzten Zentimetern vor dem Boden fallen. Schiri Reynal gab den Versuch zunächst, aber auf Anraten des Assistenten wurde die Aktion überprüft und der Versuch zurecht nicht gegeben. Was für ein Fehler des Schotten-Superstars, der den Ausgleich mit seiner Unkonzentriertheit quasi wegwarf. Als Trostpreis konnte Verbinder Hastings immerhin einen Straftritt aus einem vorherigen Vorteil verwandeln.


Ein weiterer Straftritt jeweils auf beiden Seiten und dann ging es beim Stand von 16:9 für die Iren in die Schlussphase. Schottland sollte mit wenigen Minuten auf der Uhr noch einmal gefährlich aufkommen. Flanker Hamish Watson und der eingewechselte Hakler Stuart McInally brachten die Gäste noch einmal tief in die irische 22, doch dort sorgte einmal mehr CJ Stander für den Turnover, der den Gastgebern den Sieg sicherte.

Für Schottland ein enttäuschender Nachmittag, auch wenn nach den Querelen und dem Aus von Verbinder Russel schlimmeres hätte befürchtet werden können. Gegen England nächste Woche werden die Schotten mehr zeigen müssen, um dem Vizeweltmeister daheim Paroli bieten zu können. Irland dagegen mit einem Arbeitssieg und zumindest in Ansätzen spielfreudigeren Stil auf dem Rasen. Im nächsten Heimspiel gegen Wales könnte sich das Team von Neu-Trainer Farrell in eine gute Ausgangslage für das Titelrennen begeben.

 

Die Tabelle

Rang Land Spiele Punkte Differenz
1. Wales 1 5 +42
2. Frankreich 1 4 +7
3. Irland 1 4 +7
4. England 1 1 -7
5. Schottland 1 1 -7
6. Italien 1 0 -42

Die nächste Runde

Samstag 8. Februar

15:15 Irland-Wales

17:45 Schottland-England

Sonntag 9. Februar

16:00 Frankreich-Italien

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Letzte Aktualisierung ( Montag, 3. Februar 2020 )